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Ich wollte keine unersetzliche Zeit verlieren, indem ich Antonia nach Pisos Halsband fragte, obwohl die Eifersucht an meiner Leber fraß. Wir sanken einander noch einmal in die Arme, und wenn ich mich schon nach der durchwachten Nacht und dem zermürbenden Warten dieses langen Tages als Liebhaber nicht sonderlich auszeichnete, so durften wir doch ganz nah beisammenliegen, so nahe, wie zwei Menschen einander nur kommen können. Ihre Sklavinnen bereiteten indessen ein warmes Bad in ihrem Porphyrbecken. Nackt schritt sie vor mir her in den Baderaum und bat mich mit Tränen in den Augen, alles auf das rascheste zu vollbringen. Ich schnitt ihr im warmen Wasser mit einem scharfen Messer so behutsam und geschickt wie möglich die Pulsadern in den Armbeugen auf. Sie versuchte, sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen, um mir nicht weh zu tun, konnte aber doch ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.

Als das Blut rasch hervorzuquellen begann und das balsamduftende Bad rötete, bat mich Antonia, ihr die Schwäche zu verzeihen. Sie hatte sich, reich und verwöhnt, nie an das geringste Unbehagen zu gewöhnen brauchen, erklärte sie mir zu ihrer Rechtfertigung. Die Sklavinnen, die ihr das schöne helle Haar bürsteten, mußten achtgeben, daß sie sie nicht zupften, sonst stach sie ihnen eine Nadel in die Brust.

Als ich nun über das Becken gebeugt Antonia hielt, den einen Arm um ihren Hals gelegt, den Mund auf den ihren gepreßt, ihre Hand in der meinen, dünkte mich mein eigenes Leben von so geringem Wert, daß ich aufrichtig darum bat, mit ihr sterben zu dürfen.

»Das ist das Liebste, was je ein Mann zu mir gesagt hat«, flüsterte sie mit matter Stimme und küßte mich aufs Ohr. »Du mußt aber um unseres Sohnes willen weiterleben. Vergiß die guten Ratschläge nicht, die ich dir für seine Zukunft gegeben habe. Und denk auch daran, mir eine deiner alten etruskischen Goldmünzen in den Mund zu legen, bevor man mir das Kinn aufbindet und mich für den Scheiterhaufen herrichtet. Das wird mir dein letztes und liebstes Geschenk sein, obwohl ich es werde hergeben müssen, um Charon zu entlohnen. Wenigstens wird er mich behandeln, wie es meinem Rang gebührt. Ich möchte auf seiner Fähre nicht vom Pöbel angerempelt werden.«

Eine Weile später öffneten sich ihre Lippen unter den meinen, und der Griff ihrer Hand lockerte sich. Ich hielt jedoch ihre schlanken Finger fest und küßte ihr geliebtes Antlitz, bis das Ende kam.

Als sie tot war und ich nicht den leisesten Atemhauch mehr spürte, trug ich ihren blutigen Leichnam in das Bett zurück und wusch mir rasch die Blutspuren ab. Zu meiner Freude konnte ich feststellen, daß Antonia die neueste ägyptische Seife meines Freigelassenen verwendet hatte. Sie war freilich nicht wirklich ägyptisch, sondern wie seine übrigen Seifen und allgemein beliebten Zahnpulver in Rom hergestellt, aber die Leute zahlten für die Seifen mehr, wenn er ihnen hübsche Namen gab.

Nachdem ich mich angekleidet hatte, rief ich den Zenturio und die Soldaten herein, damit sie bezeugten, daß Antonia freiwillig Selbstmord begangen hatte. Den Sklavinnen überließ ich ihren Leichnam erst, nachdem ich ihr eine der uralten Goldmünzen in den Mund gelegt hatte, die meine Freigelassenen in alten Gräbern in Caere gefunden hatten. Ich bat den Hofmeister, darauf zu achten, daß sie nicht gestohlen wurde, denn ich selbst mußte rasch zu Nero zurückkehren.

Nero hatte nach seinem Löwenspiel reichlich Wein getrunken, um sich zu beruhigen, und dankte mir überrascht dafür, daß ich meinen peinlichen Auftrag so schnell ausgeführt hatte. Er bestätigte mir noch einmal mit seinem kaiserlichen Wort, daß ich das Erbe nach Jucundus behalten durfte, und versprach, er werde in der Kurie ein Wort für mich einlegen, damit ich einen Senatorenschemel erhielt. Das habe ich schon berichtet. Ich fühle mich erleichtert, weil ich nun den traurigsten Teil meiner Geschichte niedergeschrieben habe.

Wenige Wochen später geriet ich selbst gerade Antonias wegen in Lebensgefahr, doch was bedeutete das schon, verglichen mit dem soeben Geschilderten. Zum Glück hatte ich Freunde, die mich rechtzeitig von den Nachforschungen unterrichteten, die Nero anstellen ließ, als Antonias Testament bekannt wurde. Auf diese Weise war es mir möglich, Claudia vorzubereiten, die allerdings meinen ganzen Plan widerwärtig fand.

Ich verstehe heute noch nicht, warum Antonia, eine erfahrene, in politischen Dingen bewanderte Frau, Dich unbedingt in ihrem Testament bedenken mußte, obwohl ich sie seinerzeit davor gewarnt hatte. Wir waren vor ihrem Tode nicht mehr auf das Testament zu sprechen gekommen, denn wir hatten anderes miteinander zu reden, und im übrigen hatte ich, offen gestanden, vergessen, was sie damals, als sie Dir den Namen Antonianus gab, versprochen hatte.

Nun mußte ich mich so rasch wie möglich Rubrias entledigen, denn sie war als die älteste der Vestalinnen die einzige, die über Deine wahre Abstammung rechtsgültig Zeugnis ablegen konnte. Meine Begegnung mit ihr mag ich nicht genauer schildern. Ich will nur soviel sagen, daß ich vorher eine kleine Reise unternehmen mußte, um die alte Locusta auf dem hübschen Landgut zu besuchen, das Nero ihr geschenkt hatte. Sie zog in den Gärten dort zusammen mit ihren Schülern mancherlei Arzneipflanzen, wobei sie bei Aussaat und Ernte die Stellung der Gestirne mit wissenschaftlicher Genauigkeit beobachtete.

Zu meiner Erleichterung erweckte Rubrias Tod bei den Ärzten nicht den geringsten Verdacht. Sie war nicht einmal dunkel im Gesicht geworden. Zu solcher Höhe hatte Locusta in ihren alten Tagen ihre Kunst entwickelt. Nero stellte ihr aber auch immer wieder Verbrecher, die nichts Besseres verdienten, zur Verfügung, an denen sie ihre Arzneien erproben konnte.

Mein Besuch bei Rubria gab zu keinen Fragen Anlaß, denn sie empfing viele Besucher im Artium der Vestalinnen. So konnte ich in mein geheimes Versteck das versiegelte Dokument einmauern, in dem sie Claudias Herkunft bezeugte, die Aussage der toten Paulina wiedergab und bestätigte, daß Antonia Deine Mutter Claudia als ihre Halbschwester betrachtet und Dir zum Zeugnis dessen den Namen Antonianus gegeben hatte.

An einigen äußerlichen Anzeichen glaubte ich zu bemerken, daß ich in Ungnade gefallen war, und ich war daher nicht überrascht, als Nero mich zu sich rufen ließ, damit ich ihm Rede und Antwort stünde, ja ich glaube sogar, mich gut vorbereitet zu haben. Nero biß sich auf die Lippen, und sein Kinn zitterte, als er mir befahclass="underline" »Laß mich etwas über deine Ehe hören, Manilianus, von der ich noch nichts weiß, und versuche mir eine glaubhafte Erklärung dafür zu geben, daß Antonia deinen Sohn in ihrem Testament bedacht und ihm sogar ihren eigenen Namen verliehen hat. Ich wußte nicht einmal, daß du außer dem Bankert des Epaphroditus noch einen Sohn hast!«

Ich wich seinem Blick aus und gab mir Mühe, vor Furcht zu zittern, wozu es allerdings, um ehrlich zu sein, keiner großen Anstrengung bedurfte. Nero argwöhnte, ich hätte etwas zu verbergen, und fuhr fort: »Ich würde nichts sagen, wenn Antonia sich damit begnügt hätte, dem Knaben den Siegelring ihres Onkels Sejanus zu vermachen, aber es ist unfaßbar, daß sie ihm einen großen Teil des Familienschmucks der Julier gab, den sie von der Mutter des Claudius, der alten Antonia, geerbt hatte, unter anderem eine Schulterspange, die der Gott Augustus im Feld und bei den staatlichen Opfern getragen haben soll. Noch merkwürdiger aber ist es, daß deine Ehe nirgends eingetragen ist und daß dein Sohn nicht einmal in die neue Einwohnerliste – von der Ritterrolle ganz zu schweigen – eingeschrieben wurde, obwohl die vorgeschriebene Frist längst abgelaufen ist. An der Sache ist etwas faul.«

Ich warf mich zu seinen Füßen nieder und rief mit erheuchelter Reue: »Schon lange plagt mich deshalb das Gewissen, aber ich schäme mich so, daß ich noch mit keinem meiner Freunde darüber zu sprechen wagte. Meine Gattin Claudia ist Jüdin.«