Das beflügelte die Soldaten. Sie kämpften begeistert, schlugen nach den jungen Drachen und duckten sich, um den kleinen, aber scharfen Klauen und den faustgroßen Lavabrocken auszuweichen, die sie ausspien. Die Jungdrachen schossen an ihnen vorbei, wendeten und kamen zurück. Es waren jetzt weniger. Mehrere lagen tot zwischen den Spitzen.
Turalyon wollte etwas zu Khadgar sagen, doch er stolperte und fing sich gerade noch ab, um nicht auf der nächsten Ansammlung von Felsspitzen aufgespießt zu werden. Jeder wankte und versuchte das Gleichgewicht zu halten, als der Boden unter ihnen bebte.
„Was, im Namen des Lichts...?“, keuchte Turalyon, dann sah er zu Khadgar hinüber.
Khadgar schaute sich um und war besorgt, weil er nichts sah. Aber viel schlimmer war, dass er nicht wusste, was vorging.
Dann fiel er vor Schreck fast um.
Die Kreatur, die durch die Steinspitzen walzte, war selbst im Vergleich zu einem Oger gewaltig. Sie war mindestens doppelt so groß, hatte dicke Haut, die rau wie Stein war, und war an Armen und Schultern tätowiert. Eine Menge dunkler Stacheln verliefen wie ein Miniaturgebirge über ihren Rücken; weitere Stacheln standen von ihren Schultern und den Oberarmen ab.
Aber das Gesicht... das Gesicht war vielleicht das Schrecklichste daran. Es erinnerte an einen Oger, war jedoch viel intelligenter. Die Kreatur hatte keine Hauer, aber die Zähne waren lang, scharf und gelblich, die Ohren spitz und büschelig. Und ihr eines Auge leuchtete und starrte sie an.
„Eindringlinge!“, rief der Riese, die Kraft seines Schreis ließ die Steine um ihn herum bersten. „Zermalmt sie!“
Weitere Gestalten erschienen von Westen und Osten aus dem Steindickicht – allesamt Oger jenes Typs und jener Größe, wie Khadgar sie normalerweise kannte. Sie knurrten und lachten, als sie sich auf die Soldaten der Allianz zubewegten.
„Wartet!“, rief Khadgar. Zu seiner Erleichterung blieben die Kreaturen tatsächlich stehen. Dem Licht sei Dank hatte er die Möglichkeit, wenigstens mit ihnen zu reden. „Wir wollen euch nichts tun!“
„Nichts tun? Ihr lebt, das ist Bedrohung genug!“ Die Kreatur brüllte und kam weiter näher.
„Was auch immer du ihm gesagt hast, es scheint nicht zu funktionieren“, murmelte Turalyon. „Und verdammt, da kommen wieder die Drachen.“
Khadgar hätte nie gedacht, dass er sich einmal über den Anblick eines Drachen freuen würde. Aber als sie zurückkehrten, um erneut anzugreifen, wollte er ihnen danken.
Die Oger und ihr Meister waren abgelenkt, als die Drachen Magma auf beide Gruppen spien und die riesigen Wesen sich der Bedrohung von oben zuwandten. Die Oger schwangen große, kegelförmige Knüppel. Khadgar bemerkte, dass es sich dabei einfach um abgebrochene Spitzen aus den Bergen handelte.
Der Magier erkannte eine Chance, wenn er sie sah. „Die Drachen!“, rief er. „Greift die Drachen an!“
Alleria starrte ihn einen Moment lang an, und Khadgar wusste, was sie dachte. Dies war der perfekte Zeitpunkt zur Flucht. Sollten die Drachen doch die Oger und ihren merkwürdigen Anführer angreifen.
Turalyon grinste und nickte, er hatte es verstanden. Jetzt konzentrierten sich die Allianzstreitkräfte auch auf die fliegenden Reptilien und griffen sie mit Pfeilen und Schwertern an. Doch ihre Erfolge waren nichts verglichen mit dem, was die Oger erreichten. Die schlugen die Drachen einfach aus dem Himmel und trampelten darauf herum.
Ihr übergroßer Anführer wütete ebenfalls unter den Drachen. Aber er begnügte sich nicht mit einem Knüppel. Stattdessen griff er einfach zu und fing einen angreifenden schwarzen Drachen genauso leicht, wie Khadgar einen Apfel, den ein Freund ihm zuwarf, gefangen hätte. Das riesige Wesen hielt den Drachen in einer Hand. Daumen und Zeigefinger pressten die Flügel der jungen Echse zusammen, die sich verzweifelt wehrte. Dann führte die Bestie den Drachen zum Maul und verschlang den gepanzerten Körper auf einen Happen. Sie kaute ein paarmal, um den Rest der Flügel in das höhlengroße Maul zu bekommen, dann schluckte sie.
„Das war...“, begann Turalyon, aber er fand nicht die richtigen Worte. Er senkte das Schwert, hob sein Visier und war sich dessen kaum bewusst. „Du... diese...“
Die Kreatur sah ihn an. „Drachen kamen. Ihr hättet weglaufen können. Ihr aber nicht getan. Ihr geblieben und gekämpft. Uns geholfen.“
In der tiefen Stimme lag ein wenig Erstaunen. Khadgar verstand es nur zu gut. Er war bereit, darauf zu wetten, dass nur wenige Freiwillige ihr Leben riskiert hätten, um den Ogern zu helfen. Sein Herz schöpfte Hoffnung. Alles lief exakt so wie erhofft.
„Nein, wir sind nicht weggelaufen. Wir sind nicht eure Feinde. Wir wollen nur...“
Khadgar hatte gerade Luft geholt, um die Verhandlungen fortzusetzen, als der Boden erneut zu beben begann. Die Kreatur schaute in die Richtung, aus der sie gekommen war. Sie krümmte sich, warf die Arme schützend vor ihre breite Brust, und ein merkwürdiges Geräusch drang aus ihrem großen Maul, halb knurrend, halb wimmernd. Khadgar hätte schwören können, dass diese Bestie, die gerade einen Drachen verschluckt hatte, ängstlich wirkte.
Er schauderte, als er überlegte, was wohl so einem Wesen Angst einflößen mochte.
Die Frage wurde ein paar Minuten später beantwortet, als ein zweites riesiges Biest aus den Bergen kam. Diese Kreatur war noch größer als die erste. Sie hatte auch mehr Steinstacheln auf dem Rücken und den Armen. Ihre Haut war roter, das eine Auge so blass, dass es fast weiß wirkte, und die Zähne waren länger und schärfer.
Das weiße Auge verriet große Intelligenz, und sein Blick lag auf Khadgar, Turalyon und den anderen Menschen. „Wer seid?“, wollte es wissen. „Und warum ihr immer noch lebt?“
„Wir sind nur auf der Durchreise“, stammelte Khadgar. Die Augen des großen Wesens zogen sich skeptisch zusammen. „Wir sind nicht eure Feinde. Lass uns einfach gehen, und wir...“
„Nein.“ Die Endgültigkeit dieses einzigen Wortes war ernüchternd. „Wenn ihr geht, dann ihr reden. Reden von Gronn. Reden von Gruul.“ Der Riese schlug sich vor die Brust. „Horde kommt. Nein, besser ihr sterbt. Gronn bleiben sicher.“
Turalyon sah zur ersten Kreatur, mit der er geredet hatte. Er hoffte auf Hilfe, aber Khadgar wusste, dass er sie nicht bekommen würde. Das große Wesen hatte sich seit dem Rüffel zurückgezogen und wirkte wie ein gemaßregeltes Kind. Und das, so erkannte er, war es ja auch. Die zweite Kreatur war sein Vater, und das hier war sein Sprössling.
Der Gedanke ließ Khadgar erschaudern.
„Wir halten es geheim! Wir halfen... den Gronn gegen die Drachen! Der hier kann das bestätigen...“
Der Riese, der sich Gruul genannt hatte, schaute finster und blickte sich um. Offensichtlich sah er erst jetzt die Kadaver der Drachen, die überall herumlagen. „Ihr Drachentöter?“
„Ja“, antwortete Khadgar verzweifelt.
Aber Gruul ließ sich nicht so leicht austricksen. Er warf seinen riesigen Kopf zurück, sein reißzahnbewehrtes Maul stand offen... und dann lachte er. Das tiefe Röhren erschütterte die Wände um sie herum und ließ mehrere Spitzen zu Boden krachen.
„Tötet Baby-Drachen vielleicht“, sagte der Riese immer noch grinsend. „Wir tun das. Brauchen keine Hilfe. Jetzt ihr sterbt.“
„Warte!“, rief Khadgar. „Wobei brauchst du denn Hilfe?“ Sie konnten vielleicht weitere junge Drachen töten, wenn es denn sein musste.
Gruul ernüchterte sie sofort. „Ihr zu schwach. Ihr nicht helfen könnt.“
„Vielleicht können wir. Frag doch.“
Gruul war still, dann aber sagte er mit düsterer Stimme: „Pechschwingen Großvater.“
Es dauerte einen Moment, bis Khadgar herausgefunden hatte, wen Gruul meinte. Seine Augen weiteten sich, er platzte heraus: „Todesschwinge? Du willst, dass wir Todesschwinge töten?“