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Ner’zhul wirbelte zu den anderen herum, die ihn schockiert anstarrten. „Die anderen Orcs sind verloren. Sie haben ihren Zweck erfüllt. Von diesem Punkt an gehört alles, was wir erreichen, uns allein. Ich bin die Horde, und ich werde überleben. Wählt mich – oder wählt den Tod!“

Als sie sich nicht bewegten, knurrte er und hob das Zepter. Jetzt bewegten sie sich, als wären sie plötzlich befreit, und liefen auf den flackernden Spalt zu, der ein paar Zentimeter über dem Dach begann und gut drei Meter hoch reichte. Ner’zhul wartete und hielt den Spalt mit seiner Kraft und seinem Willen offen. Dann trat er selbst hindurch.

Er hatte gerade genug Zeit, um nach Luft zu schnappen, bevor der Spalt sich hinter ihm schloss.

26

Khadgars Kopf dröhnte, doch er spürte, wie seinen Körper warme, heilende Energie durchströmte. Er stand auf und fluchte. Der Spalt verschwand gerade und hinterließ ein schwaches Nachbild wie eine Rauchspur. Ner’zhul und seine Orcs waren fort.

„... wir kamen zu spät. Er ist weg.“

„Weg? Beim Licht, nein!“ Turalyon befand sich direkt hinter Khadgar, hatte den Spalt aber wohl nicht bemerkt. Khadgar hatte ihn mit seinen erweiterten Sinnen bereits gespürt, bevor er ihn tatsächlich gesehen hatte. Auch wenn Turalyon über große Kraft verfügen mochte, so zog er aus seinem Bündnis mit dem Heiligen Licht noch lange kein Verständnis für arkane Magie.

„Er muss den Spalt hinter sich geschlossen haben“, überlegte Khadgar, als er und Turalyon auf das Dach traten. Alleria kam zu ihnen.

„Aber du hast das Auge von Dalaran zurückbekommen“, bemerkte Alleria. „Das ist doch wichtig, oder nicht?“ Khadgar nickte. „Nur, was machen wir jetzt?“ Sie schaute vom Schwarzen Tempel hinab. „Zumindest sieht es so aus, als gewännen wir dort unten.“

„Gib es eine Möglichkeit, ihm zu folgen?“, fragte Turalyon.

Khadgar schüttelte den Kopf. „Ich kenne den Spruch nicht, den Ner’zhul benutzt hat, und ich weiß auch nicht, wie man die Welt finden soll, auf die ihn der Spalt geführt hat. Selbst wenn ich einen neuen Zugang öffnen würde, gäbe es keine Garantie, dass er uns auf dieselbe Welt bringt.“ Seine Aufmerksamkeit wurde von etwas anderem beansprucht. Er furchte die Stirn und ging zu den drei Kreisen, die sich auf dem Boden befanden.

„Was ist?“

„Macht“, sagte Khadgar abwesend. „Mehr Macht, als ich je an einem Ort gespürt habe, außer in Medivhs Turm.“ Er neigte den Kopf zur Seite. „Deshalb also“, murmelte er. „Ich hatte mich gefragt, warum Ner’zhul uns die Höllenfeuerzitadelle überlassen hat, statt sie richtig zu verteidigen und den Spruch dort zu wirken. Aber das konnte er nicht. Er musste hier sein. Er brauchte die Magie dieses Ortes, um das Ritual zu vollziehen.“

„Bringt uns das irgendwie weiter?“, fragte Alleria.

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete er. „Vielleicht.“ Er trat in den mittleren Kreis, und sein Kopf fiel zurück, der Mund war zu einem stummen Schrei aufgerissen.

Solch eine Macht! Sie durchströmte ihn wie wildes Feuer, entzündete seine Adern, überlud alle Sinne.

Ner’zhul war ein Schamane, kein Magier. Seine Magie stammte aus der Erde, dem Himmel und dem Wasser – aus der Welt selbst. Und dieser Ort war ein Fokus für die Macht dieser Welt. Hier hatte Ner’zhul die volle Stärke dessen abbekommen, was er zuvor bereits mehrfach gestreift hatte, aber auf schwächerem Niveau. Er wusste, wie man damit umging.

Für Khadgar war es eine völlig neue Erfahrung. Und eine gefährliche.

Aber Khadgar war nicht umsonst Erzmagier. Er war ein zu großen Hoffnungen Anlass gebender Schüler in Dalaran gewesen und hatte viel in seiner kurzen Lehrzeit bei Medivh gelernt... und noch mehr danach. Er war ein Meister der Magie, und wenn diese Form auch neu für ihn war, so war es dennoch Magie. Und das bedeutete, dass es eine Frage der Willenskraft war.

Und die besaß Khadgar.

Langsam zügelte er seine Sinne, bezähmte die neue Energie, bis sie nur noch ein Brummen im Hintergrund war. Dann öffnete er die Augen... und schnappte nach Luft.

An diesem Ort, voll der Kraft einer ganzen Welt, konnte er sehen, was ihm zuvor verwehrt gewesen war.

„O nein“, stöhnte er.

„Was ist?“, fragte Turalyon.

„Der Spalt...“, hauchte Khadgar. Er fand kaum die passenden Worte, um zu beschreiben, was er sah. „Ner’zhul hat nicht nur einen geöffnet, sondern viele, die über die ganze Welt verstreut sind.“ Sie flackerten und glitzerten, wirkten wie Glühwürmchen an einem Sommerabend. „Es ist... Ich glaube nicht, dass Draenor das aushalten kann. Es kann dem nicht standhalten. Die Spalte sind Risse... und diese Risse sprengen den ganzen verdammten Planeten.“ Und uns mit ihm, dachte er, sagte es aber nicht.

Turalyon und Alleria sahen einander an. Gleichzeitig wandten sie sich Khadgar zu.

„Was können wir tun? Und wie viel Zeit haben wir?“

Noch während er die Worte sprach, durchlief ein Beben den Tempel und dessen Umgebung. Der Vulkan bebte und spie noch mehr giftige Lava aus, die eine grüne Wolke bildete.

Dann hörte Khadgar hinter sich ein schreckliches Krachen und ein ohrenbetäubendes Rumpeln. Er blickte über die Schulter und sah, wie Felsmassen herabstürzten. Der Schwarze Tempel war mit Blick auf die Berge errichtet worden, die die See überragten. Und diese Gipfel brachen weg. Das meiste Geröll stürzte ins Meer, aber etwas rollte auch auf sie zu.

Schnell murmelte Khadgar einen Spruch, der sie vor der Steinlawine abschirmte. Die drei blieben gut geschützt, als Felsen, Geröll und Staub an ihnen vorbeidonnerten.

Ein zweiter Zauber sicherte den Bereich direkt unter ihnen, wo die Streitkräfte der Allianz sich bereits um die Reste der Horde kümmerten. Viele der Orcs waren weggelaufen, als sich das Schlachtenglück gegen sie gewandt hatte, und die herabstürzenden Felsen beschleunigten nur ihre kopflose Flucht.

Draenor war jetzt die Bestie, die sich vor Schmerz selbst in Stücke riss. Und plötzlich dämmerte es Khadgar, dass Draenor vielleicht nicht alleine sterben würde.

„Azeroth ist in Gefahr!“, rief er über den Lärm hinweg.

„Diese Spalten sind Verbindungen zwischen den Welten. Und das Dunkle Portal ist die größte und stabilste.“ Eine merkwürdige Stille entstand, als das Beben plötzlich verebbte.

Khadgar sprach schnell weiter. „Unsere Welten sind miteinander verbunden. Die Schäden hier könnten durch das Portal greifen und Azeroth ebenfalls betreffen!“ Er verzog das Gesicht, trat aus dem Kreis und versuchte, nicht vor Bestürzung zu stöhnen, als das Energieniveau wieder auf ein normales Maß sank. Es war, als würde man ein Freudenfeuer gegen eine simple Fackel austauschen. Aber er wusste, dass ihm Gefahr drohte, wenn er länger blieb. „Ich muss zurück zum Dunklen Portal!“

„Hast du alles, was du brauchst, um es zu schließen?“

„Ich habe den Schädel. Und das Buch ist hier irgendwo. Ich werde es finden“, sagte er selbstsicherer, als er sich fühlte.

Turalyon nickte. „Ich sammle meine Truppen“, versprach er.

Doch Khadgar schüttelte den Kopf. „Dafür ist keine Zeit!“, widersprach er und packte seinen Freund an der Schulter. „Verstehst du denn nicht? Es tut mir leid, Turalyon, so leid. Aber ich kann das Portal jetzt noch nicht schließen. Wenn Draenor zerstört wird, könnte es Azeroth mit ins Verderben reißen!“

Er sah, dass in Turalyon das Begreifen einsetzte, und er hasste die Resignation, die damit einherging. Doch sein Freund nickte. „Wir nehmen die Greife“, verkündete er. „Das ist der schnellste Weg zurück.“ Dann straffte er die Schultern. „Ich rede mit den Soldaten, bevor wir gehen. Wie wenig Zeit auch sein mag, das haben sie verdient.“ Er reichte Alleria eine Hand, und gemeinsam liefen sie die Stufen hinab.

Khadgar bekam kaum mit, wie sie gingen. Er hatte Ner’zhul das Auge einfach aus der Hand genommen, aber er hatte keine Zeit gehabt, Medivhs Buch zu finden, bevor Ner’zhul sich gerächt hatte. Es war hier irgendwo, sagte er sich selbst. Er musste es einfach finden, damit der Zauber in Eintracht mit der Sternenkonstellation funktionierte.