„Ich bin Kilrogg Totauge“, verkündete er stolz. Er sprach mit breitem Akzent und hämmerte mit der Hand gegen seine Brust, während er gleichzeitig die schwere Kriegsaxt hob. „Ich bin Häuptling des Klans des blutenden Auges. Ich habe viele Menschen getötet. Und du wirst nicht der letzte sein. Ich werde dich nicht vorbeilassen, das... schaffst du nicht.“
Danath beäugte den Feind vorsichtig. Er erkannte an den Strähnen grauen Haars und den Falten im Gesicht, dass Kilrogg älter als er selbst war. Aber sein Körper hatte immer noch viele Muskeln, und er bewegte sich mit der Anmut des geborenen Kriegers. Er schien den Begriff der Ehre zu kennen. Deshalb antwortete Danath ihm entsprechend.
„So sei es“, erwiderte er. Er hob sein Schwert hoch, um seinen Gegner zu grüßen. „Ich bin Danath Trollbann, Kommandeur der Allianzarmee. Ich habe viele Orcs getötet, und du wirst nicht der letzte sein. Und ich werde an dir vorbeikommen!“ Dann griff er an, den Schild vor sich haltend. Das Schwert ließ er bereits niedersausen.
Kilrogg blockte den Schlag mit der Axt ab und schlug Danath damit fast das Schwert aus der Hand, denn dessen Klinge verkantete sich zwischen der Schneide und dem Griff. Danath verlangsamte nicht, und sein Schild krachte ungebremst auf Kilroggs Brust. Der Orc taumelte einen Schritt zurück. Danath nutzte den Vorteil, um sein Schwert freizubekommen und erneut anzugreifen. Dieses Mal zielte er niedriger. Der Schlag erwischte Kilrogg knapp über der Taille, und der Häuptling grunzte, als Blut floss.
Die Wunde ließ ihn aber nicht erlahmen. Kilrogg antwortete mit einem eigenen Angriff. Er schlug mit der Faust vor Danaths Schild und verbeulte das schwere Metall. Danath wankte. Dann wirbelte Kilrogg mit der Axt herum und traf mit einem lässig geführten Schlag direkt unter den Rand von Danaths Schild. Danath musste zurückweichen, damit ihm nicht der Bauch aufgeschlitzt wurde. Die Axt drang durch den Schild, dabei war der Aufprall so hart, dass es Danath beinahe den Arm verdrehte.
Die Blicke der beiden trafen sich. Der Mensch bemerkte seine eigene widerwillige Bewunderung, als Kilrogg nickte. Jeder hielt den anderen für einen würdigen Gegner.
Die Temperatur fiel plötzlich, und Danath grinste. Schreie stiegen von überall im Raum auf. Sie zeugten nicht nur von Schmerz, sondern auch von der Furcht der Orcs vor den neuen Angreifern. Wieder einmal kamen Boulestraans Geistersoldaten den Allianztruppen zu Hilfe. Talthressar und Rellian schossen Pfeil auf Pfeil und trafen Orcs mit wohlplatzierten Schüssen. Kurdran hatte sich derweil auf die Orcs im vorderen Teil des Raumes konzentriert. Der Wildhammerzwerg hielt sie mit einer Hand in Schach und warf seinen Sturmhammer. Sein Kampfgeist war ungebrochen, obwohl die Orcs ihr Bestes gegeben hatten, ihn zu brechen.
Auch Kilrogg bemerkte, dass sich das Blatt wendete. Er brüllte vor Wut und griff an. Allerdings nicht Danath, sondern eine Gruppe von Männern an dessen Seite. Die schwere Axt durchpflügte in rasendem Tempo die Luft, traf, und zwei der Männer fielen um. Blut spritzte überall, als ihre Kameraden zurücksprangen und sich verzweifelt gegen den Anführer der Orcs wehrten. Die Geister der Draenei näherten sich ihm. Aber Kilrogg wich ihren Angriffen aus. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Menschen. So schnell Danaths Männer auch die Orcs erledigten, so schnell riss Kilrogg Schneisen in ihre Reihen.
Plötzlich taumelte Danath. Ein dröhnendes Geräusch pochte in seinem Kopf. Er sah sich um, konnte aber nichts entdecken. Dann erkannte er, dass es von der Tür herkam, durch die Ner’zhul kurz zuvor geflohen war. Unter der Tür glühte es. Die Geräusche waren Gesang, wie Danath nun erkannte. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Danath wusste, dass hier irgendeine Magie gewirkt wurde.
Beim Licht, öffnete Ner’zhul das Portal etwa direkt hier?
„Wir müssen an ihnen vorbei!“, rief er seinen Männern zu. „In den nächsten Raum! Schnell!“
Doch Kilrogg verstellte immer noch den Weg. Der Häuptling war jetzt so gut wie allein. All seine Krieger waren von den Elfen, Zwergen, Menschen und Draenei niedergemacht worden. Aber er zeigte keine Anzeichen einer Niederlage. Danath vermutete, dass der große Orc bereit war, sich selbst zu opfern, um Ner’zhul die notwendige Zeit für seinen Zauber zu verschaffen.
Eine Stimme rief plötzlich etwas vom anderen Ende der Tür her. Danath konnte die gutturale Sprache nicht verstehen, doch das musste er auch gar nicht.
Was immer Ner’zhul hatte tun wollen, war bereits geschehen.
Ein berstendes Geräusch erklang plötzlich, und das Glühen unter der Tür verstärkte sich. Auf einmal war der Raum mit Licht und Geräuschen erfüllt. Doch beides schwand schnell. Der Raum wirkte nun dunkler als zuvor.
Kurdran schaffte es an dem stämmigen Orc vorbei. Keuchend schlug er gegen die nunmehr geschwärzte Tür. Sie zersplitterte mit lautem Krachen, und der Anführer der Wildhammerzwerge trat die Reste beiseite. In dem kleinen Raum befand sich auf dem Steinboden ein mit Runen versehener Kreis. Ansonsten war er leer.
Kilrogg sah auch zur Tür und grinste. „Du bist an mir vorbeigekommen... das gestehe ich dir zu. Gut gekämpft, Mensch. Doch am Ende hast du versagt. Mein Meister ist fort zum Schwarzen Tempel, wo er seinen Zauber wirken wird. Du kannst ihn nicht mehr aufhalten, und Welten ohne Ende werden unter dem unaufhaltsamen Marsch der Horde erbeben.“
„Beim Licht, zumindest du wirst ihm nicht folgen!“ Danath griff erneut an, Wut durchströmte ihn. Er schlug immer wieder zu. Doch jede Attacke wurde von dem gerissenen alten Krieger abgewehrt. Kilrogg schob Danaths Schild beiseite und schlug mit der Axt das Schwert des Allianzstreiters weg, bevor es seinen Bauch treffen konnte. Dann grinste er Danath an und zeigte seine langen Hauer, die aus seinem Unterkiefer ragten.
„Da musst du dich aber schon mehr anstrengen, Mensch“, neckte ihn der Orc. Er nahm die Axt in beide Hände, schlug erneut nach Danaths Gesicht und zog die Axt dann wieder zurück. So zwang er Danath, entweder zurückzuweichen oder den Kopf zu verlieren.
Beim nächsten Schlag duckte sich Danath und riss seinen Schild hoch. Er krachte in Kilroggs Arme und drückte sie ebenfalls nach oben, was den Orc aus dem Gleichgewicht brachte. Dann stieß Danath vor, sein Schwert erwischte den Orc am Bauch und versank tief darin. Er war fast überrascht, dass er es geschafft hatte.
Schreiend drückte Kilrogg seine Unterarme nach unten, wodurch der Schild auf Danaths Kopf krachte. Der taumelte zurück. Der Orc blutete stark, aber das schien ihn nur noch wütender zu machen. Er hob seine Axt erneut und traf Danaths Schild. Die Klinge steckte tief in dem schützenden Metall. Er sprang zurück, der Lederriemen des Schildes riss, und Danath war plötzlich ohne Verteidigung.
„Jetzt treten wir uns Klinge gegen Klinge gegenüber“, sagte Kilrogg, zog den Schild von der Axt und schleuderte ihn beiseite. „Und nur einer wird überleben und das Lied des Siegers singen.“
„Mir soll es recht sein“, murmelte Danath durch zusammengebissene Zähne. Er nahm das Schwert in beide Hände und stürmte mit hoch erhobener Waffe auf Kilrogg zu. Aber gerade als der Orc-Häuptling vorschnellte, blieb Danath stehen und nutzte das Bewegungsmoment, um sich um die eigene Achse zu drehen. Dann wechselte das Schwert von der einen in die andere Hand. Dadurch erwischte der Angriff Kilrogg nun von seiner blinden Seite.
Die blitzende Klinge überraschte den Orc, traf ihn am Hals und schnitt durch seine Kehle. Kilrogg stolperte, die Axt glitt ihm aus der Hand. Er presste die Finger auf die Wunde, um den Blutfluss zu stoppen. Aber der Häuptling vom Klan des blutenden Auges lachte, als er auf die Knie ging.
„Bei meinem Blut... die Horde... lebt“, keuchte er, seine Stimme wurde zu einem Flüstern. „Ihr Ahnen... ich komme...“ Dann verdrehten sich seine Augen, und Kilrogg Totauge fiel auf den Steinboden des Gebetsraums. Danath keuchte, erhob jedoch das Schwert als Ehrenbezeugung für den gefallenen Feind.