Ich erschrak und bat ihn demütig, mich nicht so entsetzlich zu kränken. Aber ich hatte ja selbst den Hals in die Schlinge gesteckt. Als Nero mein Erschrecken sah, freute er sich erst recht über seinen Einfall. Er legte mir tröstend die Hand auf die Schulter und sagte: »Es ist nur gut, wenn ein Beschnittener im Senat sitzt und sich um die Angelegenheiten der Juden kümmert. Geh also und sieh zu, daß das rasch erledigt wird, und dann schaffe mir deine Gattin und die Zeugen her. Und komme selbst mit, wenn du noch gehen kannst. Ich will mich davon überzeugen, daß du meinem Befehl gehorcht hast.«
Ich mußte nach Hause gehen und Claudia und den beiden Zeugen, die voller Angst auf meine Rückkehr warteten, sagen, daß wir uns binnen kurzem im Empfangssaal des Goldenen Hauses einzufinden hatten. Darauf ging ich ins Lager der Prätorianer, um mit einem Feldscher zu sprechen. Der Mann versicherte mir mit vielen Worten, er könne diesen kleinen Eingriff ohne weiteres vornehmen und habe ihn während seiner Dienstzeit in Afrika an vielen Legionären und Zenturionen durchgeführt, denen die ständigen Entzündungen durch den Sand zu viel geworden waren. Er hatte sogar noch das Röhrchen, das man dazu braucht.
Ich wollte mich um meines Ansehens willen nicht bei den Juden behandeln lassen. Das war ein großer Fehler, denn sie hätten es unvergleichlich geschickter gemacht. Ich ertrug tapfer das schmutzige Röhrchen und das stumpfe Messer des Feldschers, aber die Wunde heilte schlecht und eiterte so, daß ich lange Zeit keine Lust verspürte, eine Frau auch nur anzusehen.
Eigentlich bin ich seither nicht mehr ganz der alte. Es hat zwar Frauen gegeben, die auf mein narbiges Glied recht neugierig waren, aber ich möchte sagen, daß ihr Vergnügen größer war als meines. Auf diese Weise bin ich dazu gekommen, ein recht tugendhaftes Leben zu führen.
Ich schäme mich nicht, davon zu sprechen. Es wissen ohnehin alle, was für einen Scherz sich Nero auf meine Kosten leistete, und ich bekam einen Spitznamen, den ich hier aus Schicklichkeitsgründen lieber nicht nennen will.
Deine Mutter ahnte nicht, was sie bei Nero erwartete, obwohl ich versucht hatte, sie auf ihre Rolle vorzubereiten. Als ich humpelnd und leichenblaß aus dem Prätorianerlager zurückkehrte, fragte Claudia mich nicht einmal, was mir fehle. Sie glaubte, ich hätte lediglich Angst vor Neros Zorn. Die beiden Judenchristen fürchteten sich wirklich, und es half auch nichts, daß ich ihnen Mut zusprach und sie an die Geschenke erinnerte, die ich ihnen in Aussicht gestellt hatte.
Nero warf einen einzigen Blick auf Claudia und rief auch schon: »Ein Judenweib! Das sieht man an den Brauen und den dicken Lippen, von der Nase ganz zu schweigen. Graue Haare hat sie auch. Die Juden werden früh grau. Das kommt von irgendeinem ägyptischen Fluch, habe ich mir sagen lassen. Merkwürdig, daß sie in diesem Alter noch ein Kind gebären konnte, aber dieses Volk vermehrt sich ganz unglaublich.«
Claudia zitterte vor Zorn, beherrschte sich jedoch um Deinetwillen. Danach schworen die beiden Juden beim Tempel zu Jerusalem, daß sie Claudias Herkunft kannten und daß sie Jüdin sei, aus so hoch angesehenem Geschlecht, daß ihre Eltern schon zu Pompejus’ Zeiten als Sklaven nach Rom gebracht worden seien. Die beiden bezeugten außerdem, daß Antonia bei der Namensgebung meines Sohnes zugegen gewesen war und gestattet hatte, daß er ihrer Großmutter zum Gedenken den Namen Antonianus erhielt.
Dieses Verhör schläferte Neros letztes Mißtrauen ein. Die beiden Judenchristen begingen zwar einen Meineid, aber ich hatte sie eigens ausgewählt, weil sie einer gewissen Gruppe von Christen angehörten, die aus irgendeinem Grunde behauptete, Jesus von Nazareth habe alle Arten von Eiden untersagt. Sie nahmen es mit ihrem Glauben sehr genau und waren sich bewußt, daß sie sündigten, indem sie einen Eid ablegten, weshalb sie meinten, es sei dann schon einerlei, ob der Eid nun wahr oder falsch war. Sie opferten sich auf und begingen diese Sünde um meines Sohnes willen, und sie hofften, Jesus von Nazareth werde ihnen verzeihen, weil sie in guter Absicht handelten.
Nero wäre aber nicht Nero gewesen, wenn er nicht mit einem pfiffigen Seitenblick auf mich so beiläufig wie möglich gesagt hätte: »Liebe Domina Claudia – eigentlich sollte ich wohl Serenissima sagen, da dein Gatte es trotz seiner niedrigen Herkunft verstanden hat, sich die Purpurstiefel zu verschaffen –, also liebe Domina Claudia, du wirst wohl wissen, daß dein Gatte sich die Gelegenheit zunutze machte und ein heimliches Verhältnis mit meiner unglücklichen Halbschwester Antonia anknüpfte. Ich habe Zeugen dafür, daß sie Nacht für Nacht in einem Lusthaus in Antonias Garten miteinander Unzucht trieben. Ich war gezwungen, sie überwachen zu lassen, damit sie nicht am Ende in ihrer Liederlichkeit einen öffentlichen Skandal heraufbeschwor.«
Claudia erbleichte bis in die Lippen, als sie das hörte. Meiner Miene konnte sie entnehmen, daß Nero die Wahrheit sprach. Außerdem hatte sie selbst mich mit ihrem Mißtrauen verfolgt, bis es mir gelungen war, ihr Sand in die Augen zu streuen, indem ich ihr erklärte, daß ich an der Verschwörung des Piso teilhatte und dergleichen Zusammenkünfte nachts stattzufinden pflegten.
Sie hob die Hand und schlug mich auf die Wange, daß es laut schallte. Demütig hielt ich ihr auch die andere Wange hin, wie es Jesus von Nazareth gelehrt hatte. Claudia hob die andere Hand und schlug so heftig zu, daß mir das Trommelfell platzte. Seither bin ich ein wenig taub. Dann stieß sie eine Flut von so gemeinen Schimpfwörtern hervor, daß ich nie geglaubt hätte, dergleichen einmal aus ihrem Mund zu hören. Ich möchte meinen, daß ich Christi Lehre besser befolgte als sie, denn ich schwieg still.
Claudia aber goß einen solchen Schwall von Grobheiten über mich und die tote Antonia aus, daß Nero ihr zuletzt Einhalt gebieten mußte. »Über die Toten nur Gutes«, mahnte er. Claudia vergaß anscheinend, daß Antonia seine Halbschwester war und daß er deshalb nicht dulden durfte, daß andere schlecht von ihr sprachen.
Um Claudia zu besänftigen und ihr Mitleid zu erregen, schlug ich meinen Mantel zur Seite, hob das Untergewand, zeigte ihr den blutigen Verband und versicherte ihr, daß ich für meinen Fehltritt genug gestraft sei. Nero zwang mich, die Binde abzuwickeln, so schmerzhaft das auch war, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, daß ich ihn nicht täuschte. Als das geschehen war, sagte er verwundert: »Du hast dich also in deiner Dummheit wirklich gleich beschneiden lassen! Ich habe doch nur gescherzt und meine Strenge bereut, sobald du gegangen warst. Ich will aber gern anerkennen, daß du meine Befehle treu befolgst, Minutus.«
Claudia hatte kein Erbarmen mit mir. Im Gegenteil, sie schlug entzückt die Hände zusammen und pries Nero darum, daß er eine Strafe gefunden hatte, auf die sie selbst im Traume nicht gekommen wäre. Mir schien es Strafe genug, mit Claudia verheiratet zu sein. Ich glaube, sie hat mir nie verziehen, daß ich sie ausgerechnet mit Antonia betrog. Eine vernünftige Frau sieht ihrem Mann einen gelegentlichen Seitensprung nach, aber sie machte mir noch jahrelang Vorwürfe.
Nero betrachtete nun die ganze Angelegenheit als erledigt und kam ohne das geringste Mitgefühl auf etwas anderes zu sprechen, sobald Claudia und die beiden Juden gegangen waren. »Wie du weißt, hat der Senat den Beschluß gefaßt, ein Dankopfer für die Aufdeckung der Verschwörung darzubringen«, begann er. »Ich selbst habe beschlossen, Ceres einen Tempel zu bauen, der ihrer würdig ist. Den früheren haben die verfluchten Christen niedergebrannt, und ich konnte noch keinen neuen errichten lassen, weil ich mit dem Wiederaufbau Roms alle Hände voll zu tun habe. Die Kultstätte der Ceres liegt seit unvordenklichen Zeiten auf dem Aventin, aber ich habe dort kein hinlänglich großes Grundstück finden können. Um unser gegenseitiges Vertrauen wiederherzustellen und unsere Freundschaft zu bekräftigen, bist du gewiß gern bereit, dein Haus und deinen Garten auf dem Aventin Ceres zu schenken. Es ist der geeignetste Platz. Wundere dich daher nicht, wenn du heimkommst. Die Sklaven haben nämlich schon begonnen, das Haus niederzureißen. Die Sache eilt, und deiner Zustimmung war ich gewiß.«