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In Iberien wie anderswo mußte er sich damit begnügen, seine Lehre in den Küstenstädten zu verkünden, die einst von Griechen gegründet wurden und in denen in der Hauptsache noch Griechisch gesprochen wird, wenngleich natürlich Gesetze und Erlässe in lateinischer Sprache in Kupfertafeln eingeritzt werden. Es gibt viele große Städte dieser Art an der iberischen Küste, so daß es Paulus an Reisezielen nie mangelte. Der Ölhändler meinte, er sei dann südwärts nach Malaca gesegelt, um von dort aus das westliche Iberien zu erreichen, denn er war noch so ruhelos wie eh und je.

Es ist daher seine eigene Schuld, daß meine Warnung ihn nicht erreichte. Man fing ihn schließlich in Troas im asiatischen Bitynien, und seine Verhaftung erfolgte so plötzlich, daß seine Schriften, seine Bücher und sein Reisemantel in seiner Herberge liegenblieben. Er hatte nach Asia reisen müssen, um die von ihm Bekehrten im Glauben zu stärken, denn sie wurden, zumindest seiner Ansicht nach, von miteinander wetteifernden Wanderpredigern zu allerlei Irrlehren verleitet. Jedenfalls nannte er so manchen einen Lügenpropheten, der wie er selbst um Christi willen Not und Entbehrungen litt und sein Leben aufs Spiel setzte, wenngleich diese Männer vielleicht nicht so tief in die göttlichen Geheimnisse Einblick hatten wie er.

Als in Rom die Nachricht eintraf, daß der Aufenthaltsort des Paulus verraten worden war, wurde augenblicklich auch das Versteck des Kephas verraten. Das glaubten die heißblütigen Anhänger des Paulus ihrem Lehrer schuldig zu sein. Kephas hatte meine Warnung rechtzeitig erhalten und sich auf den Weg nach Puteoli gemacht. Beim vierten Meilenstein auf der Via Appia war er jedoch wieder umgekehrt. Als Grund gab er an, Jesus von Nazareth habe sich ihm in seiner ganzen Herrlichkeit offenbart. Jesus hatte ihn gefragt: »Wohin gehst du, mein Fels?« Darauf hatte Kephas verlegen geantwortet, er fliehe aus Rom. Da hatte der Nazarener betrübt gesagt: »So will ich selbst nach Rom gehen, um zum zweiten Male gekreuzigt zu werden.«

Kephas schämte sich und kehrte demütig nach Rom zurück, gewiß auch glücklich darüber, daß er seinen Meister noch einmal hatte sehen dürfen. Kephas war in seiner Einfachheit der erste von allen Jüngern gewesen, der in Jesus von Nazareth Gottes Sohn erkannt hatte. Deshalb hatte ihn sein Lehrer so liebgewonnen und ihn den Ersten unter seinen Jüngern genannt – nicht seiner Körperkräfte und seines Feuergeistes wegen, wie viele noch immer glauben.

Ich berichte, was ich gehört habe, und die Geschichte wird auch anders erzählt. Das Wesentliche scheint mir jedoch zu sein, daß Kephas auf der Via Appia ein Gesicht oder eine Offenbarung irgendwelcher Art hatte. Das machte es ihm möglich, sich zuletzt doch noch mit Paulus auszusöhnen, ehe sie beide starben. Paulus hatte ja Jesus von Nazareth nie in Fleisch und Blut gesehen. Auf seine Offenbarung anspielend, hatte Kephas eines Tages, von Neid ergriffen, gesagt, er brauche nicht zu erfundenen Geschichten Zuflucht zu nehmen, denn er habe Jesus von Nazareth gekannt, als er noch auf Erden lebte. Diese Worte fielen, als die beiden einander noch voll Eifer zu überbieten trachteten. Nun aber, nachdem er selbst eine echte Offenbarung erlebt hatte, schämte sich Kephas seiner Anschuldigungen und bat Paulus um Verzeihung.

Es tat mir leid um diesen einfachen Fischer, der nach mehr als zehn Jahren in Rom weder die lateinische noch die griechische Sprache erlernt hatte, so daß er ohne Dolmetsch hilflos und verloren war. Es gab deshalb übrigens auch viele Mißverständnisse, und man behauptete sogar, er zitiere falsch oder zumindest sehr ungenau aus den heiligen Schriften der Juden, um zu beweisen, daß Jesus von Nazareth der wahre Messias oder Christus sei. Als wäre das für die, welche an ihn glaubten, so wichtig gewesen! Die Judenchristen haben jedoch die unausrottbare Gewohnheit, ständig mit ihrer Gelehrsamkeit zu prunken, um Wörter und ihre Bedeutung zu streiten und sich in allem auf die heiligen Schriften zu berufen.

Das wäre Grund genug, diese nach und nach ins Lateinische übersetzen zu lassen, damit sie eine endgültige, eindeutige Form erhalten. Dazu eignet sich nämlich unsere Sprache vorzüglich. Man brauchte sich dann endlich nicht mehr über den richtigen Inhalt der Worte zu streiten, wovon man nur Kopfschmerzen bekommt.

Doch ich will meinen Bericht fortsetzen. Von denen, die sozusagen den inneren Kreis der Anhänger Christi bildeten, gelang es mir nur, einen gewissen Johannes zu retten, der während der Judenverfolgungen nach Ephesus geflohen war. Ich bin selbst nie mit ihm zusammengetroffen, aber er soll ein milder, sanftmütiger Mann sein, der sich damit die Zeit vertreibt, seine Erinnerungen niederzuschreiben und die Christen miteinander zu versöhnen. Mein Vater mochte ihn gern. Auch er wurde in dieser Zeit des Hasses und des Verrats angezeigt, aber der Prokonsul in Asia war zufällig ein Freund von mir und begnügte sich damit, ihn auf eine Insel im Meer zu verbannen.

Ich wunderte mich sehr, als ich hörte, daß er dort einige merkwürdige, recht wilde Offenbarungen hatte und aufzeichnete, aber er soll sich wieder beruhigt haben, nachdem man ihm erlaubte, nach Ephesus zurückzukehren.

Uns Mitglieder des Ausschusses für orientalische Angelegenheiten strafte Nero nur dadurch, dal? er uns nach Rom zurückschickte, wo wir darauf zu achten hatten, daß es zu keinem bewaffneten Aufruhr von seiten der Juden kam. Er meinte spöttisch, dieser Aufgabe wären wir hoffentlich gewachsen, nachdem wir in allen anderen Dingen nur unsere völlige Unfähigkeit bewiesen hätten. Auflösen konnte er den Ausschuß nicht, denn das wäre Sache des Senats gewesen. Der Senat nahm ihm zuliebe jedoch einige Umbesetzungen vor, obwohl es schwer war, neue Männer zu finden, die gewillt waren, ihre Zeit für diese unangenehme Verpflichtung zu opfern.

Ich war schon wieder in Rom, als Nero Achaia zu einem freien Reich ausrief und Griechenland seine frühere Selbständigkeit zurückgab. An den politischen Verhältnissen änderte sich deshalb nichts, das wußte ich, seit ich in meiner Jugend in Korinth als Kriegstribun gedient hatte. Die Griechen durften fortan lediglich selbst einen Statthalter wählen, selbst für ihr Kriegsheer aufkommen und selbst ihren Kanal graben. Trotzdem jubelten diese kurzsichtigen Menschen über Neros großzügige Geste.

Ich bemerkte sehr wohl, daß Nero in seinem Erlaß den Senat mit keinem Wort erwähnte, sondern eindeutig zu erkennen gab, daß Nero und nur Nero eine solche Freiheitserklärung ausfertigen konnte. Wir waren gewarnt von dem Tage an, da wir mit unseren eigenen Ohren hatten hören müssen, wie Nero beim Beginn des Kanalbaus der Hoffnung Ausdruck gab, dieses große Vorhaben werde Achaia und dem Volk von Rom zum Vorteil gereichen. Dem Volk … Den Senat erwähnte er nicht, wie es sich bei einer öffentlichen Rede eigentlich gehört hätte. Der richtige Ausdruck lautet: »Senat und Volk von Rom.« Und dabei bleibt es, was immer auch geschehen mag.

Es war nach alledem nicht verwunderlich, daß ich das Gefühl hatte, Orcus lenke meine Schritte und Charon blase mir seinen kalten Atem ins Genick, als ich die Juden zu ihrem Sterben begleitete. Das gleiche unbehagliche Gefühl hatte so mancher andere Senator, obgleich wir freilich aus Gründen der Sicherheit nie darüber sprachen. Wer durfte sich denn noch auf einen anderen verlassen, sich einem andern anvertrauen! Es gab sogar einen, der vorsichtshalber immer eine Million Sesterze in Gold auf einem Karren mit sich führte, wenn er eine kleine Reise antrat.

Nero erlaubte uns nicht einmal, ihn in Neapolis abzuholen. Dort wollte er nämlich seinen Siegeszug nach Rom antreten, weil er im Theater in Neapolis zum erstenmal öffentlich gesungen hatte. Seine Rückkehr sollte jedoch kein Triumph im eigentlichen Sinne sein. Er hatte sich eine Art künstlerischen Triumphzug ausgedacht, um dem Volk sein Vergnügen und einige freie Tage zu bieten. In politischer Hinsicht war das an sich nicht unklug, da der Feldzug im Osten im Sande Verlaufen war, aber wir fanden es unerhört, daß wir auf seinen Befehl einen Teil der Stadtmauer niederreißen lassen mußten, um Platz für den Siegeszug zu schaffen. Eine solche Ehre war noch keinem Sieger erwiesen worden, nicht einmal Augustus. Wir waren allgemein der Ansicht, daß Nero allmählich wie ein orientalischer Gewaltherrscher aufzutreten begann. So etwas wird in Rom nicht geduldet, da mag ein gewisser ungewaschener Lümmel noch so viel unverschämtes Zeug über die Verderbtheit unserer Sitten zusammendichten.