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Als jemand nach ihm rief, tauchte er aus dem roten Nebel auf, der ihn selbst bei reinen Übungskämpfen überkam.

„Grom!“

Grom Höllschrei senkte Blutschrei, seine Axt. Das Übungsgefecht hatte ihn nur wenig angestrengt. Er schaute auf und sah eine ältere, aber beeindruckende Gestalt, die auf ihn zukam.

„Kargath“, antwortete er und wartete, bis der Häuptling des Klans der zerschmetterten Hand zu ihm kam. Sie schüttelten sich die Hände... jeweils die Rechte. Kargath hatte seine linke Hand vor langer Zeit verloren und sie durch eine gefährlich aussehende Sensenklinge ersetzt.

„Schön, dich zu sehen.“

„Gleichfalls, das scheint auch für alle anderen hier zu gelten“, sagte der ältere Häuptling und nickte in Richtung der sich versammelnden Orcs. „Ner’zhul hat Boten zu jedem Klan geschickt, wie mir berichtet wurde.“

Grom nickte, sein schwarz tätowierter Mund bildete eine grimmige Linie. Einige der Boten stammten auf Wunsch des alten Schamanen von ihm.

„Er plant irgendetwas.“ Grom schulterte die schwere Axt. Gemeinsam schritten die beiden Häuptlinge durch das Tal zu den Ruinen des Dunklen Portals, vorbei an den Kriegern beider Klans. Hier und da wurde ein wenig herumgeflachst, aber immerhin bekämpfte sich niemand. Bis jetzt jedenfalls. „Aber was?“

„Das ist doch egal“, antwortete Kargath. „Alles ist besser als das hier!“ Er fuhr geistesabwesend mit den Fingern über das Sensenblatt. „In den letzten beiden Jahren haben wir absolut nichts getan. Gar nichts! Und warum? Weil die Allianz uns geschlagen hat? Na und? Weil das Portal zerstört wurde? Sicherlich können unsere Magier ein neues bauen! Wir brauchen etwas, das wir bekämpfen können. Ansonsten verrotten wir bei lebendigem Leibe.“

Grom nickte. Kargath war der geborene Krieger. Er lebte, um zu kämpfen und zu töten. Grom konnte das verstehen. Und was Kargath gesagt hatte, stimmte. Sie waren eine kämpferische Rasse. Regelmäßiger Kampf schärfte die Sinne und stärkte die Glieder. Ohne das wurden sie weich.

Er hatte seinen Klan durch Kämpfe gegen andere Klans fit gehalten. Und er vermutete, dass Kargath das Gleiche getan hatte, obwohl sie nicht gegeneinander angetreten waren. Man konnte immer noch Patrouillen und Kundschafter angreifen, aber nur solange, bis es zu einem echten Krieg kam. Und gegen seine eigene Art zu kämpfen, interessierte ihn nicht. Ner’zhul hatte die Horde geschaffen, er hatte die Klans zu einer Einheit geformt. Und selbst nach all dieser Zeit betrachtete Grom sie immer noch als zusammengehörig.

Wenn die Kämpfer des Kriegshymnenklans gegen die Krieger der Donnerfürsten antraten, oder die Redwalker gegen die Bladewinds, bekämpften sie ihre eigenen Kameraden. Orcs, mit denen sie hätten zusammenarbeiten sollen, statt sie anzugreifen.

Während der Schlacht spürte er immer noch denselben Blutrausch, dieselbe derbe Freude, wenn Blutschrei eine Schneise durch die Feinde schlug.

Aber hinterher fühlte er sich leer und manchmal sogar ein wenig schmutzig.

Immer wieder fragte er sich, was passiert war, als sie die Ruinen und die Gestalt, die danebenstand, erreichten. Wann hatte es angefangen, mit der Horde bergab zu gehen? Sie waren zahlreicher als die Grashalme gewesen, die einst die Ebenen bedeckt hatten, und mehr, als es Wassertropfen im Ozean gab. Wenn sie marschiert waren, hatte der Donner ihrer Schritte ganze Berge erschüttert.

Wie konnte solch eine Armee verlieren?

Es war Gul’dans Schuld gewesen, dessen war Grom sich sicher. Die tote Ebene war einst mit Getreide und Gras überzogen gewesen. Die vertrockneten und geschwärzten Bäume... der Himmel, der dunkel geworden war und rot wie Blut... all das war von den Hexenmeistern verursacht worden und ihrem Streben nach einer Macht, die nie für orcische Hände gedacht war.

Aber es war noch mehr als das. Sie hatten Draenor verdammt, sie alle, dabei hatte Gul’dan hinter jedem Schritt der Hexenmeister gesteckt. Und es war seine Schuld, dass die Horde darin versagt hatte, die andere Welt zu erobern und sich Untertan zu machen.

Immerhin hatte der verschlagene Zauberer Grom davon überzeugt, während der ersten Schlacht auf Draenor zurückzubleiben, statt seinen Platz in der Vorhut einzunehmen.

„Wir brauchen dich hier“, hatte Gul’dan behauptet. „Du und der Kriegshymnenklan, ihr gehört zu unseren besten Kämpfern, und wir müssen euch nur für alle Fälle als Reserve im Hintergrund halten. Wir brauchen auch jemanden, der auf Draenor zurückbleibt und unsere Interessen vertritt. Jemand Mächtigen, jemanden, dem wir vertrauen. Jemanden wie dich!“

Grom war so naiv gewesen, dem Hexenmeister zu glauben. Er hatte zugesehen, wie die Horde von Schwarzfaust und Orgrim Schicksalshammer durch das Portal an jenen merkwürdigen Ort namens Azeroth geführt worden war. Und er hatte die Berichte gehört, erst Berichte von ihren schnellen Siegen – und dann von ihrer endgültigen Niederlage.

Grom knurrte leise. Wenn er nur dabei gewesen wäre! Er hätte die letzte Schlacht herumreißen können, davon war er überzeugt. Zusammen mit Schicksalshammer hätte er die Stadt der Menschen am See eingenommen und Truppen hinter dem verräterischen Gul’dan und seinen Schergen hergeschickt. Dann hätten sie Lordaeron eingenommen und sich von dort aus ausgebreitet und wären über das Land gekommen, bis niemand sich ihnen mehr hätte entgegenstellen können.

Grom schüttelte den Kopf. Die Vergangenheit war unveränderlich. Schwarzfaust war tot, sein alter Freund Durotan ebenso. Schicksalshammer war gefangen, das Dunkle Portal zerstört, Gul’dan fort und die Horde nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Aber vielleicht würde sich jetzt etwas ändern.

Der Häuptling des Kriegshymnenklans knurrte und zuckte zusammen, als er das erste Mal in das Gesicht des Schamanen blickte. Weiße Farbe bedeckte Ner’zhuls Wangen, Oberlippe, Nase, Augenbrauen und Stirn und machte sie so weiß wie Knochen. Und das war wohl auch die Absicht, erkannte Grom. Der alte Schamane hatte sein Gesicht bemalt, damit es wie ein Totenschädel aussah.

„Grom Höllschrei und Kargath Messerfaust!“, rief Ner’zhul aus. Seine Stimme war noch immer stark und klar. „Seid willkommen!“

„Warum hast du uns gerufen?“, fragte Kargath unverblümt und geradeheraus.

„Ich habe Neuigkeiten“, antwortete der Schamane. „Neuigkeiten und einen Plan.“

Grom schnaubte. „Zwei lange Jahre hast du dich von uns zurückgezogen. Wie kannst du Neuigkeiten haben?“ Wut und Zweifel färbten seine Stimme. Er zeigte auf Ner’zhuls bemaltes Gesicht. „Du hast dich von Gul’dan verdrängen lassen. Du hast nicht aus dem Becher getrunken, und du schmollst wie ein Kaninchen in seinem Bau. Und jetzt verkündest du, dass du einen Plan hast und kommst aus der Abgeschiedenheit zurück mit einem Gesicht wie die Toten. Ich glaube nicht, dass ich deinen Plan hören will.“

Er konnte den Schmerz in seiner eigenen Stimme vernehmen. Trotz allem, was mit Gul’dan geschehen war, trotz all des Misstrauens von Beratern, Schamanen und Hexenmeistern und ähnlichem während dieser Zeit wollte er immer noch, dass Ner’zhul der Schamane war, den Grom aus seiner Jugendzeit kannte. Der starke, ernste, weise Orc, der die zerstrittenen Klans zu einer Einheit geformt hatte. Trotz seiner bissigen Worte wollte Grom, dass er unrecht hatte.

Ner’zhul berührte die Maske auf seinem Gesicht und seufzte tief. „Lange habe ich vom Tod geträumt. Mit ihm gesprochen. Ich habe den Tod meines Volkes gesehen, den Tod aller, die ich liebte. Und so trage ich dieses Bild, um sie zu ehren. Ich wollte euch eigentlich nicht wieder anführen. Doch jetzt glaube ich, dass ich es meinem Volk schulde.“

„So wie beim letzten Mal?“, schrie Kargath. „Uns in den Verrat führen? In die Niederlage? Ich schicke dich persönlich in den Tod, von dem du ja so sehr fasziniert bist! Mit meinen eigenen Händen, wenn du das noch einmal versuchst, Ner’zhul!“ Er drohte dem Schamanen mit seiner Sensenhand.

Ner’zhul setzte zu einer Antwort an, hielt aber inne, als er hinter sich etwas bemerkte. Er wandte sich um, und Grom sah eine massige Gestalt eintreffen. Einen Oger, der alle Orcs weit überragte.