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Mika Waltari

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Inhaltsangabe

Auf dem Höhepunkt seines Schaffens wagte sich der berühmte Autor an eines der größten und anspruchsvollsten Themen überhaupt: das Leiden und Sterben Christi, seine Auferstehung und Himmelfahrt sowie das allmähliche Entstehen des von ihm verheißenen Reiches. Marcus Mezentius, ein junger, vornehmer Römer, der zum Passahfest nach Jerusalem gekommen ist, wird Augenzeuge jener dramatischen Ereignisse und schildert sie in Briefen seiner Freundin in Rom. Dabei gerät er, von Natur aus Skeptiker, immer stärker in den Bann des ›Königs der Juden‹ …

 

BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH

Band 10.636

Übersetzung von Josef Tichy

nach der bei Werner Söderström, Helsinki, mit dem Titel ›VALTAKUNNAN SALAISUUS‹ erschienenen finnischen Originalausgabe unter Mitbenutzung von Naomi Walfords englischer Übertragung.

© 1961 by Paul Neff Verlag, Wien

Lizenzausgabe: Gustav Lübbe Verlag GmbH,

Bergisch Gladbach

Printed in Western Germany

Einbandgestaltung: Manfred Peters

Satz: ICS Computersatz GmbH, Bergisch Gladbach

Herstellung: Ebner Ulm

ISBN 3-404-10636-9

Dieses eBook ist umwelt- und leserfreundlich, da es weder chlorhaltiges Papier noch einen Abgabepreis beinhaltet! ☺

 

1

Marcus Mezentius grüßt Tullia.

In meinem vorigen Briefe, Tullia, schrieb ich Dir von den Reisen, die mich den Strom Ägyptens entlangführten. Bis zum Einbruch der Herbststürme habe ich vergebens auf Dich gewartet und bin dann wintersüber in Alexandria geblieben. Die Liebessehnsucht machte mich kindisch; kein noch so reicher Kaufmann und kein noch so neugieriger Bummler hätte bei jeder Einfahrt von Seglern aus Ostia oder Brundisium eifriger zum Hafen eilen können. Solange noch Schiffe verkehrten, habe ich mich Tag für Tag an den Länden herumgetrieben, so daß ich schließlich mit meinen Fragen den Wächtern, Zöllnern und Hafenbeamten lästig fiel.

Sicherlich ist dabei mein Wissen bereichert worden, und ich habe vielerlei über fremde Länder erfahren. Aber wer lange vergebens auf das Meer hinausgeblickt hat, dem beginnen schließlich die Augen zu tränen; als das letzte Schiff eingelaufen war, mußte ich mir gestehen, daß Du wortbrüchig geworden bist. Es ist jetzt ein Jahr her, Tullia, seit wir uns das letztemal sahen; und nun stellt sich heraus, daß Du mich damals mit falschen Beteuerungen und Zusagen dazu gebracht hast, Rom zu verlassen.

Ich war von Bitterkeit erfüllt, als ich Dir jenen Brief schrieb, worin ich Dir für immer Lebewohl sagte und die Absicht kundtat, nach Indien – dort herrschen in fremdartigen Städten noch heute griechische Könige, Abkömmlinge der Heerführer Alexanders – auszuwandern. Doch schon neige ich zu der Annahme, daß es mir mit dem, was ich schrieb, kaum ernst gewesen sein mag; ich konnte einfach den Gedanken nicht ertragen, Dich, Tullia, niemals mehr wiedersehen zu sollen.

Ein Mann, der das dreißigste Lebensjahr hinter sich hat, darf nicht mehr der Sklave seiner Liebe sein. Ich bin bestimmt ruhiger geworden, und die Flammen der Leidenschaft lodern nicht mehr so hoch. In Alexandria hatte meine Unrast mich in zwielichtige Gesellschaft getrieben, und dieses Leben hat meiner Gesundheit sehr zugesetzt. Ich bedaure das nicht; niemand kann den Lauf der Dinge rückgängig oder Getanes ungeschehen machen. Aber da nichts mich befriedigen konnte, weiß ich jetzt um so bestimmter, daß ich Dich liebe. Deshalb möchte ich Dich daran mahnen, geliebte Tullia, daß eines Tages auch Deine blühende Jugendlichkeit welken, Dein glattes Gesicht Runzeln bekommen und der Blick Deiner Augen sich trüben wird, daß Dir die Haare ergrauen und die Zähne ausfallen werden. Vielleicht wird es Dir dann leid tun, Deine Liebe dem Ehrgeiz und politischem Einfluß geopfert zu haben. Denn daß Du mich liebtest, davon bin ich überzeugt. An Deinen Schwüren kann ich nicht zweifeln; sonst würde mir nichts auf der Welt jemals mehr etwas bedeuten. Du hast mich geliebt; ob Du es aber noch tust, weiß ich nicht.

In meinen besseren Augenblicken glaube ich, daß Du wirklich nur mir zuliebe – um mich vor Gefahren zu schützen, die mein Eigentum und vielleicht sogar mein Leben bedrohten – mich mit trügerischen Versprechungen bewogen hast, Rom zu verlassen. Ich wäre nie gegangen, wenn Du mir nicht gelobt hättest, auch nach Alexandria zu kommen und den Winter dort mit mir zu verbringen. Viele andere hochgestellte Damen sind schon, ohne ihre Ehemänner, für den Winter nach Ägypten gereist und werden es, falls meine Kenntnis der Römerinnen mich nicht ganz täuscht, auch weiterhin so halten. Jetzt, da der Schiffsverkehr wieder aufgenommen wurde, hättest Du heimfahren können. Eine Reihe von Monaten aber wären wir beisammen gewesen, Tullia.

Statt dessen habe ich mir während dieser Monate Körper und Geist zerrüttet. Eine Zeitlang war ich auf Reisen, bis ich es müde wurde, Deinen Namen und meine Liebe auf uralten Denkmälern und Tempelsäulen einzuritzen. Aus lauter Überdruß ließ ich mich sogar in die Isis-Mysterien einweihen; aber offenbar war ich älter und verhärteter als in jener unvergeßlichen Nacht zu Baiae, da wir beide, Du und ich, uns dem Dionysos weihten. Die damalige Entzückung blieb mir nun versagt. Ich vermochte nicht, diesen Priestern mit ihren kahlgeschorenen Köpfen Glauben zu schenken. Nachher hatte ich bloß die Empfindung, ein sehr belangloses Endchen Wissen weit überzahlt zu haben.

Denke indessen keineswegs, daß ich nur mit Isispriestern und Tempelfrauen Umgang pflog! Auch mit Schauspielern und Sängern habe ich Bekanntschaft angeknüpft, und sogar mit Stierkämpfern aus der Arena. Ferner habe ich mir einige alte griechische Theaterstücke angesehen, die es wert wären, daß jemand sie, wenn ihn nach dieser Art Ruhm gelüstet, ins Lateinische übersetzt und für unsere Bühne einrichtet. Ich erwähne das alles, um zu zeigen, daß mir die Monate in Ägypten nicht zu lange wurden. Alexandria ist eine Weltstadt – verfeinerter, abgelebter, kräfteverschleißender als Rom.

Immerhin habe ich die meiste Zeit im Museion verbracht, in der Bibliothek nahe dem Hafen. Eigentlich handelt es sich um eine Anzahl von Bibliotheken, um eine Gebäudegruppe, die ein ganzes Stadtviertel bildet. Die alten Beamten dort, die noch in der Vergangenheit leben, haben mir darüber geklagt, wie armselig die Büchersammlung jetzt sei; nie mehr könne sie ihren alten Glanz wiedergewinnen, seit Julius Cäsar hier belagert wurde und die ägyptische Flotte im Hafen in Brand schoß. Bei diesen Kämpfen gingen auch einige Bibliotheksgebäude in Flammen auf und mit ihnen an die hunderttausend unersetzliche Bücherrollen mit Werken der alten Schriftsteller.

Trotzdem brauchte ich Wochen, ehe ich auch nur die Kataloge benützen lernte und den Dingen, nach denen ich forschte, auf die Spur kam. Es gibt allein Zehntausende von Rollen mit Anmerkungen zur Ilias, gar nicht zu reden von den in je einem eigenen Gebäude untergebrachten Kommentaren zu Plato und Aristoteles. Darüber hinaus liegen hier zahllose Rollen, die nie in einem Katalog verzeichnet und wahrscheinlich seit ihrer Aufnahme in die Sammlung kaum je von einem Menschen gelesen wurden.

Aus naheliegenden politischen Erwägungen gaben die Beamten sich keine besondere Mühe, mir die alten Weissagungen zugänglich zu machen oder auch nur bei der Suche danach zu helfen. Ich war gezwungen, mich auf Umwegen vorzutasten und das Vertrauen der Bibliothekare durch Geschenke und Bewirtungen zu gewinnen. Diese Leute sind kärglich entlohnt und selber vermögenslos, so' wie gewöhnlich die großen Gelehrten und wie stets jene Männer, die Bücher höher schätzen als ihr Leben, höher als ihr Augenlicht.

Derart gelang es mir schließlich, in verborgenen Winkeln der Bibliothek eine ganze Reihe teils berühmter, teils vergessener Prophezeiungen aufzustöbern. Natürlich wurden zu' allen Zeiten und bei allen Völkern gleichartige Vorhersagen gemacht. Sie sind durchwegs dunkel und von ärgerlicher Vieldeutigkeit, wie die Aussprüche eines Orakels. Häufig habe ich, offen gestanden, diesen ganzen Kram beiseite geschoben und mich in eine griechische Erzählung vertieft, mit ihrem unbeschwerten Geflunker über Reisen und Abenteuer. Und dann faßte mich das Verlangen, jene einander widersprechenden Prophezeiungen auf sich beruhen zu lassen und nach dem Muster dieser Fabeleien selbst ein Buch ganz eigener Erfindung zu verfassen. Aber trotz meiner Abkunft bin ich zu sehr Römer, um irgend etwas frei Erdachtes niederzuschreiben.