„Gut gemacht, Kumpel“, sagte Kurdran, trat neben Danath und schlug ihm auf die Schulter.
Aber Danath schüttelte den Kopf. „Ich habe versagt“, sagte er bitter und schaute auf Kilroggs Leichnam. „Er hatte recht. Er hat getan, was er sollte... er hat ihnen genug Zeit zur Flucht verschafft.“ Danath schaute finster und fletschte die Zähne. „Welchen Zauber sie auch immer gewirkt haben mögen, er hat sie zu einem Ort namens Schwarzer Tempel geführt! Wie können wir sie nur aufhalten? Ich weiß nicht einmal, wo das ist.“
Der Arakkoa wandte sich ihm mit glänzenden Augen zu. „Grizzik weiß! Kann euch hinbringen!“
„Du weißt, wo...?“
„Herr Kommandant!“ Einer von Danaths Männern stürmte in den Raum. Nemuraan folgte ihm zusammen mit den schwebenden Gestalten der toten Draenei. „Die Orcs sind auf der Flucht! Einige sind tiefer in die Tunnel geflohen!“ Er wartete offensichtlich auf eine Antwort und schien irritiert, als Danath nichts sagte. „Herr Kommandant?“
Kurdran stieß Danath an. „Du bist der Anführer, Kumpel“, erinnerte ihn der Wildhammerzwerg leise. „Selbst wenn du glaubst, dass du versagt hast, musst du das nicht die Truppen spüren lassen, oder?“
Er hatte natürlich recht. Danath nickte und straffte sich. Dann sah er den Soldaten an. „Lasst die Orcs fliehen“, sagte er. „Wir wissen, wohin Ner’zhul verschwunden ist, und wir werden ihm folgen. Wir reiten zu einem Ort, der der Schwarze Tempel genannt wird.“
„Der Schwarze Tempel?“
Danath bemerkte die Wut, die in der Stimme von Boulestraan schwang. Der Geist blickte finster. „Dieser Ort hieß einst Karabor und war unsere heiligste Stätte. Aber die Orcs beschmutzten ihn, wie sie alles beschmutzen, was sie berühren.“ Seine Hände umfassten seinen Hammer fester, der immer noch völlig sauber war, trotz der ganzen Orcs, die er damit erschlagen hatte. „Ich bete darum, dass ihr die Orcs von dem heiligen Boden vertreibt.“
Danath nickte. „Das ist der Plan. Danke für deine Hilfe. Es war mir eine Ehre, mit dir zusammen zu kämpfen.“
„Das war es auch für uns“, antwortete Boulestraan und verneigte sich. „Du und deine Allianz, ihr seid edle Krieger und ehrbare Menschen. Ich wünsche dir Erfolg, Danath Trollbann. Wir werden wieder ruhen, bis man uns erneut ruft.“ Dann verschwanden er und seine Krieger. Zurück blieb nur ein schwaches Leuchten, und auch das verlosch schnell.
Danath wandte sich an Nemuraan. Impulsiv sagte er: „Komm mit uns. Das hier ist kein Ort zum Leben, und du kannst deinem Volk besser dienen, wenn du in die Welt zurückkehrst. Wir nehmen dich sogar nach Azeroth mit, wenn du willst.“
Nemuraan lächelte. „Deine Welt muss wirklich ein wundersamer Ort sein, wenn von dort solche Menschen wie du kommen“, sagte er, „und ich bedanke mich für das Angebot. Aber mein Platz ist hier. Unsere Toten bleiben auf dieser Welt, sie ruhen hier in Auchindoun oder liegen verteilt in den Wäldern. Manche bilden sogar das Material für den Weg, den die Orcs fälschlicherweise ,Pfad des Ruhms’ nennen. Sie befinden sich hier auf Draenor, und hier kümmere ich mich um sie. Das Heilige Licht hat uns aus einem Grund hierher geschickt, und eines Tages wird es triumphieren. Bis dahin erfreue ich mich an der Gewissheit, dass ich euch geholfen habe und dass du und deine Leute auch das Licht in euch tragt. Schreite voran und treibe durch deinen Mut und deine Stärke die Orcs wie Spreu vor dem Sturm her. Und wer weiß, vielleicht bekämpfen unsere beiden Völker solche Übel ja eines Tages einmal gemeinsam.“ Er zögerte. „Um eines möchte ich dich vor dem Abschied noch bitten.“
Danath nickte. „Worum geht es?“
„Lass nicht vergehen, was das Licht geschaffen hat. Er ist ein edler und wilder Kämpfer, aber Weisheit zeichnet den wahren Krieger mehr aus als Tapferkeit.“ Er wies auf Kurdran, der finster schaute und errötete. Trotz seiner Besorgnis brachte Danath ein Lächeln zustande.
„Ich tue, was ich kann. Aber du weißt ja, wie dickköpfig er ist.“
„Pah, was ihr immer habt!“
„Komm schon, du wandelnde Wunde“, sagte Danath zu Kurdran. „Wir müssen den Schwarzen Tempel einnehmen.“ Mit einem letzten Nicken in Richtung des Auchenai kehrte Danath Trollbann zurück in die Gänge der Totenstadt. Er hoffte, dass Nemuraans Gebete für die Allianz Gehör finden würden.
22
„Keine Angst, wir sind noch auf der richtigen Fährte“, fühlte sich Khadgar bemüßigt zu sagen, als die Gruppe rastete, um etwas von dem herrlichen Wasser zu trinken. Seine Leute brauchten ein wenig Zuspruch.
Sie waren von der Orc-Zitadelle aus nach Norden geritten und hatten die raue Küste im Osten passiert. Der Boden sah immer noch aus wie in der Nähe des Portals, obwohl die Dürre hier nicht ganz so schlimm war. Aufgeplatzte Erdkruste, grauer Sand, vertrocknete Pflanzen und Bäume. Hier und da waren sie an grünen Flecken vorbeigekommen. Aber der größte Teil von Draenor war unwirtlich und verlassen.
Jetzt war der Boden unebener geworden, seine Vertiefungen und Erhöhungen traten deutlicher zutage, und der Wind peitschte von allen Seiten. So eine Bergkette hatte Khadgar noch nie gesehen. Steinerne Stacheln standen von den Steilwänden ab, und zwar in jede Richtung, als dürsteten die Spitzen nach Blut. Der Fels war auch von stumpfem Rotbraun, und am Himmel prangte Purpur. Es war einer der schaurigsten Orte, den er je betreten hatte, und er vermutete, dass die Schauder, die ihn durchliefen, ebenso darauf zurückzuführen waren wie auf den scharfen Wind, der zwischen den Spitzen pfiff.
Gedankenverloren wollte Khadgar eine der Spitzen in seiner Reichweite berühren, hielt aber inne, bevor er sie tatsächlich anfasste. Wahrscheinlich sollte man das Schicksal nicht leichtfertig herausfordern. „Der Schädel ist nicht mehr weit“, sagte er wieder.
„Bist du dir sicher?“, fragte Turalyon.
„Oh, vertrau mir, ich bin mir sicher.“ Er konnte die Präsenz des Schädels mittlerweile klar spüren. Es war ein dumpfes Pulsieren, genau hinter den Augen, das fast schon sichtbar wurde, wenn er sie zusammenkniff. Auf jeden Fall war Gul’dans Totenkopf nah.
„Gut“, antwortete Turalyon, verstaute seinen Hammer und beobachtete die Spitzen. „Ich habe genug von diesem Ort.“
„Ich glaube, wir...“, begann Khadgar.
Doch Alleria hob eine Hand und bat um Ruhe. „Hört nur!“
Khadgar strengte sich an, aber seine Ohren waren nicht so gut wie die der Elfe. Momente verstrichen. Doch alles, was er hörte, war der Wind.
Doch plötzlich war da noch etwas. Ein flatterndes Geräusch wie von Flügeln – nur irgendwie anders. Die einzige Kreatur, die er kannte, die solch ein Geräusch beim Fliegen machte, war...
„Drachen!“, rief er, packte Turalyon und zog seinen Freund, als er sich auf den Boden warf, mit nach unten. Genau hinter sich hörte er ein wütendes Brüllen und ein Zischen. Unglaublicher Schmerz durchdrang seinen Arm, und als er Atem holte, hörte er ein weiteres Zischen. Er hatte ein qualmendes Loch in seinem Ärmel und eine schlimm aussehende Verbrennung auf dem Arm. Etwas zerfraß auch die Steine unter ihnen.
Magma! Krasus hatte erzählt, dass schwarze Drachen Magma spien.
Khadgar sah mehrere kleine, schwarze Gestalten, die durch die Spitzen flogen und dann aufstiegen.
„Schilde hoch!“, rief Turalyon und sprang auf. „Und haltet die Waffen bereit! Das sind keine ausgewachsenen Drachen. Die können wir schlagen!“
Turalyon hatte recht. Die angreifenden Kreaturen waren nicht größer als Pferde, keine zwei Meter lang, aber mit einer deutlich breiteren Flügelspannweite. Sie hatten kleine Köpfe und nur wenige Stacheln auf dem Rücken. Khadgar erkannte, dass sie noch nicht ausgewachsen waren. Krasus hatte sie als kleine Drachen bezeichnet. Ja, kleine Drachen.
„Kleine Drachen... junge Drachen“, ermahnte er Turalyon und hob seinen Stab, als sich die schwarzen Drachen zu einem zweiten Angriff sammelten. Er war jetzt wieder in seinem Element und verhielt sich wie ein Anführer.
„Bogenschützen, Feuer frei!“, rief er. Neben ihm feuerte Alleria Pfeile auf die kleinen, wendigen Wesen ab. Ein Treffer erwischte einen Drachen direkt in der Kehle. Die Kraft ihres Schusses trieb den Pfeil durch die dünneren Schuppen, und der junge Drache bäumte sich vor Schmerz auf. Ein zweiter Pfeil durchbohrte sein Auge und Hirn. Die Echse fiel tot zu Boden.