Die Druiden rieten von einem Aufruhr ab, weil gewisse Vorzeichen sie davon überzeugt hatten, daß die Macht Roms auf ihrer Insel ohnehin nicht bestehen werde. Ich bin, wenn es um mein Vermögen geht, nicht abergläubisch. Ich lasse mein Geld ruhig in Britannien weiterarbeiten und sich vermehren und lege sogar immer wieder welches dort an.
Wie dem auch sei: durch meine Verbindungen mit den Druiden erfuhr ich von den verdächtigen Reisen der jüdischen Kaufleute in Britannien. Auf meinen Rat ließ der Prokurator zwei von ihnen ans Kreuz schlagen, und zwei weitere opferten die Druiden von sich aus in Weidenkörben ihren Göttern, weil die Juden, ungeachtet ihres geheimen Auftrages, in Glaubensdingen allzu selbstbewußt auftraten. Wenigstens eine der in Britannien stehenden Legionen konnte in den Osten verlegt werden. Die anderen blieben meiner Ansicht nach besser, wo sie waren.
Allmählich gelang es, unter vielen Vorsichtsmaßnahmen zehn Legionen im Osten zusammenzuziehen. Ich zähle sie nicht auf, weil sie auf dem Marsch sowohl die Nummern als auch die Adler wechseln mußten, um die parteiischen Kundschafter irrezuführen. Trotzdem war Vologeses sehr gut über die Bewegungen und die Aufstellung unserer Truppen unterrichtet, und er wußte sogar, daß wir die Absicht hatten, dem Senat und dem Volk von Rom einen Streit um Weideland am Euphrat als Kriegsursache darzustellen. Corbulo, der noch gut bei Kräften war, hatten wir in einer geheimen Ausschußsitzung die Ehre bewilligt, als Kriegserklärung einen Speer über den Euphrat auf parthisches Gebiet zu werfen. Er versicherte in einem Brief, er sei dazu imstande, versprach aber, vorsichtshalber täglich zu üben, damit der Speer nicht ins Wasser fiel, sondern wirklich das umstrittene Weideland erreichte.
Neros schon seit langem geplante Reise nach Griechenland kam nun sehr gelegen und diente unseren militärischen Absichten als Tarnung^ Nicht einmal die Parther konnten daran zweifeln, daß es Nero wirklich darum zu tun war, bei den uralten Spielen der Griechen Sängerlorbeer zu gewinnen, und es konnte keinen Verdacht erwecken, daß er zu seinem Schutz die eine der beiden Prätorianerlegionen mitnahm und die andere zur Bewachung seines Thrones zurückließ.
Tigellinus versprach, Neros Gegner während seiner Abwesenheit im Zaum zu halten, so bitter er es auch beklagte, daß ihm nicht die Ehre vergönnt war, mit dem Kaiser zu reisen. Selbstverständlich wollte jeder, der jemand zu sein glaubte, den Kaiser begleiten, um Zeuge seiner Siege im Wettstreit der Sänger zu sein und sich in seiner Nähe aufzuhalten. Es war darunter so mancher, der von dem geplanten Krieg und den Möglichkeiten, sich auszuzeichnen, die er bot, nichts wußte und vermutlich Krankheit oder irgendeinen anderen Hinderungsgrund vorgeschützt haben würde, wenn er davon gewußt hätte.
Zwar waren Nachrichten von dem Aufruhr der Juden in Jerusalem und Galiläa, der selbstverständlich von den Parthern geschürt wurde, nach Rom gelangt, aber keiner von uns nahm sie wirklich ernst. In diesen Gegenden gab es immer Streit, ob nun Felix Prokurator war oder Festus. König Herodes Agrippa schien allerdings aufrichtig bekümmert zu sein.
Wir beschlossen im Ausschuß für orientalische Angelegenheiten, aus Sicherheitsgründen eine ganze Legion aus Syrien hinzuschicken, um diesen zur Unzeit auftretenden Unruhen mit harter Faust ein Ende zu machen. Die Legion konnte ein wenig Kampferfahrung sammeln, wenn schon keinen größeren Kriegsruhm gewinnen. Jedenfalls waren die mit Keulen und Steinschleudern bewaffneten Juden unserer Meinung nach nicht imstande, einer gut ausgebildeten Legion nennenswerten Widerstand zu leisten.
So kam nun die langersehnte Reise nach Griechenland, mit der Nero seine Künstlerlaufbahn zu krönen gedachte, endlich zustande. Er hatte befohlen, daß alle Wettspiele unmittelbar nacheinander abgehalten werden mußten, so daß er gleich nach seiner Ankunft an allen teilnehmen konnte.
Soviel ich weiß, war dies das einzige Mal, daß die Olympischen Spiele auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt wurden, und man kann sich ausmalen, was für Schwierigkeiten das mit sich brachte. Nicht zuletzt kam die griechische Zeitrechnung durcheinander, denn stolz auf ihre Vergangenheit rechnen die Griechen, mit den ersten Spielen in Olympia beginnend, noch immer in Olympiaden, obwohl sie sich damit begnügen könnten, die Jahre, bescheiden wie wir Römer, ganz einfach von der Gründung der Stadt an zu zählen. Damit hätten wir eine einheitliche Zeitrechnung, aber den Griechen ist nichts umständlich genug.
Im letzten Augenblick vor der Abreise weigerte sich Nero, Statilia Messalina mitzunehmen. Als Grund gab er an, er könne im Falle eines Kriegsausbruchs nicht für ihre Sicherheit bürgen. Der wahre Grund trat unterwegs ans Licht. Nero hatte endlich den Menschen gefunden, der in allen Zügen Poppaea ähnelte. Er hieß Sporus und war leider keine Frau, sondern ein ungewöhnlich schöner Jüngling.
Sporus versicherte jedoch, er fühle sich in seinem Herzen mehr als Mädchen denn als Knabe. Daher ließ Nero auf seinen eigenen Wunsch einen kleinen Eingriff an ihm vornehmen und gab ihm Arzneien, die ein alexandrinischer Arzt empfohlen hatte, um den Bartwuchs zu unterbinden, die Brust zu vergrößern und überhaupt die aphrodisischen Eigenschaften zu entwickeln.
Um nicht später noch einmal auf diese Geschichte, die viel böses Blut machte, zurückkommen zu müssen, will ich gleich berichten, daß Nero sich in Korinth unter den üblichen Zeremonien mit Sporus vermählte und diesen hinfort als seine Gattin behandelte. Nero selbst behauptete allerdings, die Trauung mit der Überreichung der Mitgift, den Schleiern, dem Umzug und was sonst noch dazugehört, sei eine reine Formsache, die eben von gewissen Mysterien gefordert werde, im übrigen aber nicht rechtlich bindend. Seiner Göttlichkeit wegen betrachtete er sich als zwiegeschlechtig wie alle männlichen Götter. Alexander der Große hatte viel zu dieser Anschauung beigetragen, als er sich in Ägypten zum Gott erhöhen ließ. Deshalb sah Nero in seinen Neigungen eine Art zusätzlichen Beweis für seine Göttlichkeit.
Er war von der Richtigkeit seiner Anschauung so überzeugt, daß er sich die gröbsten Scherze auf Sporus’ Kosten gefallen ließ. Eines Tages fragte er im Spaß einen als Stoiker bekannten Senator um seine Meinung über diese Ehe. Der Alte antwortete boshaft: »Es stünde besser um die Welt der Menschen, wenn auch dein Vater Domitius so eine Gattin gehabt hätte.« Nero nahm es ihm nicht übel, sondern lachte laut.
Über Neros Siege in den musikalischen Wettspielen ist genug geschrieben worden. Er brachte ja über tausend Siegeskränze heim. Nur bei den olympischen Wagenrennen erging es ihm übel, denn beim Rennen der Zehngespanne stürzte er am Wendepfahl vom Wagen und konnte gerade im letzten Augenblick noch die Zügel kappen, die er sich um den Leib geschlungen hatte. Er zog sich ein paar böse Schrammen zu, aber als Lohn für seine Kühnheit bewilligten ihm die unparteiischen Preisrichter einstimmig einen Kranz. Nero fand jedoch, er könne ihn nicht annehmen, da er das Rennen hatte aufgeben müssen. Er begnügte sich mit den Olivenkränzen, die er im Sängerwettstreit und beim Ringen gewann.
Auch in anderen Fällen versuchte Nero nach bestem Vermögen sich so ehrenhaft zu verhalten, wie es dem Geist der Spiele entsprach, und er hütete sich, seine Mitbewerber im Sängerwettstreit so grob zu verunglimpfen, wie er es in Rom gewohnt war. Seine Siege waren um so verdienstvoller, als er vom Mißgeschick verfolgt wurde. Eine ganze Woche lang litt er heftige Zahnschmerzen, so daß der kranke Zahn zuletzt gezogen werden mußte. Er zerbrach trotz der Geschicklichkeit des Arztes in der Zange, und die Wurzeln mußten Stück für Stück aus den Kiefer gestochert werden. Nero ertrug den Schmerz mannhaft.
Zum Glück hatte der Arzt ein Betäubungsmittel, und Nero trank sich vorher einen Rausch an, wie es der mutigste Mann gern tut, ehe er sich dem Zahnbrecher ausliefert. Wieweit der Zahnschmerz und die Schwellung seine Stimme beeinträchtigten und seine Angst vor dem Auftreten verstärkten, mögen Sachkundigere als ich beurteilen.