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Nicht nur wir, sondern auch das Volk, worunter ich alle rechtdenkenden Bürger verstehe, schüttelten den Kopf, als Nero auf dem heiligen Triumphwagen des Augustus durch die Mauerbresche und quer durch die Stadt fuhr, hinter ihm wagenweise Siegeskränze und an Stelle von Soldaten eine Ehrenwache von Schauspielern, Spielleuten, Sängern und Tänzern. Anstatt Schlachtenbilder zu zeigen, hatte er griechische Künstler große Tücher bemalen und Figurengruppen meißeln lassen, die seine Siege in den Sängerwettstreiten darstellten. Er selbst war in einen purpurnen Mantel mit goldenen Sternen gekleidet, und auf dem Haupt trug er einen doppelten olympischen Kranz aus Olivenblättern.

Gleichwohl muß zu seiner Ehre gesagt werden, daß er, wie alle Triumphatoren vor ihm, nach altem Brauch demütig auf den Knien die steile Treppe auf den Kapitolinischen Hügel hinaufkroch und daß er seine wertvollsten Siegeskränze nicht nur Jupiter Custos, sondern auch anderen wichtigen Göttern Roms weihte, Juno und Venus nicht ausgenommen. Die übrigen Kränze reichten noch immer, um alle Wände im Empfangssaal und im runden Speisesaal des Goldenen Hauses zu bedecken.

Dennoch verlief Neros Heimkehr nicht ganz so angenehm, wie ein Außenstehender sich das vorstellen mochte. Statilia Messalina war zwar eine verwöhnte, willensschwache Frau, aber immerhin eine Frau, und sie konnte es nicht stillschweigend hinnehmen, daß Nero Sporus die gleichen ehelichen Rechte einräumen wollte wie ihr, so daß er hernach ganz der Laune des Augenblicks folgend das Ehebett hätte wechseln können. Es kam deshalb zu einem Familienstreit, der durch die Dienerschaft weit über die Grenzen des Palastes hinaus bekannt wurde. Nero hielt sich das Schicksal Poppaeas vor Augen und wagte es nicht, seine Gattin zu treten. Das machte sich Statilia zunutze. Nach einiger Zeit verlangte Nero zornig seine Siegeskränze von Juno zurück. Viel mehr konnte er nicht tun, außer daß er zuletzt Statilia nach Antium verbannte. Gerade das aber war ihr Glück.

Statilia Messalina lebt noch heute und trauert um Nero. Wie es sich für eine Witwe geziemt, erinnert sie sich nur an seine guten Seiten. Oft schmückt sie das bescheidene Mausoleum der Domitier, das vom Pincius aus sehr gut zu sehen ist, mit Blumen. Es liegt unweit der Gärten des Lukull, wo ich in meiner Jugend mit Nero und Agrippina zusammen die Kirschbäume blühen sah.

Es heißt, im Grabgewölbe der Domitier ruhen die Gebeine Neros. In den östlichen Provinzen aber hat es wegen Nero viel Streit und Unruhe gegeben, denn dort wollen die Leute nicht glauben, daß er tot ist. Sie hoffen vielmehr, er werde zurückkehren, und gedenken seiner Regierung als einer glücklichen Zeit, was man ihnen in Anbetracht der Steuern, die wir heutzutage zahlen müssen, und der Habgier des Staates nicht verargen kann.

Ab und zu taucht im Osten irgendein entsprungener Sklave auf und gibt sich als Nero aus. Die Parther unterstützen solche Versuche, Unruhe zu stiften, gern. Wir haben bereits zwei falsche Neros kreuzigen lassen. Um das Volk zu beruhigen, gab man ihnen vorher Gelegenheit, ihre Echtheit zu beweisen, indem sie sangen, aber keiner konnte singen wie Nero. Wie dem auch sei, Statilia Messalina gedenkt seiner durch Blumen und schmückt sein Grab. Wenn es sein Grab ist.

Ich habe mich wieder einmal mit diesem und jenem aufgehalten, um nicht von der einen Sache sprechen zu müssen, an die ich nur voll Kummer zurückdenke. Dank Neros Triumph und seinen übrigen politischen Pflichten gelang es mir, die Hinrichtungen erstaunlich lange hinauszuschieben. Schließlich aber kam der Tag, da wir die längst gefällten Todesurteile Nero zur Bestätigung vorlegen mußten. Hätte ich noch weitere Ausflüchte gesucht, so wäre ich wohl, nicht zuletzt von meinen Amtsbrüdern, selbst als Judenfreund verdächtigt worden.

Um unseren Ruf reinzuwaschen, hatten wir im Ausschuß für orientalische Angelegenheiten gründliche Arbeit geleistet, um uns ein zuverlässiges Bild von den wirklichen Verhältnissen innerhalb der jüdischen Kolonie Roms zu verschaffen und zu beurteilen, wieweit sie nach dem Aufstand der Juden in Jerusalem eine Gefahr für den Staat darstellte. Es war für einige von uns eine sehr lohnende Tätigkeit, und zuletzt konnten wir dem Senat und Nero mit gutem Gewissen einen beruhigenden Bericht vorlegen.

Wir setzten es im Senat mit knapper Stimmenmehrheit durch, daß von einer Judenverfolgung im eigentlichen Sinne Abstand genommen wurde und man sich damit begnügte, verdächtige Elemente und Aufwiegler auszusondern. Unser Vorschlag gründete sich auf gesunde Vernunft und wurde trotz dem Judenhaß, den der Aufstand in Jerusalem erweckt hatte, angenommen. Ich muß allerdings gestehen, daß ich recht tief in die Tasche griff, um die Angelegenheit in diesem Sinne zu regeln, weil Claudia so viele Freunde unter den Judenchristen hatte. Der schiefnasige Aquila und die mutige Prisca, um nur zwei Beispiele zu nennen, hätten bei einer großen Säuberung bestimmt daran glauben müssen. Aber ich bin ja ein Unmensch, ein Geizkragen, der aus allem seinen Vorteil zu schlagen versteht und für den Dein bester Freund Juvenal nicht ein gutes Wort übrig hat. Ich kann mir denken, was meine Freunde ihm für die Abschriften von seinem Gedicht bezahlen. Schadenfreude ist die schönste Freude. Wir beide. Du und ich, wollen uns wenigstens darüber freuen, daß Dein bärtiger Freund dank mir seine Schulden loswird, ohne daß es mich ein einziges Kupferstück kostet.

Wenn ich so habgierig wäre, wie er behauptet, müßte ich ihm das verfluchte Spottgedicht abkaufen und meinen eigenen Verlag den Gewinn einstreichen lassen. Ich bin aber nicht wie Vespasian, der sogar das Wasser besteuert, das man abschlägt. Wir sprachen einmal über Begräbnisse mit ihm. Da fragte er uns, wieviel unserer Meinung nach sein Begräbnis einst die Staatskasse kosten werde. Wir rechneten aus, daß die Festlichkeiten mindestens zehn Millionen Sesterze verschlingen würden. Das war keine Schmeichelei, sondern wir konnten es ihm mit eindeutigen Zahlen beweisen. Vespasian seufzte schwer und bat bekümmert: »Gebt mir lieber gleich hunderttausend, dann dürft ihr meine Asche in den Tiber schütten.«

Natürlich blieb uns wieder einmal nichts anderes übrig, als in seinem altmodischen Strohhut hunderttausend Sesterze zu sammeln, wodurch uns dieses Mahl teuer zu stehen kam. Das Essen war noch dazu herzlich schlecht. Vespasian liebt einfache Sitten und seinen eigenen frischen Landwein. Dagegen wäre nichts zu sagen, aber ich habe um meiner Stellung willen mehr als einmal sein Amphitheater befürworten müssen. Das soll ja nun das achte Weltwunder werden, und Neros Goldenes Haus nimmt sich daneben wie die Spielerei eines verwöhnten Knaben aus.

Ich bin schon wieder abgeschweift, doch nun will ich zur Sache kommen. Es ist, wie wenn man sich einen Zahn ziehen läßt. Nur Mut, Minutus, und nicht lang gezaudert! Mich trifft übrigens keine Schuld. Ich habe für sie getan, was in meiner Macht stand. Mehr kann kein Mensch tun. Keine Macht der Welt konnte Kephas und Paulus das Leben retten. Kephas kehrte selbst nach Rom zurück, obwohl er sich während der schlimmsten Zeit hätte verstecken können.

Ich weiß, daß heute alle seinen lateinischen Namen anwenden und ihn Petrus nennen. Mir aber ist sein alter Name lieb, und für mich heißt er Kephas. Petrus ist eine Übersetzung von Kephas, was »Fels« bedeutet. Jesus von Nazareth gab ihm diesen Namen. Warum, weiß ich nicht. Kephas war seiner Gemütsart nach kein Fels. Er war heftig und aufbrausend und konnte manchmal sehr feige sein, ja er hat sogar einmal geleugnet, Jesus von Nazareth zu kennen, damals, in dessen letzter Nacht, und in Antiochia ist er alles andere denn mutig vor dem Boten Jacobs aufgetreten, der es als einen Verstoß gegen das jüdische Gesetz betrachtete, daß er mit Unbeschnittenen zusammen aß. Und doch, oder, wer weiß, vielleicht gerade deshalb, war Kephas ein Mensch, den man nicht vergessen kann.