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Sie haben gewiß auch ihre guten, achtenswerten Eigenschaften, und sie kämpften für die Freiheit ihres Volkes. Im übrigen war Judäa kaiserliche Provinz und nicht senatorische. Nero trug an dem Aufruhr selbst die Schuld, denn er hatte nach Felix einen rücksichtslosen Räuber wie Festus zum Prokurator ernannt.

Ich legte vielleicht ein wenig zu viel Eifer in meine Verteidigungsrede, denn die anderen Senatoren, denen der Wein schon zu Kopf gestiegen war, betrachteten mich mit verwunderten Blicken, und zuletzt sagte einer voll Verachtung: »Es scheint zu stimmen, was über dich gesagt wird. Du bist wirklich ein Narbenschwanz.«

Ich wollte diesen scheußlichen Spitznamen eigentlich verschweigen, aber dank dem Spottgedicht Deines bärtigen Freundes Juvenal ist er ohnehin wieder in aller Leute Mund. Nein, ich mache Dir keine Vorwürfe, mein Sohn, weil Du das Gedicht liegen ließest, als Du das letzte Mal hier warst, um Deinen Vater eine Freude zu machen. Es ist nur gut, daß ich erfahre, was man von mir denkt und was Du von Deinem Vater denkst. Außerdem gebrauchen die Dichter heutzutage noch viel unflätigere Ausdrücke. Soweit ich es verstehe, wollen sie die Wahrheit und den natürlichen Sprachgebrauch gegen die gekünstelte Schönrederei verteidigen, die uns Seneca hinterlassen hat. Vielleicht haben sie recht. Aber den Bart haben sie Titus abgeschaut, der diese Mode in Rom einführte, als er aus Jerusalem heimkehrte.

Corbulo vermochte nichts mehr zu retten. Nero wollte ihn nicht einmal sehen. Corbulo erhielt den Befehl, Selbstmord zu begehen, kaum daß er in Kenchreae an Land gegangen war. »Wenn ich das Glück gehabt hätte, unter einem anderen Kaiser zu leben, würde ich Rom die ganze Welt erobert haben«, sagte er. Dann stürzte er sich auf dem Kai in sein Schwert, nachdem er verfügte, daß es zerbrochen und ins Meer geworfen werden sollte, damit es nicht in unwürdige Hände geriet. Gleichwohl glaube ich nicht, daß er ein großer Feldherr war. Das beweist sein Fehlurteil, als sich ihm die größte Gelegenheit seines ganzen Lebens bot.

Nero hatte genug Vernunft, von seinem Lieblingsgedanken, eine Vorstellung in Ekbatana zu geben, abzulassen. Er war ein geschickter Schauspieler, und es fiel ihm nicht schwer, überzeugend zu stolpern, als er das Opfer darbrachte. Wir konnten also mit eigenen Augen sehen, daß die unsterblichen Götter die Unterwerfung der Parther noch nicht wünschten. Um ein verheerendes Unglück zu vermeiden, war es daher das klügste, den Feldzug aufzuschieben. Er hätte zu diesem Zweck auch gar nicht durchgeführt werden können, denn Vespasian verlangte, sobald er sich mit der Lage vertraut gemacht und genaue Erkundigungen über die Kriegsvorbereitungen der Juden eingezogen hatte, für die Belagerung Jerusalems vier Legionen.

Denn unbegreiflich sind die Wege der Vorsehung, wie Deine Mutter griesgrämig zu sagen pflegt, wenn mir wieder einmal ein Unternehmen geglückt ist. Ausgerechnet meinen früheren Vorgesetzten Flavius Vespasian beauftragte Nero in seiner Launenhaftigkeit mit der Belagerung Jerusalems. Vespasian wehrte sich bis zuletzt. Er erklärte, er sei des Kriegführens müde und habe in Britannien genug Ehre erworben, er sei ein alter Mann und es genüge ihm, Mitglied zweier Priesterkollegien zu sein.

Da er wirklich nicht mehr der Jüngste war und noch unmusikalischer als ich, widerfuhr ihm eines Tages das Mißgeschick, einzuschlafen, als Nero an einem Sängerwettstreit teilnahm. In seinem Zorn kommandierte ihn Nero zu einer beschwerlichen Strafexpedition ab, bei der keine Ehre zu gewinnen war. Er ließ sich zuletzt zwar durch seine Tränen erweichen, gab ihm aber dafür den endgültigen Befehl, Jerusalem zu belagern, und tröstete ihn, indem er sagte, nun habe er, Vespasian, eine einmalige Gelegenheit, sich an den Schätzen der Juden zu bereichern. So brauchte er nicht mehr Maulesel zu verkaufen, was ohnehin eine eines Senators unwürdige Beschäftigung war, und nicht mehr ständig über seine Armut zu jammern.

Die Ernennung Vespasians wurde allgemein als ein Beweis für Neros Wahnsinn angesehen. Vespasian war in dem Maße verachtet, daß Neros Lieblingssklaven ihn mit der größten Unhöflichkeit behandelten, wenn er sich bei seltenen Gelegenheiten einmal im Goldenen Haus blicken ließ. Eingeladen wurde er nur einmal im Jahr, an Neros Geburtstag, und selbst für diese Gunst mußte er sich erkenntlich zeigen, indem er Poppaea und später Statilia Messalina ein paar Maulesel schenkte.

Mit den Verhältnissen im Osten war Vespasian nicht vertraut. Es wäre niemandem eingefallen, ihn für einen Ausschuß oder irgendeinen Sonderauftrag vorzuschlagen. Dagegen hätte Ostorius, den Claudius seinerzeit gleichsam aus Versehen nach Britannien geschickt und der sich dort ausgezeichnet hatte, gern den Befehl über die Legionen übernommen, um den Aufstand der Juden niederzuwerfen. Er äußerte diesen Wunsch so oft, daß Nero schließlich mit gutem Grund mißtrauisch wurde und ihn enthaupten ließ. Vespasian hingegen vertraute er um so mehr, als dieser sich sträubte, den Auftrag zu übernehmen, und ihn als Strafe für seine Schläfrigkeit betrachtete, die er nicht genug verfluchen konnte.

Immerhin zweifelte Nero selbst so sehr an der Richtigkeit seiner Wahl, daß er Vespasian aufforderte, seinen Sohn Titus mitzunehmen, der sich gleichfalls in Britannien ausgezeichnet und als ganz junger Mann einmal seinen Vater durch einen kühnen Reiterangriff aus einem Hinterhalt der Briten herausgehauen hatte. Nero hoffte, Titus werde seinen Vater durch seinen jugendlichen Eifer anspornen und ihm helfen, Jerusalem in kürzester Zeit zu erobern.

Er ermahnte Vespasian jedoch, unnötige Verluste zu vermeiden, denn er hatte von den starken Mauern Jerusalems gehört. Die Lage der Stadt war in militärischer Hinsicht so vorteilhaft, daß es sogar Pompejus seinerzeit schwergefallen war, Jerusalem einzunehmen, und Vespasian war nach Neros eigener Ansicht mit Pompejus nicht zu vergleichen.

Ich fand in Korinth Gelegenheit, wieder Verbindungen mit meinem früheren Befehlshaber anzuknüpfen, und bot ihm freien Aufenthalt in dem neuen prächtigen Haus meines Freigelassenen Hierax. Vespasian war mir dafür sehr dankbar. Ich war überhaupt auf der ganzen Reise der einzige Mann von Rang, der den einfachen, kriegsmüden Vespasian anständig behandelte.

Ich bin, was meine Freundschaften anbelangt, weder voreingenommen noch sonderlich wählerisch. Das dürfte mein Lebenslauf bewiesen haben. In meinen Augen waren die unbeschwerten Jugendjahre, die ich unter seinem Befehl in Britannien verbracht hatte, ein hinreichender Grund, seine barsche Freundlichkeit durch eine Gastlichkeit zu vergelten, die mich nichts kostete.

Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht angebracht, noch einmal darauf hinzuweisen, dal? ich bei der Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung alles tat, um die Flavier zu schonen, was wegen des Mordplans des Flavius Scevinus wahrhaftig nicht leicht war. Zum Glück gehörte er einer eher verachteten Seitenlinie dieses Geschlechtes an. Ich hatte ihn selbst angezeigt und hatte daher ein gewisses Recht, für die anderen Flavier ein gutes Wort einzulegen.

Auf Vespasian fiel nie der Schatten eines Verdachts, denn er war so arm, daß er seine Stellung als Senator nur mit knapper Not zu halten vermochte. Ich hatte eines meiner Landgüter auf seinen Namen überschreiben lassen, als die Zensoren bemerkten, daß er die Vermögensbedingungen nicht mehr erfüllte. Außerdem kannte man ihn allgemein als einen so rechtschaffenen Mann, daß es der schäbigste Verräter nicht der Mühe wert fand, seinen Namen auf eine Liste zu setzen.

Ich erwähne all dies, um zu zeigen, wie fest ich seit jeher mit den Flaviern verbunden war und welchen Wert Vespasian schon zu einer Zeit auf meine Freundschaft legte, da einer von Neros Sklaven ihm noch ungestraft vor die Füße spucken durfte, obwohl er Senator war und den Konsulsrang innehatte. Und meine Freundschaft war ganz uneigennützig. Den Traum, den ich damals gehabt hatte, als die Druiden mich in Schlaf versenkten, hatte ich längst vergessen, aber das wird mir natürlich niemand glauben, denn ich gelte als ein Mann, der immer und überall auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. So stellt mich ja auch das Spottgedicht Deines Freundes dar.