Выбрать главу

Die Soldaten lachten und erfüllten ihm gerne seinen Wunsch, weil sie sofort begriffen, daß sie sich auf diese Weise das lange Wachestehen in der heißen Sonne ersparten. Als Kephas schon am Kreuz hing, tat er den Mund auf und schien etwas singen zu wollen, obgleich er dazu meiner Meinung nach wirklich keine Ursache haben konnte.

Ich fragte Marcus, was Kephas noch zu sagen versuche. Marcus erklärte mir, er singe einen Psalm, in dem Gott seine Getreuen zu grünen Auen und frischen Quellen führt. Zu meiner Freude brauchte Kephas nicht mehr lange auf seine grünen Auen zu warten. Als er das Bewußtsein verloren hatte, blieben wir noch eine Weile bei ihm stehen. Dann bat ich, von dem Gestank und den Fliegen ungeduldig geworden, den Zenturio, seine Pflicht zu tun. Er befahl einem Soldaten, Kephas mit einem scharfkantigen Brett die Schienbeine zu brechen, und stieß ihm selbst das Schwert in die Kehle, indem er scherzend sagte, dies sei eine Schlachtung nach jüdischem Brauch, da das Blut ablaufe, ehe das Leben entfliehe. Es rann viel Blut aus dem alten Mann. Marcus und Linus versprachen, dafür zu sorgen, daß sein Leichnam begraben wurde, und zwar auf einer Begräbnisstätte hinter dem Amphitheater, die heute nicht mehr in Gebrauch ist. Es war nicht weit dorthin. Linus weinte, aber Marcus hatte längst alle seine Tränen geweint und war ein gleichmütiger, zuverlässiger Mann. Er bewahrte seine Fassung, aber seine Augen blickten in eine andere Welt, von der ich nichts sah.

Du wirst dich fragen, warum ich lieber Kephas begleitete als Paulus, denn Paulus war doch römischer Bürger und Kephas nur ein alter jüdischer Fischer. Vielleicht beweist mein Verhalten, daß ich nicht immer nur auf meinen Gewinn sehe. Ich mochte Kephas am liebsten, weil er ein aufrichtiger, einfacher Mann war. Außerdem hätte Claudia nie geduldet, daß ich die beiden auf ihrem letzten Gang im Stich gelassen hätte, und was tue ich nicht um des Hausfriedens willen!

Später bekam ich Streit mit Lucas, denn er verlangte den aramäischen Bericht zu sehen, den ich von meinem Vater geerbt und den ein Zöllner geschrieben hatte. Ich schlug es ihm ab. Lucas hatte zwei Jahre Zeit gehabt, mit Augenzeugen zu sprechen, während Paulus unter dem Prokurator Felix in Caesarea gefangensaß. Ich war nicht der Meinung, daß ich ihm irgend etwas schuldete.

Zudem war Lucas ein recht ungeschickter Arzt, obwohl er in Alexandria studiert hatte. Mein Magenleiden hätte ich ihn nie behandeln lassen. Ich habe ihn im Verdacht, daß er dem Paulus nur wegen dessen Wunderheilungen so eifrig folgte, entweder um selbst diese Kunst zu erlernen, oder weil er seine eigene Unfähigkeit in aller Bescheidenheit einsah. Schreiben konnte er freilich, wenngleich nicht nach der Art gebildeter Griechen, sondern in einem Marktdialekt. Marcus ist mir immer lieb gewesen, aber noch lieber ist mir mit den Jahren Linus geworden, der jünger ist. Ich war ja trotz allem gezwungen, ein wenig Ordnung in die Angelegenheiten der Christen zu bringen, sowohl um ihrer selbst willen als auch um öffentlichen Streit zu verhindern. Kephas hatte seinerzeit eine Einteilung nach Stämmen eingeführt und versucht, die streitenden Parteien miteinander zu versöhnen, aber ein ungebildeter Mann wie er hatte natürlich keine wirklichen politischen Fähigkeiten.

Dem Cletus habe ich dafür, daß er im Prätorianerlager so mutig aufgetreten war, eine juristische Ausbildung bezahlt. Vielleicht gelingt es ihm eines Tages, eine wirkliche Ordnung unter den Christen zu errichten. In diesem Falle würdest Du in ihnen eine Stütze haben. Ich mache mir jedoch keine allzu großen Hoffnungen. Sie sind, was sie sind.

Ich bin wieder ein wenig zu Kräften gekommen, und die Ärzte geben mir neue Hoffnung. Bald werde ich aus diesem nach Schwefel riechenden Kurort, den ich schon nicht mehr sehen mag, nach Rom zurückkehren dürfen. Um meine wichtigsten Geschäfte habe ich mich auch hier gekümmert, ohne daß die Ärzte es wußten, aber nun will ich wieder einmal einen guten Wein schmecken, und nach all dem Fasten und Wassertrinken werde ich mehr Wert denn je zuvor auf die Kunst meiner beiden Köche legen. Deshalb will ich rasch fortfahren. Das Schlimmste habe ich zum Glück hinter mir.

Als ich von den heimlichen Unternehmungen des Julius Vindex, des Proprätors in Gallien, hörte, deutete ich, ohne zu zögern, die Zeichen der Zeit. Ich war schon früher der Ansicht gewesen, daß Piso Erfolg hätte haben können, wenn er nicht in seiner Eitelkeit geglaubt hätte, er brauche die Legionen nicht. Nach dem plötzlichen Tod des Corbulo und des Ostorius erwachten die Befehlshaber der Legionen endlich aus ihrem Schlaf und begriffen, daß weder Kriegsruhm noch bedingungslose Treue imstande waren, einen Mann vor den Launen Neros zu retten. Ich hatte es geahnt, als ich Korinth verließ.

Ich begann nun rasch, mein Eigentum durch meine Bankiers und Freigelassenen verkaufen zu lassen, und sammelte bare Goldmünzen. Selbstverständlich erregten meine großen Verkäufe, deren Ursache so mancher kluge Mann noch nicht erkannte, Aufsehen bei den Sachverständigen. Dagegen hatte ich nichts. Ich verließ mich fest darauf, daß Nero von Geschäften nichts verstand.

Mein Treiben erweckte also eine gewisse Unruhe in Rom. Die Grundstückpreise sanken beträchtlich. Ich verkaufte rücksichtslos sogar einige Landgüter, obwohl das Geld in Grund und Boden am sichersten angelegt ist und sogar Zinsen trägt, wenn das Land von zuverlässigen Freigelassenen bestellt wird. Ich kümmerte mich nicht um das Sinken der Preise. Ich verkaufte weiter und sammelte Bargeld. Ich wußte, daß ich eines Tages alles zurückgewinnen würde, wenn mein Plan gelang. Die Besorgnis, die meine Unternehmungen bei den Geldleuten erweckte, zwang sie, die politische Lage anders einzuschätzen, so daß ich auch auf diese Weise einer guten Sache zum Siege verhalf.

Claudia und Dich schickte ich auf mein Gut bei Caere, und ich beschwor Claudia, mir wenigstens dieses eine Mal Vertrauen zu schenken und dort in Sicherheit zu bleiben, bis ich ihr Botschaft schickte. Dein dritter Geburtstag war nahe, und Deine Mutter war vollauf mit Dir beschäftigt. Du warst kein artiges Kind. Ich war, um es offen zu sagen, Deines ständigen Tollens und Lärmens müde. Sobald ich den Rücken wandte, fielst Du in einen Teich oder schnittest Dich mit irgendeinem scharfen Gegenstand. Auch deshalb begab ich mich gern auf Reisen, um für Deine Zukunft zu sorgen. Claudia verzärtelte Dich so, daß es mir nicht möglich war. Deinen Charakter zu bilden. Ich mußte mich auf das Blutserbe verlassen. Wirkliche Selbstzucht erwächst einem von innen heraus. Sie läßt sich nicht aufzwingen.

Es fiel mir nicht schwer, vom Senat und von Nero die Genehmigung zu erhalten, die Stadt zu verlassen und zu Vespasian zu reisen, um ihm mit meinem Rat zur Seite zu stehen. Im Gegenteil, man lobte den Eifer, mit dem ich dem Besten des Staates zu dienen bereit war. Nero selbst war der Ansicht, es müsse ein zuverlässiger Mann ein Auge auf Vespasian haben und ihn zur Eile antreiben. Er hatte ihn im Verdacht, unnötig lange vor Jerusalems Mauern zu zaudern.

Als Senator hatte ich ein Kriegsschiff zu meiner Verfügung. Viele meiner Amtsbrüder wunderten sich sehr darüber, daß ein Mann, der wie ich die Bequemlichkeit liebte, des Nachts in einer Binsenmatte hängen mochte, von dem schlechten Essen, der Enge und dem Ungeziefer auf dem Schiff ganz zu schweigen.

Ich hatte jedoch meine Gründe, und ich fühlte mich, als meine zwanzig schweren Eisentruhen endlich an Bord waren, so erleichtert, daß ich die erste Nacht in meiner Binsenmatte wie ein Klotz schlief und erst am Morgen von dem Trampeln der Füße an Deck erwachte. Ich hatte drei treue Freigelassene bei mir, die außer der Soldatenwache abwechselnd meine Truhen bewachten.