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Als einen Beweis für Neros Ehrenhaftigkeit sehe ich es auch an, daß er, als man ihm anbot, ihn in die Eleusinischen Mysterien einzuweihen, diese Ehre bescheiden ablehnte, indem er darauf hinwies, daß er im Ruf eines Muttermörders stehe. Böse Zungen behaupteten später freilich, er habe die Strafe der Götter gefürchtet, falls er an diesem heiligsten aller Mysterien teilnähme. Das ist ein haltloses Geschwätz. Nero wußte, daß er selbst ein Gott war wie die anderen Götter des Landes auch, wenngleich er aus reiner Bescheidenheit diese öffentliche Ehrung ablehnte. Wir im Senat waren mit großer Mehrheit bereit, ihn schon zu Lebzeiten zum Gott zu erhöhen, sobald er nur wollte.

Nachdem ich mir die Sache überlegt hatte, kam ich zu dem Schluß, daß es auch für mich das beste war, nicht an den eleusinischen Zeremonien teilzunehmen. Den Priestern erklärte ich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß ich, ohne zu wissen, was ich tat, gezwungen gewesen war, meinen eigenen Sohn hinrichten zu lassen. So vermied ich es, die heilige Priesterschaft zu beleidigen, und konnte Nero sagen, ich schlösse mich aus Freundschaft zu ihm von den Mysterien aus. Er vertraute mir darum um so mehr, und das sollte mir binnen kurzem zustatten kommen.

In Wirklichkeit sagte ich mir, daß Claudia mir allzu viele Fragen gestellt haben würde, wenn ich mich hätte einweihen lassen. Ich verzichtete also um des Hausfriedens willen darauf, obwohl ich es danach bereute, als ich sah, wie die anderen Senatoren noch Tage nach der Einweihung offensichtlich glücklich waren, weil sie göttliche Geheimnisse erfahren hatten, die seit Menschengedenken noch kein Eingeweihter Außenstehenden entdeckt hat.

Und dann kam die unglaubliche, beschämende Eilbotschaft, daß jüdische Freischaren die syrische Legion, die aus Jerusalem geflohen war, zersprengt und bis auf den letzten Mann niedergemacht hatten. Den eroberten Legionsadler hatten die Juden als Opfergabe in ihrem Tempel aufgestellt.

Ich nenne weder die Nummer noch das Losungswort der Legion, denn sie wurde aus den Rollen getilgt. Noch heute verbieten die Zensoren, daß diese Legion in den Annalen Roms erwähnt wird. Die Geschichtsschreiber verschweigen am liebsten sogar den Aufstand der Juden, obwohl sich Vespasian und Titus ihres späteren Sieges nicht zu schämen brauchten, sondern sogar einen Triumph feierten. Zum Teil war es allerdings bloße Sparsamkeit, daß man die Legion einfach ausstrich, denn es kam nicht zum Krieg gegen die Parther.

Ich gestehe, daß ich meinen ganzen Mut zusammennehmen mußte, um Nero Aug in Aug gegenüberzutreten, als er vom Ausschuß für orientalische Angelegenheiten eine Erklärung zu dem Geschehenen forderte. Es war seiner Ansicht nach unfaßbar, daß wir nicht gewußt hatten, wie weit die jüdischen Aufrührer die Mauern Jerusalems verstärkt hatten und wie es ihnen gelungen war, sich heimlich Waffen zu verschaffen und Truppen auszubilden, was sie zweifellos getan hatten, denn anders hätten sie niemals eine ganze Legion aufreiben können.

Ich als der Jüngste wurde vorgeschoben, um meine Ansicht zu sagen, wie es beim Kriegsrat üblich ist. Vermutlich vertrauten meine Amtsbrüder auf die Freundschaft zwischen Nero und mir und wollten mir gar nichts Böses, und außerdem fällt es mir im allgemeinen nicht schwer zu sprechen.

Ich konnte auf die Verschlagenheit der Parther hinweisen und auf die ungeheuren Summen, die Vologeses ausgegeben hatte, um Roms Streitkräfte zu binden, wo immer es möglich war. Die Juden hatten die Waffen vermutlich von ihm gekauft oder vielleicht sogar geschenkt bekommen, und es war ihnen ein leichtes gewesen, sie unbemerkt von unseren Grenzwachen durch die Wüste nach Judäa zu schaffen. Man wußte außerdem, wie treu diese jüdischen Aufwiegler ihrer Sache anhingen, so daß es niemanden zu wundern brauchte, daß die Vorbereitungen nicht verraten worden waren.

Die fortwährenden Streitigkeiten, während Felix und Festus als Statthalter in Caesarea saßen, hatten alle, auch die Klügsten, in Sicherheit gewiegt. Viel Geschrei, wenig Wolle, sagt man. In Judäa wie anderswo glaubten wir zu herrschen, indem wir teilten. »Das größte Wunder ist es«, sagte ich, »daß die uneinigen jüdischen Parteien sich zum gemeinsamen Aufruhr zusammenschlossen.«

Vorsichtig wies ich auch auf die entsetzliche Macht des jüdischen Gottes hin, von der in den heiligen Schriften der Juden überzeugende Beispiele zu finden sind, obwohl dieser Gott weder Abbild noch Namen hat, sondern nur durch gewisse Umschreibungen genannt wird. Dann fuhr ich fort: »Vieles ließe sich noch erklären. Eines aber ist unbegreiflich: Wie konnte Corbulo, in dessen Hände der kommende Krieg gelegt war, trotz seinem Feldherrnruhm und seinen Erfolgen in Armenien dies alles geschehen lassen? Es ist seine Sache und nicht die des Prokonsuls in Syrien, in Judäa und Galiläa die Ordnung wiederherzustellen und somit Stützpunkte für die weitere Kriegführung zu schaffen. Offenbar hat Corbulo seine ganze Aufmerksamkeit nach Norden gerichtet und die Hyrkaner darauf vorbereitet, die parthischen Truppen an dem Meer dort oben zu binden. Indem er sich aber nur einer Einzelheit des großen Planes widmete, verlor er den Überblick über das Ganze, beurteilte die Lage falsch und bewies damit, daß er ungeachtet seines Ansehens nicht das Zeug zu einem wirklich großen Heerführer hat.«

Das war meiner Ansicht nach die Wahrheit, und im übrigen verband mich mit Corbulo keine Freundschaft. Ich kannte ihn nicht einmal näher. Außerdem muß die Freundschaft beiseite treten, wenn der Staat in Gefahr ist. Dieser Grundsatz wird jedem Senator eingeprägt. Manchmal wird er sogar befolgt. Es ging aber nicht nur um das Wohl des Staates, es ging um unser eigenes Leben, und wir hatten keine Ursache, Corbulo zu schonen.

Ich erkühnte mich sogar zu bemerken, daß der Krieg gegen die Parther unserer Meinung nach aufgeschoben werden mußte, bis der Aufruhr in Jerusalem niedergeworfen war. Dazu brauchte man zunächst drei Legionen. Zum Glück standen die Legionen schon in ihrem Aufmarschgebiet, und wir hatten genug Belagerungsmaschinen, um auch die stärksten Mauern zu brechen. Mit dem Aufstand der Juden in Jerusalem konnten wir im Handumdrehen fertig werden. Gefährlicher schien es mir, daß es jüdische Kolonien in fast allen Städten des Reiches gab, von den dreißigtausend Juden Roms ganz zu schweigen.

Nero ließ mich zu Ende sprechen. Seine Erregung schien sich allmählich zu legen. Ich beeilte mich daher zu versichern, daß die Juden der Julius-Caesar-Synagoge in Rom nichts mit dem Aufruhr zu tun hatten. Dafür konnte ich geradestehen, obwohl ihre Abgaben an den Tempel zu Jerusalem offenbar dazu mißbraucht worden waren, den Aufruhr zu finanzieren. »Aber auch Poppaea schickte, nichts Böses ahnend, Geschenke an den Tempel.«

Als ich schwieg, wagte kein anderer ums Wort zu bitten. Nero dachte lange nach. Er runzelte die Stirn und biß sich auf die Lippen. Dann verabschiedete er uns mit einer ungeduldigen Handbewegung. Er hatte an anderes zu denken. Wir sollten zur Strafe für unsere Versäumnisse eine Weile warten und im ungewissen bleiben.

Nero gedachte in seiner Eigenschaft als Imperator, ohne den Senat anzuhören, einen Befehlshaber zu ernennen, der seiner Ansicht nach fähig war, Jerusalem zu erobern, und ihm die dazu nötigen Truppen zur Verfügung zu stellen. Corbulo hatte er bereits rufen lassen, damit er ihm über Geschehenes und Ungeschehenes Rechenschaft ablege. Den parthischen Feldzug auf unbestimmte Zeit aufzuschieben war ein so ernster Entschluß, daß Nero zuerst die Vorzeichen erfragen und ein Opfer verrichten wollte.

Wir waren ein wenig erleichtert, als wir gingen, und ich lud meine Amtsbrüder zu einem guten Mahl in meiner Herberge, aber obwohl meine beiden berühmten Köche ihr Bestes getan hatten, wollte uns das Essen nicht recht schmecken. Wir sprachen über den Aufruhr und dachten nicht daran, Wasser in den Wein zu mischen. Meine Gäste äußerten so bittere und voreingenommene Ansichten über die Juden, daß ich mich gezwungen sah, ihnen zu widersprechen und die Juden geradezu in Schutz zu nehmen.