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Deine Mutter sah zwar ein, daß ich für Deine Zukunft sorgen mußte, meinte aber in ihrer echt weiblichen Unvernunft, es sei darum nicht nötig, daß ich die Rolle des Verräters spielte. Nun sollte sie ruhig ein wenig um mich bangen, obwohl ich selbst bei weitem nicht so in Sorge war, wie ich es ihr in meiner Mitteilung zu verstehen gab. Allerdings kannte ich Neros Launenhaftigkeit und verließ mich nicht auf seine Ratgeber, nicht einmal auf Tigellinus, der mir aus mehreren Gründen Dank schuldete.

Ich war reich, und das konnte Nero reizen, obgleich ich stets mein Bestes getan hatte, die wirkliche Größe meines Vermögens zu verbergen. Mit Unbehagen dachte ich an das Schicksal des Konsuls Vestinus, der nicht einmal an der Verschwörung teilgenommen hatte, und mein einziger Trost war, daß Statilia Messalina gerade wegen Vestinus auf meiner Seite stand.

Nero hatte sich noch nicht mit ihr vermählt, weil das Gesetz eine Wartezeit von neun Monaten vorschreibt, aber Statilia Messalina bereitete schon ein glänzendes Hochzeitsfest vor, und auf die Freuden des Bettes hatte Nero schon zu Lebzeiten des Vestinus reichlichen Vorschuß genommen. An Acte hielt er sich im Augenblick vermutlich deshalb, weil Statilia, um sich als ein besserer Mensch fühlen zu dürfen, der Mondgöttin opferte. Acte neigte heimlich zu der Lehre der Christen, das wußte ich aus sicherer Quelle, und sie versuchte mit Milde, Neros gute Eigenschaften zu fördern. Nero hatte gewiß auch solche, aber diese Aufgabe ging doch über das Vermögen einer Frau, wer sie auch sein mochte.

Statilia Messalina tat eher das Gegenteil. Sie führte als erste in Rom die ursprünglich germanische Mode ein, mit unverhüllter linker Brust zu gehen, und sie konnte es sich leisten, denn sie war mit Recht stolz auf ihre wohlgeformten Brüste. Die Frauen, die von der Natur weniger gut ausgestattet worden waren, nahmen Anstoß an der neuen Mode und erklärten sie für unsittlich. Als ob etwas Schlimmes daran wäre, eine schöne Brust zu zeigen! Es treten ja bei den öffentlichen Opfern auch die Priesterinnen und bei gewissen Gelegenheiten sogar die Vestalinnen mit nackten Brüsten auf, weshalb ich lieber von einem durch tausendjährige Überlieferung geheiligten Brauch sprechen möchte als von etwas Unsittlichem.

Bis zum Abend hatte Tigellinus von den Männern, die in Tullianum noch das Leben hatten behalten dürfen, genug Beweise für Antonias Teilnahme an der Verschwörung gesammelt. In der Hoffnung auf Belohnung hatten sich sogar ein paar feige Verräter gefunden, die ohne mit der Wimper zu zucken schworen, Antonia habe wirklich gelobt, sich mit Piso zu vermählen, sobald dieser seine Gattin losgeworden wäre. Die beiden hätten sogar schon Verlobungsgeschenke ausgetauscht, behaupteten sie. Man nahm bei Antonia eine Hausdurchsuchung vor und fand ein Halsband mit indischen Rubinen, das Piso heimlich bei einem syrischen Goldschmied gekauft hatte. Wie es in Antonias Haus kam, weiß ich nicht und will ich auch nicht wissen.

Alle diese Beweise überzeugten Nero endlich. Er spielte den tief Betrübten, obwohl er natürlich insgeheim froh war, einen Grund zu haben, Antonia zu beseitigen. Um mir eine Gunst zu erweisen, nahm er mich in seinen neuen Tiergarten mit, wo Epaphroditus eine kleine Vorstellung zu seiner Unterhaltung vorbereitet hatte. Ich staunte, als ich einen nackten Knaben und ein nacktes Mädchen erblickte, die an Pfählen in der Nähe der Löwenkäfige festgebunden waren. Epaphroditus war mit der glühenden Eisenstange eines Tierbändigers bewaffnet und trug ein Schwert an der Seite. Er machte mir aber heimlich ein Zeichen, mich nicht zu beunruhigen.

Dennoch erschrak ich, wie ich offen zugeben muß, als ich plötzlich ein dumpfes Brüllen vernahm und einen Löwen, der mit dem Schweif den Sand peitschte, auf die Pfähle zuspringen sah. Er richtete sich auf, um die nackten Opfer zu kratzen, und schnupperte auf eine widerliche Art an ihren Geschlechtsteilen. Zu meiner Verwunderung litten jedoch die Kinder, die sich vor Entsetzen wanden, keinen nennenswerten Schaden. Als der Löwe sich ein wenig beruhigt hatte, trat Epaphroditus auf ihn zu und rannte ihm das Schwert in den Bauch, daß das Blut weithin spritzte und der Löwe auf den Rücken fiel, mit den Pranken in der Luft herumschlug und schließlich so glaubwürdig, wie man es sich nur wünschen konnte, den Geist aufgab.

Als der Knabe und das Mädchen losgebunden und hinausgeführt worden waren, kroch aus der Löwenhaut Nero hervor und fragte stolz, ob er durch seine Schauspielkunst nicht sogar mich getäuscht habe, obwohl ich doch genug Erfahrung mit Raubtieren hatte. Selbstverständlich versicherte ich ihm, ich hätte den Löwen für echt gehalten.

Nero zeigte mir die in die Löwenhaut eingebauten Stahlfedern und anderen Mechanismen und die Blutblase, in die Epaphroditus mit dem Schwert ein Loch gestoßen hatte. Ich wunderte mich nachher noch lange über dieses wahnsinnige Spiel, das Nero große Befriedigung zu verschaffen schien und dessen er sich doch ein wenig schämte, denn nur wenige seiner Freunde durften es mit ansehen.

Nachdem er mir nun auf diese Weise sein Vertrauen bewiesen hatte, musterte er mich mit einem heimtückischen Blick und sagte mit erheuchelter Sanftmut: »Es gibt genug Beweise für Antonias Schuld, und ich muß ihnen glauben, sosehr es mich auch schmerzt, daß sie sterben muß. Sie ist ja meine Halbschwester. Du hast mir die Augen geöffnet. Deshalb sollst auch du die Ehre haben, zu ihr zu gehen und sie zu bitten, sich die Pulsadern zu öffnen. Tut sie das freiwillig und in aller Stille, so will ich die Sache nicht an die Öffentlichkeit bringen. Es geht ja auch um mein Ansehen. Ich werde ihr sogar ein Staatsbegräbnis bewilligen und ihre Urne im Mausoleum des Gottes Augustus aufstellen lassen. Darauf hat sie ein Recht durch ihre Geburt. Dem Senat und dem Volk sage ich, daß sie im Wahnsinn Selbstmord begangen hat oder weil sie sich die Schmerzen einer unheilvollen Krankheit ersparen wollte. Irgendeine Erklärung wird sich schon finden, wenn sie sich nur anständig benimmt und keine Umstände macht.«

Ich war so verblüfft, daß mir die Worte im Halse steckenblieben, denn Nero kam mir zuvor. Ich hatte ihn selbst um die Gunst bitten wollen, Antonia die Todesbotschaft überbringen zu dürfen, um in ihren letzten Stunden bei ihr zu sein und ihre Hand in der meinen halten zu können, während das Blut aus ihrem schönen Körper rann. Der Gedanke daran hatte mir geholfen, die qualvolle Spannung dieses langen Tages zu ertragen. Nero legte mein Schweigen falsch aus. Er lachte auf, schlug mir auf die Schulter und sagte im Tone der Verachtung: »Ich verstehe, daß es dir wenig behagt, dich Antonia als Verräter zu erkennen zu geben. Irgend etwas werdet ihr schon miteinander getrieben haben bei euern heimlichen Begegnungen. Ich kenne Antonia.« Ich glaube aber nicht, daß er ernstlich annahm, Antonia könnte sich zu einem Mann wie mir herabgelassen haben, da sie doch Nero abgewiesen hatte. So groß war seine männliche Eitelkeit.

Nero glaubte mich zu demütigen, indem er mich zu Antonia schickte, denn zuinnerst verachtete er alle Verräter. Es gibt da jedoch gewisse Unterschiede, das glaube ich durch meinen Bericht schon bewiesen zu haben. Meine Beweggründe waren eher edel als selbstsüchtig. Ich dachte nur an Dich, mein Sohn, und damit an die Zukunft des julischen Geschlechts. Mein eigenes Leben zu retten war mir nicht so wichtig. Wie dem auch sei: in dem Glauben, mich zu demütigen, gewährte mir Nero die größte Freude, die ich erhoffen durfte.

Das las ich in Antonias strahlendem Gesicht, als sie mich noch einmal wiedersah, nachdem sie schon geglaubt hatte, wir hätten für alle Zeiten voneinander Abschied genommen. Noch niemand hat so sein Todesurteil angehört: mit ausgestreckten Armen, lächelndem Gesicht und leuchtenden Augen. Sie zeigte mir ihre Freude so deutlich, daß ich den Kriegstribunen und seine Soldaten augenblicklich bat, sich zu entfernen. Es genügte, wenn sie das Haus von außen bewachten.

Ich wußte, daß Nero ungeduldig die Nachricht von Antonias Tod erwartete. Auch er hatte es nicht leicht. Aber ich nahm an, er werde verstehen, daß es seine Zeit brauchte, Antonia dazu zu überreden, ohne jedes Aufsehen Selbstmord zu begehen. Zwar bedurfte es dazu in Wirklichkeit nicht eines einzigen Wortes, aber das wußte Nero nicht.