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„Gul’dan, hmm?“ Khadgar nahm einen Beutel von der Schulter und holte den Schädel heraus. „Das ist alles, was von ihm übrig geblieben ist. Er wird euch keinen Ärger mehr machen“, sagte der alt wirkende, tatsächlich aber junge Magier dem Arakkoa, bevor er den Schädel mit einem hastig verborgenen Ausdruck der Erleichterung zurücksteckte.

Grizziks Augen weiteten sich. „Du getötet Gul’dan?“, fragte er, seine Stimme ein gehauchtes Flüstern.

„Nein“, gestand Turalyon ein. „Jemand anders hat ihn zuerst erwischt. Aber wir haben die Macht der Horde gebrochen und eine ihrer wichtigsten Festungen eingenommen. Jetzt müssen wir nur noch zum Schwarzen Tempel, Ner’zhul finden und ihn ebenfalls töten.“

Der Arakkoa bewegte den Kopf ruckartig. „Ich kann zeigen euch Weg“, versicherte er ihnen.

Turalyon sah Kurdran an, und der Anführer der Wildhammerzwerge zuckte die Achseln. Turalyon verstand. Der schlaue Zwerg war sich nicht sicher, ob man Grizzik vertrauen konnte, aber sie hatten keine andere Wahl. „Danke“, sagte er dem Arakkoa. „Wir freuen uns über deine Hilfe.“ Er wandte sich an Kurdran. „Wir zeichnen heute Abend eine grobe Karte, die auf Grizziks Informationen basiert. Ich will, dass du morgen zu Danath zurückfliegst. Wir müssen uns entscheiden, wo wir uns treffen, um von dort aus in die Schlacht zu ziehen.“

Kurdran nickte. „In Ordnung, Kumpel, ein guter Plan. Aber wer hat jetzt ein Bier für mich und was zum Essen? Wenn ich mich ein wenig erholt habe, berichte ich dir alles über unsere Reise und die Schlacht bei Auchindoun.“

Turalyon lächelte. „Ich kann es kaum abwarten“, sagte er dem Zwerg. Und es stimmte. Er sah Alleria an und lächelte, als sie ihre Hände in seine legte. Morgen würden sie wieder gemeinsam losziehen, aber heute wenigstens konnten sie beisammensitzen, trinken und der fraglos spannenden Geschichte des Wildhammerzwergs lauschen.

Einige Tage später ritten sie durch zwei niedrige Bergzüge und sahen ein weites Tal, das sich vor ihnen erstreckte. Als Kurdran sie gefunden hatte, hatten sie sich gerade auf gleicher Höhe mit der Höllenfeuerzitadelle und dem Dunklen Portal befunden, wie die Orcs diese Orte nannten. Grizzik hatte sie weiter nach Süden geführt und war dann nach Osten abgebogen. Schließlich hatten sie die Verschlingende See erreicht – so bezeichnete der Arakkoa das Meer. An dessen Ufer stand der Schwarze Tempel, wo das Schattenmondtal in die Berge überging. Und hier warteten Danath und der Rest der Allianzarmee auf sie.

Danath und seine Leute waren nicht untätig gewesen. Das bemerkte Turalyon beim Näherkommen. Ein einfaches, aber effektives Lager entstand in der südwestlichen Ecke des Tals. Dicke Wände aus Baumstämmen waren schon halb hochgezogen.

„Das war Kurdrans Idee“, sagte Danath und drückte Turalyons Hand. „Er meinte, wir brauchten einen Ort, wo wir das Tal im Auge behalten konnten. Und diese Stelle erschien uns beiden hoch genug gelegen.“

Turalyon nickte. Es stimmte. Von hier aus konnte man das ganze Land überblicken, inklusive des riesigen Vulkans in der Mitte, der Rauch, Asche und Lava spie.

„Und dazu müssen wir das Tal nicht mal betreten“, fügte Kurdran hinzu. „Die Lava ist grün, und der ganze Boden ist damit durchtränkt.“

Khadgar nickte, und Turalyon bemerkte den gequälten Gesichtsausdruck seines Freundes. „Teufelsmagie“, flüsterte er. „Die reinste Form, der ich je begegnet bin.“ Der Erzmagier schüttelte den Kopf. „Ich möchte gar nicht erst wissen, was für Zauber Gul’dan dafür wirken musste. Das ist wider die Natur. Kein Wunder, dass diese Welt stirbt.“ Er schaute düster zu Kurdran. „Halt deine Leute davon so fern wie möglich“, ermahnte er ihn. „Und geht nicht öfter als unbedingt nötig ins Tal.“

„Klar, verstanden, wir bleiben da weg“, versicherte ihm Kurdran. „Außerdem haben wir das Tal bereits erkundet.“ Er holte ein Pergament hervor und zeigte ihnen die Karte, die er gezeichnet hatte. „Der Schwarze Tempel ist hier, am östlichen Rand“, sagte er und wies auf das massive, dunkle Gebäude, das man deutlich durch das Tal erkennen konnte. „Der einzige Weg dahin führt hier durch. Die Senke wirkt wie ein großes Hufeisen und ist zu dieser Seite offen.“

„Irgendein Zeichen von Ner’zhul?“, fragte Alleria.

„Ja, er befindet sich hier“, antwortete Kurdran. „Und auch diese Todesritter. Dazu einige Orcs, aber nicht viele.“ Er grinste. „Wir haben sie festgesetzt. Die gehen nirgendwohin.“

Turalyon sah zu Danath, der nickte. „Wir belagern den Tempel, sobald wir dort ankommen“, erklärte er. „Ich will nicht riskieren, dass sie Verstärkung erhalten.“

„Gut.“ Turalyon wandte sich an die anderen. „Wir müssen selbst sehen, wie wir dahinüber kommen. Khadgar, du bist der Schlüssel. Du musst Ner’zhul ausschalten und diesen Zauber aufhalten. Alleria, du und deine Waldläufer beschützt ihn mit euren Bögen. Schießt auf alles, was auch nur in seine Richtung schaut. Ich werde mich um alles in seiner Nähe kümmern. Wir schlagen uns durch ihre Verteidigung, finden Ner’zhul, töten ihn, holen die Artefakte und sind wieder weg. Einverstanden?“

„Absolut“, stimmte Khadgar zu, und die anderen nickten.

„Gut“. Turalyon seufzte, sprach ein schnelles Gebet und rief das Heilige Licht um Schutz für sie alle an. Er spürte, wie der Segen über sie kam, warm und beruhigend, und dafür dankte er. Er fasste Kurdran, Danath und Khadgar an den Händen. Dann wandte er sich Alleria zu. Sie lächelte ihn tapfer an, aber sie kannte die Risiken.

Dem Licht sei Dank waren sie nicht so töricht gewesen, immer einander weiter aus dem Weg zu gehen. Stattdessen hatten sie Stärke und Trost beieinander gefunden. Er hielt sie einen Moment lang ganz fest, legte sein Kinn auf ihr schimmerndes Haar, dann hob er ihren Kopf an, um sie zu küssen. Schließlich schenkte er ihr sein fröhlichstes Lachen und schulterte den Hammer. „Auf geht’s.“

Sie stürmten ins Tal. Die übrigen Allianzstreitkräfte waren direkt hinter Turalyon. Nur eine Handvoll Männer blieb zurück, um das Lager zu bewachen.

Als sie um den Vulkan herumkamen, sah Turalyon den Schwarzen Tempel zum ersten Mal aus der Nähe, und nur sein Glaube bewahrte ihn davor, sein Pferd herumzureißen und in die entgegengesetzte Richtung davonzugaloppieren.

Der Ort war gewaltig, er überragte sogar den Vulkan. Der Stein, aus dem der Tempel gehauen war, war vielleicht früher einmal hell gewesen. Aber nun bedeckten ihn Asche und verdorbene Substanzen, die jegliches Licht verschluckten. Das Gebäude ragte wie ein Schatten auf, der Gestalt angenommen hatte. Gedrungen, hässlich und gefährlich verhöhnte es die Armee, die gegen seine Mauern anrannte.

Turalyon erkannte, dass jede Mauer mit Symbolen verziert war, obwohl er keine Details erkennen konnte. Auf der Spitze ragte etwas hervor, das wie eine nach dem Himmel greifende Hand aussah. Noch während Turalyon diesen Anblick verdaute, stolperte sein Pferd, und er wurde beinahe zu Boden geworfen. Blitze – grün, laut und unheilvoll, erfüllt mit Dunkelheit statt Licht – überzogen den Himmel. Sein Pferd wieherte vor Angst und richtete sich auf. Sein Reiter war kaum weniger eingeschüchtert, tat aber sein Bestes, um das Tier zu beruhigen.

„Was ist los?“, rief er Khadgar über das Donnern zu.

„Der Himmel ist in Ordnung“, gab Khadgar zurück. „Ich fürchte, dass...“

Ihm wurden die Worte abgeschnitten, als die Erde erneut bebte und der Himmel grün aufblitzte.

Turalyon sah noch einen Blitz, und sein Kopf fuhr hoch.

Die nach oben greifende Hand glühte rot.

„O nein“, stöhnte er und wandte sich an Khadgar.

„Ich hatte recht“, rief Khadgar. „Ner’zhul hat mit dem Zauber begonnen.“

„Können wir ihn aufhalten?“

„Ich kann es“, antwortete Khadgar grimmig. „Verschaff mir nur etwas Zeit.“

„Wird erledigt.“ Turalyon hob seinen Hammer und rief seinen Glauben an. Die so gewonnene Kraft leitete er in die gesegnete Waffe. Die Oberfläche des Hammers begann zu leuchten, und das Licht breitete sich aus, bis es heller als der Vulkan strahlte. Orcs und Todesritter, die vor dem Schwarzen Tempel kämpften, schauten geblendet weg. Aber die Allianzkrieger beeinflusste das Licht nicht. Deshalb jubelten seine Soldaten, als Turalyon an ihnen vorbeigaloppierte und sein Hammer eine Schneise durch die Verteidiger des Tempels schlug.