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In Caere hatte ich sogar meine Sklaven bewaffnet, denn ich hatte ihnen viel Gutes getan und durfte ihrer Ergebenheit gewiß sein. Sie enttäuschten mich auch nicht. Othos Soldaten plünderten zwar das Gut und zerschlugen meine Sammlung griechischer Vasen, von deren Wert sie keine Vorstellung hatten, aber sie taten weder Dir noch Claudia etwas zuleide, und das danke ich meinen Sklaven. Es gibt noch genug ungeöffnete Gräber aus alter Zeit in der Erde, und ich kann meine Sammlung noch immer erneuern.

Zum Glück hatten wir gutes Wetter, denn die Herbststürme hatten noch nicht eingesetzt. Ich beschleunigte die Reise so gut es ging, indem ich auf meine Kosten den Rudersklaven zu essen und zu trinken geben ließ, was den Seezenturio reiner Wahnsinn dünkte. Er verließ sich mehr auf die Peitsche und wußte, daß er die Sklaven, die er unterwegs verlor, leicht durch gefangene Juden ersetzen konnte. Ich war andrer Meinung. Ich glaube, man kann sich einen Menschen leichter im Guten gefügig machen als im Bösen. Aber ich bin immer viel zu weichherzig gewesen. Darin bin ich ganz meinem Vater nachgeraten. Erinnere Dich, daß ich Dich nicht ein einziges Mal geschlagen habe, mein widerspenstiger Sohn, obwohl es mich oft wahrhaftig in den Fingern juckte. Doch wie hätte ich einen zukünftigen Kaiser schlagen können!

Zum Zeitvertreib stellte ich während der Seereise viele Fragen über die Flotte. Unter anderem erklärte man mir, warum die Seesoldaten sowohl an Bord als auch an Land barfuß gehen müssen. Ich hatte es bis dahin nicht gewußt, sondern mich nur bisweilen gewundert. Ich dachte, es gehöre irgendwie zur Kunst des Seekriegs.

Jetzt erfuhr ich, daß Kaiser Claudius einst im Amphitheater in Zorn geraten war, als einige Seesoldaten aus Ostia, die einen Sonnenschutz über die Zuschauerbänke spannen mußten, mitten in der Vorstellung plötzlich von ihm forderten, er solle ihnen die Schuhe ersetzen, die sie auf dem Wege abgenutzt hatten. An diesem Tage verbot Claudius das Tragen von Schuhen in der gesamten Flotte, und sein Befehl wird seither treu befolgt. Wir Römer achten die Überlieferung. Ich sprach später mit Vespasian darüber, aber er meinte, es sei das beste, die Seeleute gingen auch weiterhin barfuß. Es habe ihnen bisher nicht geschadet, und nun hätten sie sich auch schon daran gewöhnt. »Die Flotte verschlingt ohnehin schon zuviel Geld«, sagte er. »Warum sollten wir zusätzliche Ausgaben schaffen?« So kommt es, daß die Seezenturionen es noch, immer als eine Ehre betrachten, barfuß zum Dienst an Bord der Schiffe zu gehen, obwohl sie gern weiche Paradestiefel tragen, wenn sie Landurlaub haben.

Ein schwerer Stein fiel mir vom Herzen, als ich meine kostbaren Truhen, nachdem sie so lange den Gefahren des Meeres ausgesetzt gewesen, einem bekannten Bankier in Caesarea in Verwahrung geben konnte. Die Bankiers müssen sich einer auf den anderen verlassen können, denn sonst wäre es nicht möglich, in großem Maßstab und über weite Strecken Handel zu treiben. Ich vertraute diesem Mann, obwohl ich ihn nicht persönlich, sondern nur aus Briefen kannte. Sein Vater war jedoch einst der Bankier meines Vaters in Alexandria gewesen. Auf diese Weise waren wir sozusagen alte Geschäftsfreunde.

Caesarea war zudem vor Unruhen sicher, denn die griechische Bevölkerung der Stadt hatte die Gelegenheit benutzt, alle Juden, Frauen und Wickelkinder mitgerechnet, zu erschlagen. Die Stadt bot ein durchaus friedliches Bild, wenn man von dem regen Schiffsverkehr und den bewachten Maultierkarawanen absah, die die Legionen vor Jerusalem mit Nachschub versorgten. Joppe und Caesarea waren Vespasians wichtigste Stützhäfen.

Auf dem Wege ins Kriegslager sah ich, wie hoffnungslos die Lage für die noch verbliebene jüdische Bevölkerung war. Auch die Samariter hatten sich eingemischt und reinen Tisch gemacht. Die Legionäre ihrerseits unterschieden nicht zwischen Galiläern und Samaritern oder Juden ganz allgemein gesprochen. Das fruchtbare Galiläa mit seiner Millionenbevölkerung war zum bleibenden Schaden für das Römische Reich verwüstet. Es gehörte allerdings genaugenommen nicht uns, sondern war um alter Freundschaft willen Herodes Agrippa überlassen worden.

Ich kam darauf zu sprechen, sobald ich bei Vespasian und Titus eintraf. Sie empfingen mich sehr herzlich, weil sie neugierig waren, zu hören, was in Gallien und Rom vorging. Vespasian erklärte mir, daß die Legionäre über den zähen Widerstand der Juden erbittert waren und schwere Verluste durch Aufständische erlitten hatten, die die Straßen von den Bergen herunter angriffen. Er war daher gezwungen gewesen, den Befehlshabern weitgehende Vollmachten zu gewähren und ihnen zu gestatten, auf ihre Weise den Frieden im Lande herzustellen. Soeben war eine Strafexpedition zu einem der bewaffneten Stützpunkte der Juden am Toten Meer unterwegs. Pfeile waren von dessen Turm abgeschossen worden, und sicheren Angaben zufolge hatten verwundete Aufständische dort Zuflucht gefunden.

Ich hielt ihnen einen kleinen Vortrag über den Glauben und die Sitten und Gebräuche der Juden und erklärte, daß es sich hier offensichtlich um eines der geschlossenen Häuser der Sekte der Essener handelte, wohin sie sich zur Ausübung ihres Glaubens zurückziehen, weil sie die Tempelsteuer nicht zahlen wollen. Die Essener fliehen die Welt und sind eher Feinde denn Freunde Jerusalems. Es bestand daher kein Grund, sie zu verfolgen.

Sie wurden von den Stillen im Lande unterstützt, die sich nicht mit Leib und Seele dem Glauben verschreiben konnten oder wollten, sondern es vorzogen, bei ihren Familien ihr bescheidenes Dasein zu fristen, ohne jemandem zu schaden. Nahm sich einer dieser Stillen im Lande eines verwundeten Aufständischen an, der bei ihm Schutz suchte, und gab er ihm Speise und Trank, so tat er es, um die Gebote seines Glaubens zu erfüllen, und nicht weil er auf der Seite der Aufrührer stand. Meine Reisebegleiter hatten mir erzählt, daß die Stillen im Lande sogar verwundete römische Legionäre aufgenommen und gepflegt hatten. Daher fand ich, man dürfe sie nicht ohne Ursache töten.

Vespasian brummte, in meinen jungen Jahren in Britannien hätte ich nicht so viel von wirklicher Kriegführung verstanden. Deshalb habe er mich lieber auf eine Vergnügungsreise kreuz und quer durchs ganze Land geschickt und mir mehr aus politischen Gründen, da nämlich mein Vater Senator geworden war, den Kriegstribunenrang verliehen als um meiner eigenen Verdienste willen. Es gelang mir jedoch, ihn davon zu überzeugen, daß es nicht dafürstand, die jüdische Landbevölkerung auszurotten, nur weil sie Verwundete pflegte.

Titus hielt zu mir, denn er war in Berenike, die Schwester des Herodes Agrippa verliebt und daher den Juden gewogen. Berenike lebte zwar, wie es bei den Herodiern Brauch war, in Blutschande mit ihrem Bruder, aber Titus meinte, man müsse eben versuchen, die jüdischen Sitten zu verstehen. Er schien zu hoffen, Berenikes närrische Liebe zu ihrem Bruder werde erkalten, und sie werde ihn in seinem bequemen Zelt besuchen, zumindest nachts, wenn niemand sie sah. In diese Sache mochte ich mich nicht einmischen.

Vespasians geringschätzige Worte über meine Reise in Britannien kränkten mich zutiefst. Deshalb sagte ich, wenn er nichts dagegen habe, wäre ich gern bereit, eine ähnliche Vergnügungsreise in die Stadt Jerusalem zu unternehmen, um mir die Verteidigungswerke der Stadt anzusehen und auszukundschaften, ob es nicht doch die eine oder andere schwache Stelle in der Verteidigungsbereitschaft der Juden gebe.

Es war wichtig zu wissen, wie viele verkleidete parthische Krieger sich in der Stadt befanden und die Schanzarbeiten leiteten. Die Parther hatten in Armenien genug Erfahrungen sammeln können, wie man eine Stadt belagert oder ihre Mauern verteidigt. Jedenfalls befanden sich in Jerusalem parthische Bogenschützen, denn es war nicht ratsam, sich den Mauern auf Schußweite zu nähern, und daß die ungeübten Juden plötzlich eine solche Treffsicherheit mit dem Bogen erlangt hätten, das konnte nicht einmal ich in meiner Unerfahrenheit in militärischen Dingen annehmen.

Mein Vorschlag machte Eindruck auf Vespasian. Er betrachtete mich blinzelnd, fuhr sich mit der Hand über den Mund, lachte laut auf und sagte, er als Oberbefehlshaber könne es nicht verantworten, daß ein römischer Senator sich einer so großen Gefahr aussetzte, sofern ich nicht ohnehin nur gescherzt hätte. Wenn man mich gefangennahm, konnten die Juden ihn erpressen. Kam ich auf schimpfliche Weise ums Leben, so war es eine Schande für ganz Rom und ihn dazu. Nero könnte zudem auf den Einfall kommen, daß er, Vespasian, absichtlich die persönlichen Freunde des Kaisers beseitigen wolle.