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Vespasian glaubte mir sofort und war nicht einmal so erstaunt, wie ich erwartet hatte. Er kannte Deine Mutter Claudia schon aus der Zeit, da Kaiser Caligula sie seine Base nannte, um seinen Onkel Claudius zu ärgern. Um sich das Verwandtschaftsverhältnis klarzumachen, rechnete Vespasian an den Fingern und sagte: »Dein Sohn ist also ein Enkel des Claudius, nämlich der Sohn seiner Tochter. Claudius war seinerseits ein Neffe des Kaisers Tiberius, nämlich der Sohn von dessen Bruder. Der Bruder des Tiberius aber hatte Antonia zur Gattin, die jüngere Tochter Octavias – der Schwester des Gottes Augustus – und des Marcus Antonius. Octavia und der Gott Augustus waren Kinder der Nichte Julius Caesars. Im Grunde ist der Kaiserthron ständig in der weiblichen Linie weitervererbt worden. Neros Vater war der Sohn der älteren Tochter des Marcus Antonius. Sein Erbrecht war daher ebensogut wie das des Claudius, obwohl Claudius dann der Form halber Nero adoptierte, als er sich mit seiner Nichte vermählte. Das Erbrecht deines Sohnes ist ohne Zweifel ebenso gültig wie das dieser anderen. Was willst du also?«

Ich erwiderte: »Ich will, daß mein Sohn zu dem besten und edelsten Herrscher heranwächst, den Rom je erblickt hat. Ich zweifle nicht einen Augenblick daran, daß du, Vespasian, ihn in deiner Gerechtigkeit als den rechtmäßigen Erben anerkennen wirst, wenn die Stunde gekommen ist.«

Vespasian dachte lange mit gefurchter Stirn und halb geschlossenen Lidern nach. Er strich sich über die Wangen und fragte schließlich: »Wie alt ist dein Sohn?«

»Er wird im nächsten Herbst fünf«, antwortete ich stolz.

»Dann hast du es ja nicht so eilig«, sagte Vespasian erleichtert. »Nehmen wir an, die Götter geben mir noch zehn Jahre, um die Herrscherlast zu tragen und die Angelegenheiten des Staates ein wenig in Ordnung zu bringen. Dein Sohn legt dann gerade erst die Toga an. Titus hat seine schwachen Seiten, und seine Verbindung mit Berenike macht mir große Sorge, aber im allgemeinen wächst ein Mann an seiner Aufgabe. In zehn Jahren ist Titus über vierzig und ein reifer Mann. Meiner Meinung nach hat er ein gutes Recht auf den Kaiserthron, sofern er sich nicht mit Berenike vermählt. Das wäre verhängnisvoll. Eine Jüdin als kaiserliche Gemahlin ist undenkbar, und wäre sie auch aus des Herodes Geschlecht. Wenn Titus aber Vernunft annimmt, wirst du wohl in aller Freundschaft erlauben, daß er seine Zeit herrscht. Indessen wird dein Sohn zum reifen Mann und sammelt seine Erfahrungen im Amt. Mein zweiter Sohn Domitian taugt nicht zum Kaiser. Der bloße Gedanke erschreckt mich. Ich habe es, um die Wahrheit zu sagen, immer bereut, daß ich ihn aus Versehen, in angetrunkenem Zustand, zeugte, als ich zu Besuch in Rom Weilte. Seit der Geburt des Titus waren ja zehn Jahre vergangen, und ich hätte nicht geglaubt, daß meinem Ehebett noch einmal ein frischer Trieb entsprießen würde. Es würgt mich in der Kehle, wenn ich an Domitian denke. Ich mag nicht einmal einen Triumph feiern, weil ich ihn dazu mitnehmen müßte.«

»Du mußt einen Triumph feiern, wenn Titus Jerusalem erobert hat«, sagte ich beunruhigt. »Du würdest die Legionäre bitter kränken, wenn du ihnen nach den großen Verlusten, die sie im Judenkrieg erlitten haben, keinen Triumph gönntest.«

Vespasian seufzte schwer und sagte: »So weit voraus habe ich noch gar nicht gedacht. Ich bin zu alt, um die Treppe zum Kapitol hinaufzukriechen. Der Rheumatismus, den ich mir in Britannien geholt habe, schmerzt immer ärger in meinen Knien.«

»Ich könnte dich auf der einen Seite stützen, und Titus auf der andern«, sagte ich. »Es ist am Ende gar nicht so beschwerlich, wie es aussieht.«

Vespasian warf mir einen Blick zu und lächelte verschmitzt. »Was würde das Volk denken! Aber, beim Herkules, ich hätte lieber dich an meiner Seite als Domitian, diesen sittenlosen, krumm gewachsenen Lügenhals!«

Das sagte er, lange bevor er von dem Sieg bei Cremona, der Belagerung des Kapitols und dem feigen Verhalten Domitians erfuhr. Um das Andenken seiner Großmutter zu ehren, mußte Vespasian später Domitian dann doch im Triumphzug hinter Titus mitreiten lassen, aber er gab ihm ein Maultier zu reiten. Das Volk verstand die Anspielung.

Nachdem wir die Frage der Thronfolge als vernünftige Men- sehen in freundschaftlichem Einvernehmen von allen Seiten beleuchtet hatten, ging ich bereitwillig auf seinen Vorschlag ein, daß Titus nach ihm und vor Dir regieren solle, wenngleich ich von Titus eine weit geringere Meinung hatte als sein Vater. Seine Geschicklichkeit im Fälschen von Handschriften ließ mich an seinem Charakter zweifeln. Aber Väter sind blind.

Sobald Vespasian seine Macht in Rom gefestigt hatte, eroberte Titus auf seinen Befehl Jerusalem. Die Zerstörung der Stadt war wirklich so entsetzlich, wie sie Flavius Josephus beschreibt. Die Beute war aber auch danach, und ich wurde für meine Auslagen reichlich entschädigt. Titus hatte den Tempel eigentlich nicht zerstören wollen. Das hatte er Berenike im Bett geschworen. Während der Kämpfe war es jedoch unmöglich, die Ausbreitung des Brandes zu verhindern. Die ausgehungerten Juden zogen sich erbittert kämpfend von Haus zu Haus, von Keller zu Keller zurück, so daß die Legionäre, die geglaubt hatten, sie brauchten die Stadt nur zu besetzen, schwere Verluste erlitten.

Mich kann bald jeder, der will, zu Pferde auf den Reliefs des Triumphbogens abgebildet sehen, den wir auf dem Forum zu errichten beschlossen. Anfangs fiel es Vespasian allerdings nicht ein, daß auch ich mir das Triumphzeichen verdient hatte, an dem mir um Deinetwillen so viel lag. Ich mußte ihm immer wieder beweisen, daß ich während der Belagerung der Nächsthöchste nach ihm gewesen war und daß ich mich furchtlos den Pfeilen und Wurfsteinen der Juden ausgesetzt hatte und sogar am Fuß verwundet worden war.

Erst als Titus edelmütig ein Wort für mich einlegte, gestand mir Vespasian das Triumphzeichen zu. Er hatte mich nie als Krieger im eigentlichen Sinne des Wortes betrachtet, weil ich an der Belagerung und Eroberung Jerusalems so viel verdiente. Die Senatoren, die zur Zeit ein Triumphzeichen besitzen, kann man an den Fingern einer Hand aufzählen, und einige von uns haben ihr Zeichen ohne eigenes Verdienst erhalten, um es einmal zu sagen, wie es ist.

Nachdem er als Triumphator die Treppe zum Kapitol hinaufgekrochen war, füllte Vespasian einen Korb mit Schutt von der Tempelruine und trug ihn auf seinen Schultern in das Tal hinunter, das aufgefüllt werden sollte. Er tat dies, um dem Volk seine Frömmigkeit und Demut zu zeigen und ihm mit gutem Beispiel voranzugehen. Von uns erwartete er, daß wir uns finanziell am Wiederaufbau des Jupitertempels beteiligten.

Er hat auch aus allen Teilen der Welt Abschriften von alten Gesetzen, Verordnungen, Verträgen und Sonderrechten seit der Gründung der Stadt herbeischaffen lassen. An die dreitausend solche Bronzetafeln hat er bisher gesammelt, und er verwahrt sie als Ersatz für die bei dem großen Brand geschmolzenen im neuen Gebäude des Staatsarchivs.

Soviel ich weiß, hat er ihnen nichts von eigener Hand hinzugefügt, obwohl er Gelegenheit gehabt hätte, seine Abstammung von Vulcanus selbst herzuleiten, wenn ihm darum zu tun gewesen wäre. Er begnügt sich aber noch immer mit dem verbeulten Silberbecher seiner Großmutter. Während ich dies schreibe, hat er nun das zehnte Jahr als Kaiser geherrscht, und wir bereiten uns darauf vor, seinen siebzigsten Geburtstag festlich zu, begehen. Ich selbst bin in zwei Jahren fünfzig und fühle mich erstaunlich jugendlich dank der Pflege, dem Gesundheitswasser und einem weiteren Umstand, der daran schuld ist, daß ich mich nun gar nicht mehr beeile, von hier fortzukommen, sondern die Niederschrift meiner Erinnerungen in die Länge ziehe, wie Du vielleicht schon bemerkt haben wirst.

Die Ärzte haben mir schon vor einem Monat erlaubt, nach Rom zurückzukehren, aber ich danke Fortuna, daß ich diesen Frühling erleben durfte. Ich fühle mich so sehr verjüngt, daß ich mir unlängst mein Lieblingspferd bringen ließ, um wieder zu reiten, obwohl ich mich seit Jahren damit begnügte, bei den Umzügen mein Pferd am Zügel zu führen. Dank der Verordnung des Claudius ist das noch immer gestattet, und wir alternden Männer machen von der Erlaubnis gern Gebrauch, weil wir leider immer schwerer werden.