So nahm mir Nero das alte Haus der Manilier ab. Ich vermochte über diese Gunst keine überquellende Freude zu empfinden, wußte ich doch nur zu gut, daß er alle Ehre für sich in Anspruch nehmen und meinen Namen bei der Einweihung des Tempels nicht einmal erwähnen würde. Ich fragte ihn bitter, wohin er bei der Wohnungsnot mein Bett und meine übrige Habe gedenke schaffen zu lassen.
Neros Gesicht hellte sich auf: »Ja freilich, daran hatte ich nicht gedacht. Aber das Haus deines Vaters oder vielmehr Tullias steht noch immer leer. Ich konnte es noch nicht verkaufen, weil es darin nicht geheuer ist.«
Ich antwortete ihm, daß ich nicht gesonnen sei, gewaltige Summen für ein Spukhaus zu zahlen, das noch dazu für mich recht ungünstig lag, und ich erklärte ihm auch, wie verfallen und überhaupt von Anfang an schlecht geplant dieses prahlerisch große Haus war, für das man seit achtzehn Jahren nichts mehr getan hatte und dessen riesiger verwilderter Garten mich bei den neuen Wassersteuern viel zu teuer käme.
Nero lauschte diesen Erklärungen mit sichtlichem Genuß und sagte: »Um dir meine Freundschaft zu beweisen, wollte ich dir das Haus zu einem mäßigen Preis überlassen. Es widert mich an, daß du frech und würdelos zu feilschen beginnst, bevor ich noch einen Betrag genannt habe. Nun reut es mich nicht mehr, daß ich dir im Scherz befahl, dich beschneiden zu lassen. Um dir zu zeigen, wer Nero ist, schenke ich dir das Haus deines Vaters. Es ist unter meiner Würde, mit dir zu schachern.«
Ich dankte ihm aus ganzem Herzen, obwohl er mir das Haus genaugenommen ja nicht schenkte, sondern als Ersatz für mein altes auf dem Aventin gab. Allerdings gewann im bei dem Tausch.
Ich dachte zufrieden, daß Tullias Haus beinahe eine Beschneidung wert war, und dieser Gedanke tröstete mich noch, als ich am Wundfieber darniederlag. Ich hatte selbst mein Bestes getan, zu verhindern, daß das Haus verkauft wurde, indem ich das Gerücht in Umlauf setzte, es spuke darin, und ein paar Sklaven anstellte, die nachts in dem verlassenen Haus mit Topfdeckeln klappern und mit Möbelstücken poltern mußten. Wir Römer sind ein abergläubisches Volk und fürchten uns vor Gespenstern.
Nach alledem kann ich nun mit gutem Gewissen dazu übergehen, von Neros Siegeszug durch Griechenland, von dem traurigen Ende des Kephas und des Paulus und von meiner Teilnahme an der Belagerung Jerusalems zu berichten.
XIII
NERO
Die völlige Unterdrückung der Pisonischen Verschwörung dauerte alles in allem an die zwei Jahre, und es wurden auch in den Provinzen alle vermögenden Männer zur Rechenschaft gezogen, die nachweisbar von dem Plan gewußt und ihn stillschweigend gebilligt hatten. Auf diese Weise gelang es Nero, obwohl er aus Barmherzigkeit die Todesstrafe in Verbannung verwandelte, wo immer es anging, die Staatsfinanzen trotz seinen ungeheuren Ausgaben in Ordnung zu bringen.
Im Grunde verschlangen allerdings den größten Teil der staatlichen Ausgaben die Kriegsvorbereitungen gegen Parthien. Neros eigene Lebensgewohnheiten waren für einen Kaiser eher maßvoll zu nennen, vor allem wenn man sie mit denen gewisser Reicher und Neureicher verglich. Dank dem Einfluß des verstorbenen Petronius war er noch immer bestrebt, die Prunksucht des Emporkömmlings durch guten Geschmack zu ersetzen, wenngleich er manchmal freilich danebengriff, da er Petronius nicht mehr um Rat fragen konnte.
Zu seiner Ehre muß gesagt werden, daß er beispielsweise, als er seine durch den Brand zerstörten Kunstschätze durch neue, unvergleichliche Skulpturen und anderes ersetzte, die Staatskasse nur mit den Transportkosten belastete. Er schickte einen Sachverständigenausschuß nach Achaia und Asia, der jede bedeutendere Stadt durchkämmte und die besten Skulpturen für das Goldene Haus auswählte.
Das machte viel böses Blut unter den Griechen. In Pergamon kam es sogar zu bewaffnetem Aufruhr. Im übrigen aber führte der Ausschuß seine Aufgabe so geschickt durch, daß er sogar noch in Athen, das seinerzeit bei der Eroberung gründlich ausgeplündert worden war, und in Korinth, wo man einst kaum einen Stein auf dem anderen gelassen hatte, kostbare Statuen und Malereien aus der großen Zeit Griechenlands fand. Die reichen Kaufleute und Schiffsreeder in dem neu erblühten Korinth hatten gute Arbeit geleistet, als sie im Laufe der Jahre ihre Kunstsammlungen vervollständigten, und dies kam Nero nun zugute. Sogar auf den Inseln im Meer, wo man bisher nicht nach Kunstschätzen für Rom gesucht hatte, entdeckte man nun alte Skulpturen, die einen Ehrenplatz in den Sälen und Gängen des Goldenen Hauses verdienten.
Das Haus war so groß, daß es immer noch leer wirkte, obwohl der Ausschuß eine Schiffsladung nach der andern schickte. Einen großen Teil der Skulpturen, denen er geringeren Wert beimaß, schenkte Nero seinen Freunden, da er selbst von der Kunst der Alten nur das Allerbeste haben wollte. Auf diese Weise kam ich zu meiner Marmor-Aphrodite, die von Phichas stammt und deren Farben wunderbar erhalten sind. Ich schätze sie trotz Deinen Grimassen noch immer sehr hoch. Versuche nur einmal. Dir auszurechnen, wieviel sie einbringen würde, wenn ich sie öffentlich versteigern müßte, um Deinen Rennstall zu erhalten.
Wegen des bevorstehenden Krieges gegen die Parther, und um sein eigenes Gewissen zu beruhigen, machte Nero die Geldabwertung rückgängig und ließ, da nun genug Gold und Silber in die Staatskasse flossen, im Tempel der Juno Moneta wieder vollgewichtige Münzen schlagen. Die Legionen, die in aller Heimlichkeit nach dem Osten verlegt wurden, um Corbulos Truppen zu verstärken, waren wegen der verringerten Kaufkraft ihres Soldes so unzufrieden, daß der ursprüngliche Geldwert allein schon aus militärischen Gründen wiederhergestellt werden mußte.
Den Sold um ein Fünftel zu erhöhen wäre unklug gewesen. Es wird jedem einleuchten, daß das untragbare Mehrausgaben bedeutet hätte und daß es auf die Dauer billiger kam, den Geldwert wiederherzustellen. Nero gewährte außerdem den Legionären gewisse Erleichterungen, ähnlich wie er schon früher den Prätorianern kostenlose Kornrationen zugebilligt hatte.
Im Grunde war das Ganze ein Zauberkunststück, über das sich so mancher kluge Mann vergeblich den Kopf zerbrach. Ich will nichts Nachteiliges über die Freigelassenen im Dienste der Staatskasse sagen, deren Amt beschwerlich ist und die den Plan austüftelten. Ich fand es nur unverschämt, daß Neros kupferhaltige Silbermünzen im Verhältnis zehn zu acht eingetauscht werden müßten, so daß man für fünf alte Münzen nur vier neue, vollgewichtige bekam.
Ich selbst erlitt dadurch zwar keine Verluste, aber bei den Minderbemittelten löste diese Verordnung ebensoviel Bitterkeit aus wie Neros ursprüngliche Münzreform. Sie war daher nicht, so wie er sich das vorstellte, seinem Ansehen förderlich. Nero verstand ja nichts von finanziellen Dingen, sondern befolgte nur die Empfehlungen listiger Ratgeber. Die Legionen gaben sich jedoch zufrieden, weil ihr kaum merklich verringerter Sold hiernach in reinem Silber ausbezahlt wurde.
Nero konnte über den Zustand der Staatskasse nur bekümmert den Kopf schütteln, da er doch seiner Meinung nach alles tat, um die Lage zu bessern, und auf Kosten seiner künstlerischen Betätigung viel von seiner Zeit opferte, um die Steuerlisten der Provinzen durchzugehen und vermögende Männer auszusuchen, deren Eigentum zur Strafe für die Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung beschlagnahmt werden konnte.
Es fiel nicht schwer, Beweise herbeizuschaffen. Der eine hatte sich eine unvorsichtige Freudenäußerung zuschulden kommen lassen, ein anderer hatte Neros Geburtstag übersehen, wieder ein anderer – und das war das schlimmste Verbrechen – hatte eine geringschätzige Bemerkung über seine Stimme gemacht. Kein Reicher hat ein ganz und gar reines Gewissen. Man mußte sich sogar hüten, einzuschlafen oder auch nur zu gähnen, wenn Nero im Theater auftrat, und ebensowenig duldete er es, daß einer während der Vorstellung ging, und sei es einer ernsthaften Erkrankung wegen.