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„Jawohl, Sir“, sagte „Schwester“. „In dreiundsiebzig Jahren wird die Erforschung des Pazifiks beendet sein. Möchten Sie zu diesem Zeitpunkt geweckt werden?“

„Du wirst mich erst dann wecken, wenn der· Versuch geglückt ist“, sagte Ross fest und bestimmt.

Wenn der Versuch mißglücken sollte, würden sie ihn nie wieder wecken. Das war Ross im Augenblick gleichgültig. Ganz plötzlich hatte ihn Trübsinn gepackt Er fühlte seine Einsamkeit körperlich. Es war wie ein Krampf, der durch sein Inneres schnitt. Er wußte, daß er sich nicht so rasch in Tiefschlaf hätte versetzen lassen müssen. Vielleicht nahm „Schwester“ an, daß er es tat, weil sie ihm den Weg ins All versagte. In Wirklichkeit flüchtete er vor seiner unendlichen Einsamkeit.

Seine Hoffnungen, Überlebende zu finden, waren Selbsttäuschung gewesen. Mit ebensoviel Wahrscheinlichkeit hätte er den Geist aus der Flasche erhoffen können, der ihm jeden Wunsch erfüllte. Noch hochtrabender war sein Vorhaben gewesen, intelligente Lebewesen entstehen zu lassen. Es war ein grandioser Plan gewesen — ein grandios dummer Plan, wie er jetzt erkannte.

Als ihn die Roboter zum drittenmal auf den Tiefschlaf vorbereiteten, hatte er nur noch einen letzten Wunsch: Er wollte aus diesem Schlaf nie mehr erwachen. Er wünschte sich den Tod!

Eine Stunde später, wie es ihm schien, massierten die Roboter seinen Körper, der sich langsam wieder erwärmt hatte. Er stellte „Schwester“ die unvermeidliche Frage.

„Zweiundzwanzig Jahrtausende“, antwortete sie.

„Kein Pappenstiel.“ Er lächelte sauer. Ross fühlte sich betrogen. Die gedrückte Stimmung, die gräßliche und schmerzende Einsamkeit, vor der es kein Entrinnen gab, und die tödliche Langeweile empfand er noch immer. Nichts hatte sich geändert, all diese Gefühle hatten sich über die Jahrtausende erhalten und bedrängten ihn nach wie vor. Aber vielleicht war etwas geschehen, das ihn erheitern konnte.

„Erstatte mir Bericht“, sagte er müde. „Oder besser, ich werde mir alles selbst ansehen. Und von Urlaub will ich nichts hören! Subjektiv betrachtet, war ich erst vor zehn Tagen in Urlaub. Also bring mich nach oben!“

Das Gras war größer geworden und sah nicht mehr so weich aus. Sicher war es jetzt kein Vergnügen mehr, sich darin auszustrecken. Ross spürte, daß sein Herz schneller schlug. In seinen Ohren sauste es, und ihm wurde schwindlig. Dies alles waren Anzeichen dafür, daß der Sauerstoffgehalt der Luft zugenommen hatte.

Noch immer rollten die Brecher auf den Strand, aber die Küste war — grün.

Sand gab es nicht mehr. So weit das Auge sehen konnte, dehnte sich ein feuchtes Graspolster, das in die Fluten hineinwuchs.

„In dem Zeug könnte ich nicht schwimmen!“ empörte sich Ross.

„Schwesters“ Bericht tröstete ihn nicht. Nur mit halbem Ohr hörte er, daß diese Gräser im Meer wuchsen und durch die ständigen Bewegungen des Wassers dazu gezwungen worden waren, sich ebenfalls fortzubewegen. Zwar waren diese Rückwanderungen von angespülten Halmen mit dem bloßen Auge kaum zu beobachten, aber es bestand die Möglichkeit, daß sich hieraus intelligentes pflanzliches Leben entwickelte.

Ross konnte sich dafür nicht begeistern. Man hatte ihm seine einzige Freude verdorben — das Schwimmen im Meer.

„Und deshalb hast du mich geweckt?“ fragte er verdrießlich. „Um einer lausigen Pflanze willen, die sich innerhalb von drei Wochen vier Meter fortbewegt? Friert mich wieder ein und weckt mich, wenn wirklich was passiert. Ich will sofort wieder schlafen!“

Als er wieder erwachte und zur Oberfläche gebracht wurde, war das Gras drei Meter hoch und jeder Halm zwei Zentimeter dick. Der Wind bewegte es kaum. Den Strand deckte wieder weißer Sand, der im Licht des Mondes silbern schimmerte. Dieser Mond war zu dreifacher Größe angewachsen.

„Diese Annäherung des Mondes an die Erde“, erklärte „Schwester“, „bewirkte eine ständige Steigerung von Ebbe und Flut. Dadurch wurden die Pflanzen gezwungen, sich tiefer in das Innere der Ozeane zurückzuziehen, wollten sie nicht ständig entwurzelt werden. Einige interessante Mutationen konnten entdeckt werden, fallen aber nicht ins Gewicht.“

„Warum bringst du mich in der Nacht herauf?“

„Weil die Sonne zu heiß für Sie ist. Sie werden nicht mehr schwimmen können, Sir.“

Gleichgültig hörte sich Ross die Berichte über Erforschung des Pazifiks, des Mondes und des Planeten Mars an. Nirgendwo waren Lebewesen entdeckt worden. Die Filme, in denen Veränderungen seiner Gräser auf dem Boden des Meeres gezeigt wurden, sah er sich nur flüchtig an. Für ihn waren die kaum sichtbaren Mutationen höchst uninteressant. Noch ehe der angeschwollene gelbe Mond in die See getaucht war, bat er „Schwester“, ihn wieder in Tiefschlaf zu versetzen.

„Ich rate ab, Sir“, widersprach der Roboter.

„Warum? Was soll ich hier? Ihr solltet dankbar sein, daß ich meine Tage im Tiefschlaf verbringe. Habt ihr nicht selbst gesagt, ich sei der letzte Überlebende? Ohne mich ist eure Existenz sinnlos. Also kann es euch nur recht sein, wenn ich so lange wie möglich erhalten bleibe. Wach oder schlafend. — Oder braucht ihr mich vielleicht nicht mehr?“

„Schwester“ schwieg so lange, daß Ross schon glaubte, das Sprechzentrum des Roboters sei defekt. Endlich jedoch sagte er: „Wir sind nach wie vor Ihre Diener, Sir, und wir werden es immer sein. Wir sind auch dankbar dafür, daß Ihre Lebensspanne durch Tiefschlaf verlängert worden ist. Aber wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß es egoistisch von uns wäre, Sie immer wieder einzuschläfern. Aus psychologischen Gründen ist es besser für Sie, eine Zeitlang bei Bewußtsein zu bleiben, und außerdem haben Sie ein Anrecht auf Unterhaltung.“

Ross, betrachtete den schimmernden Roboter mit den beiden Fotolinsen, deren eine beweglich war, und staunte darüber, wie sich diese Maschine entwickelt hatte; er erinnerte sich noch genau an den Ausspruch des Roboters von damals: „Ich habe keinerlei Anweisungen, Informationen zu geben.“ Diese Maschine besaß nun eine Art Gewissen. Sie war so menschenähnlich geworden, daß Ross sich nicht mehr daran erinnern konnte, wann er aufgehört hatte, sie in Gedanken als Gegenstand zu bezeichnen.

Plötzlich schämte er sich. Er mußte sich mit der Wirklichkeit abfinden. „Schwester“ hatte recht, obgleich die „Unterhaltung“, die man ihm bot, äußerst beschränkt war.

„Es ist mir wohl erlaubt, in der Dunkelheit zu schwimmen? Vorausgesetzt, daß ich mich nicht an den harten Gräsern aufspieße, wenn ich zum Strand gehe.“

„Das Wasser ist angenehm warm, Sir“, antwortete der Roboter.

„Ich könnte auch meine Arbeiten wiederaufnehmen und euch bei euren Untersuchungen helfen. Und ich könnte reisen.“

„Zu Land, zu Wasser oder mit Flugmaschinen, Sir.“

„Gut“, sagte Ross. Und dann kam ihm ein Gedanke. Zwar war sein Vorhaben verrückt, ja kindisch. Aber gehörte ihm nicht die ganze Welt? Gehorchten ihm nicht unzählige Roboter, die nur auf einen Wink warteten, um sofort in Aktion zu treten? Er grinste und ließ die Armee der Roboter im Geiste an sich vorüberziehen. Nach den letzten Berichten von „Schwester“ waren es mehr als zwei Millionen Maschinen, die seinem Befehl unterstanden. Zwar waren einige dieser Roboter unbeweglich, und andere konnten aus gewissen Gründen ebenfalls nicht mitmachen. Trotzdem würde es eine große Sache werden.