»Und wann war das?«
»Am 1. August, an dem Tag, als wir den meltemi hatten.«
»Sind Sie auch sicher, dass es gerade diese Frau war?«
»Wie sollte ich sie vergessen! Sie hat mir zweihundert Drachmen Trinkgeld gegeben.«
Der Prozess ging in die vierte Woche. Jeder war der Meinung, dass Napoleon Chotas die beste Verteidigung führte, die man je erlebt hatte. Und trotzdem wurde das Gespinst der Schuld dichter und dichter gewoben.
Peter Demonides entwickelte das Bild zweier Liebender, die sich verzweifelt wünschten, zusammen zu sein, zu heiraten, und nur Catherine Douglas stand ihnen im Weg. Langsam, Tag um Tag, enthüllte Demonides das Mordkomplott.
Larry Douglas' Anwalt Frederick Stavros war froh, dass er seine Position räumen und sich auf Napoleon Chotas verlassen konnte. Doch jetzt begann selbst Stavros zu glauben, dass nur noch ein Wunder die Verurteilung abwenden konnte. Stavros starrte auf den leeren Platz im dicht besetzten Gerichtssaal und fragte sich, ob Constantin Demiris wirklich in Erscheinung treten würde. Wenn Noelle Page verurteilt wurde, würde der griechische Magnat wahrscheinlich nicht kommen, denn das bedeutete, dass er unterlegen war. Andererseits, wenn Demiris wusste, dass es einen Freispruch gab, würde er sich wahrscheinlich zeigen. Der leere Platz wurde zu einem Symbol dafür, welchen Verlauf der Prozess nehmen würde.
Der Platz blieb leer.
Es war an einem Freitagnachmittag, als die Entscheidung schließlich fiel.
»Würden Sie bitte Ihren Namen nennen?«
»Dr. Kazomides, John Kazomides.«
»Sind Sie Mr. oder Mrs. Douglas je begegnet?«
»Ja, beiden.«
»Aus welchem Anlass?«
»Ich wurde zu den Höhlen von Perama gerufen. Eine Frau hatte sich dort verirrt, und als sie schließlich von einem Suchtrupp gefunden wurde, befand sie sich in einem tiefen Schock.«
»Hatte sie sich verletzt?«
»Ja. Sie wies zahlreiche Prellungen auf. Ihre Hände, ihre Arme und ihr Gesicht waren von den scharfen Steinen stark zerkratzt. Sie war gefallen und hatte sich den Kopf aufgeschlagen, und ich vermutete, dass sie sich eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Ich gab ihr auf der Stelle eine Morphiumspritze gegen die Schmerzen und ordnete an, sie in das örtliche Krankenhaus einzuliefern.«
»Und wurde sie dorthin gebracht?«
»Nein.«
»Würden Sie den Geschworenen sagen, warum nicht?«
»Ihr Mann bestand darauf, dass sie in ihren Hotel-Bungalow zurückgebracht werde.«
»Kam Ihnen das nicht sonderbar vor, Doktor?«
»Er sagte, er wolle sich selbst um sie kümmern.«
»Mrs. Douglas wurde also in ihr Hotel zurückgebracht. Haben Sie sie dorthin begleitet?«
»Ja. Ich bestand darauf. Ich wollte bei ihr sein, wenn sie wieder zu sich kam.«
»Und waren Sie da, als sie wieder zu sich kam?«
»Ja.«
»Hat Mrs. Douglas mit Ihnen gesprochen?«
»Ja, sie sprach mit mir.«
»Würden Sie dem Gericht mitteilen, was sie gesagt hat?«
»Sie sagte mir, ihr Mann habe sie ermorden wollen.«
Es dauerte ganze fünf Minuten, den Aufruhr im Zuschauerraum zu beruhigen, und erst als der Gerichtspräsident drohte, den Saal räumen zu lassen, legte sich der Tumult endgültig. Napoleon Chotas war aufgestanden und zur Anklagebank gegangen, wo er sich flüsternd mit Noelle Page besprach. Zum ersten Mal schien sie ihre Fassung zu verlieren. Demonides setzte die Vernehmung des Zeugen fort.
»Doktor, Sie haben eben ausgesagt, dass Mrs. Douglas sich in einem tiefen Schock befand. Sind Sie der sachlich fundierten Meinung, dass Mrs. Douglas bei klarem Bewusstsein war, als sie Ihnen sagte, ihr Mann habe sie ermorden wollen?«
»Ja. Ich hatte ihr schon ein Beruhigungsmittel in der Höhle gegeben, und sie war verhältnismäßig ruhig. Doch als ich ihr sagte, ich würde ihr ein weiteres Mittel verabreichen, wurde sie außerordentlich erregt und bat mich, es nicht zu tun.«
Der Gerichtspräsident beugte sich vor und fragte: »Hat sie Ihnen erklärt, warum?«
»Ja, Euer Ehren. Sie sagte, ihr Mann würde sie töten, während sie schliefe.«
Der Präsident lehnte sich nachdenklich in seinem Sessel zurück und sagte zu Peter Demonides: »Sie können fortfahren.«
»Dr. Kazomides, haben Sie Mrs. Douglas dann tatsächlich ein weiteres Beruhigungsmittel gegeben?«
»Ja.«
»Während sie in ihrem Bett im Bungalow lag?«
»Ja.«
»Wie haben Sie es ihr verabreicht?«
»Als Spritze. In die Hüfte.«
»Und schlief sie, als Sie sie verließen?«
»Ja.«
»Bestand die Möglichkeit, dass Mrs. Douglas innerhalb der nächsten Stunden erwachen, aufstehen, sich ohne Hilfe anziehen und ohne jede Unterstützung allein das Haus verlassen konnte?«
»In ihrem Zustand? Nein. Das ist höchst unwahrscheinlich. Sie stand unter sehr stark wirkenden Medikamenten.«
»Das ist alles. Ich danke Ihnen, Doktor.«
Die Geschworenen starrten Noelle Page und Larry Douglas an, und ihre Gesichter waren kalt und feindselig geworden. Wenn ein Fremder unvermittelt in den Gerichtssaal gekommen wäre, hätte er auf der Stelle gewusst, welche Richtung der Prozess eingeschlagen hatte.
Bill Fräsers Augen leuchteten vor Befriedigung. Nach der Aussage von Dr. Kazomides konnte nicht der leiseste Zweifel mehr daran bestehen, dass Catherine von Larry Douglas und Noelle Page ermordet worden war. Nichts, was Napoleon Chotas noch unternehmen konnte, würde vor den Augen der Geschworenen das Bild einer angsterfüllten Frau auslöschen, die, von Medikamenten benommen und hilflos, darum flehte, nicht den Händen ihres Mörders überlassen zu werden.
Frederick Stavros war außer sich. Er hatte Napoleon Chotas gern den Vortritt überlassen, war ihm in blindem Glauben gefolgt, voller Zuversicht, dass es Chotas gelingen werde, für seine Klientin und damit auch für Stavros' Klienten einen Freispruch durchzusetzen. Jetzt kam er sich verraten vor. Alles fiel auseinander. Die Aussage des Arztes hatte nicht wieder gut zu machenden Schaden angerichtet, sowohl durch ihren sachlichen Inhalt als auch durch ihre emotionellen Auswirkungen. Stavros blickte sich im Saal um. Von dem einen mysteriöserweise freigehaltenen Platz abgesehen, war er voll. Die Weltpresse war anwesend und wartete darauf, zu berichten, was als nächstes kam.
Stavros hatte einen Augenblick das Wunschbild, er springe auf, nehme sich den Doktor vor und zerfetze dessen Aussage mit brillanten Argumenten. Sein Klient würde freigesprochen werden, und er, Stavros, wäre der Held des Tages. Er wusste, dass er hier seine letzte Chance hatte. Der Ausgang dieses Prozesses würde darüber entscheiden, ob ihm Ruhm oder Vergessenheit bevorstand. Stavros spürte tatsächlich, dass sich seine Beinmuskeln spannten, ihn drängten aufzustehen. Aber er konnte sich nicht bewegen. Er saß da, gelähmt von dem überwältigenden Gespenst des Versagens. Er drehte sich zu Chotas um. Die tief liegenden Augen in dem Bluthundgesicht studierten den Doktor im Zeugenstand, als versuchte er, zu einem Entschluss zu kommen.
Langsam erhob sich Napoleon Chotas von seinem Platz. Doch statt zu dem Zeugen hinüberzugehen, trat er vor den Richtertisch und wandte sich mit leiser Stimme an die Richter.
»Herr Präsident, Euer Ehren, ich beabsichtige nicht, diesen Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen. Mit der Erlaubnis des Gerichts möchte ich um eine Unterbrechung der Sitzung bitten, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit dem Hohen Gericht und dem Anklagevertreter zu beraten.«
Der Gerichtspräsident wandte sich an den Ankläger. »Herr Demonides?«
»Kein Einwand«, sagte Demonides. Seine Stimme klang argwöhnisch.
Die Sitzung wurde unterbrochen. Nicht einer der Zuschauer rührte sich von seinem Platz.