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Der Herr sprach zu seinem Knecht: »Du guter und treuer Knecht, geh ein in die Freude deines Herrn.« Das finde ich schön gesagt, obwohl ich für mich selbst nichts dergleichen erhoffen darf. Aber Jesus von Nazareth hat eine eigentümliche Art, einen geschwind aufs Ohr zu schlagen, sowie man etwas zu wissen glaubt. Kaum eine Woche war vergangen, seit ich mich vor den beiden Sophisten damit gebrüstet hatte, ich würde nie um etwas beten, da flehte ich ihn in meinen Schmerzen auch schon inniglich an, er möge meine Blutung stillen, ehe ich verblutete. Die besten Ärzte Roms vermochten mir nicht zu helfen. Mein Leiden heilte jedoch von selbst. Hier in diesem Kurort, wo ich fleißig Wasser trinke, fühle ich mich gesünder und froher als je in den letzten zehn Jahren. Ich habe sogar die sonderbare Gewißheit, daß ich noch für irgendeinen Zweck gebraucht werde, obwohl ich nichts gelobt habe. Noch ein paar Worte über das helläugige Mädchen, das meine Gesellschaft war und mir so viel Freude schenkte, daß mir bei seinem bloßen Anblick das Herz schmolz. Ich begriff anfangs nicht, warum ich ihr schon begegnet zu sein glaubte. So wohlbekannt erschien mir alles an ihr, sogar ihre kleinsten Bewegungen. In meiner Einfalt gab ich ihr ein Stück von Antonias Seife und ein Fläschchen von dem Parfüm, das Antonia verwendet hatte. Ich fand, sie erinnerte mich auf unbestimmte Art ein wenig an Antonia, und hoffte, der bekannte Duft der Seife und des Parfüms würde der Ähnlichkeit nachhelfen.

Es geschah aber gerade das Gegenteil. Ich bemerkte, daß diese betäubenden Düfte nicht zu ihrem frühlingsfrischen Wesen paßten. Sie störten mich nur. Als ich sie dann aber küßte und ihre Augen dunkel werden sah, da erblickte ich in ihrem Gesicht das Gesicht Antonias, aber auch die Züge Lugundas und, was das Wunderlichste von allem war, das Gesicht Deiner Mutter Claudia, wie es in ihrer Jugend gewesen war. Und als ich so eine lange Weile ihren Mädchenleib in meinen Armen hielt, ohne ihr etwas antun zu wollen, da erkannte ich in ihr auf merkwürdige Weise alle die Frauen wieder, die ich in meinem Leben am meisten geliebt habe. Ich weiß, daß nach ihr keine Frau mehr mein Leben teilen wird. Ich habe Liebe genug und übergenug erfahren. Mehr soll der Mensch nicht begehren.

Als ich mit eigener Hand diese letzten Zeilen niedergeschrieben hatte, gebot das Schicksal selbst mir, meine Erinnerungen abzuschließen. Vom Senat kam ein Eilbote mit der Nachricht, daß Roms Kaiser Vespasian nahe Raete, der Heimat seines Geschlechts, gestorben ist. So konnte er seinen siebzigsten Geburtstag nicht mehr feiern, aber man sagt, er habe versucht, sich aufzurichten und stehend in den Armen derer, die ihn stützten, zu sterben.

Sein Tod wird noch zwei Tage geheimgehalten, bis Titus in Raete eingetroffen ist. Unsere erste Aufgabe im Senat wird es sein, Vespasian zum Gott auszurufen. Er hat es verdient, denn er war von allen Kaisern Roms der frömmste, selbstloseste, arbeitsamste und gerechteste. Daß er von Plebejern herstammte, ist nicht seine Schuld, und es ist ohne Belang, sobald er ein Gott ist. Als alter Freund will ich seinem Priesterkollegium beitreten, da ich bisher noch kein Priesteramt bekleidet habe. Ich denke an Deine Zukunft, mein lieber Sohn, und muß dieses Verdienst meinen bisherigen hinzufügen. In Eile mit eigner Hand, Dein Vater Minutus Lausus Manilianus.

Drei Monate später, bevor ich diese Aufzeichnungen in einem sicheren Versteck einmauere. Es ist, als ließe mich Fortuna nun im Stich. Der furchtbare Vesuvausbruch hat meine neuerbaute Prachtvilla in Herculanum zerstört, in der ich meine alten Tage unter einem milden Himmel und in guter Gesellschaft zu verbringen gedachte. Oder besteht mein Glück gerade darin, daß ich nicht dazugekommen war, hinzureisen, das Haus zu besichtigen und mit den Baumeistern wegen der Rechnungen zu streiten? Ich wäre vielleicht selbst unter dem Aschenregen begraben worden.

Aber ich fürchte, dieses entsetzliche Ereignis hat eine böse Vorbedeutung für die Regierung des Titus. Ich sage das, obgleich wir Freunde sind und er mir und Dir nur Gutes will. Zum Glück ist er noch in seinen besten Jahren, und man nennt ihn die Freude und das Entzücken der Menschheit. Weshalb, begreife ich nicht recht. Auch Nero wurde in seiner Jugend so genannt.

Gleichwohl glaube ich, daß Titus so gut herrschen und so lange leben wird, daß er alle Ränke des Domitian zunichte machen und Dich eines Tages zu seinem Nachfolger auf dem Thron ernennen kann. Hüte Dich vor Domitian. Was darf man wohl Gutes von einem Mann erhoffen, der sich die Zeit damit vertreibt, lebende Fliegen auf seinen Schreibstift zu spießen wie ein mutwilliger Knabe!

NACHWORT

Minutus Lausus Manilianus, Inhaber eines Triumphzeichens und des Konsulranges, Vorsteher des Priesterkollegiums des Vespasian und römischer Senator, starb unter Kaiser Domitian den qualvollen, aber süßen Tod eines Zeugen Christi im Amphitheater der Flavier, das seiner Säulen wegen Colosseum genannt wird. Mit ihm starben seine jüdische Gattin Claudia und sein Sohn Clemens sowie der Konsul Flavius Titus, ein Vetter Domitians und Sohn des ehemaligen Stadtpräfekten von Rom. Ihrer Herkunft und hohen Stellung wegen wurde ihnen die Ehre bewilligt, vor die Löwen geworfen zu werden.

Der Senator Minutus Manilianus erklärte sich erst in seiner letzten Nacht in den Kerkergewölben unter der Arena des Colosseums bereit, von einem Sklaven, der die Gnadengabe der Taufe besaß und bei derselben Vorstellung sterben sollte, die Taufe der Christen zu empfangen, und noch machte er allerlei Einwände und versicherte, er müsse eher aus politischen Gründen sterben, als um Christi Namen zu verherrlichen.

In letzter Stunde entstand aber unter den Christen ein heftiger Streit darum, wie die Taufe vorzunehmen sei. Es gab unter ihnen solche, die behaupteten, der Täufling müsse unter Wasser getaucht werden, und andere, die meinten, es genüge, Wasser über seinem Haupte auszugießen. Das Amphitheater der Flavier hat, wie wir wissen, vorzügliche Wasserleitungen, doch hauptsächlich für die wilden Tiere und die Gladiatoren. Für die Verurteilten, meint man, genügt ein wenig Trinkwasser, und da es ihrer damals so viele gab, stand jedem nur eine kleine Menge zu. Da bereitete Manilianus dem Streit ein Ende, indem er sagte, ihm genüge es, wenn der Sklave, der die Gnade besaß, ihm auf seinen kahlen Kopf spuckte. Diese Lästerung ließ alle verstummen. Dann aber hielt ihm seine fromme Gattin Claudia vor, daß er, wenn er den Löwen entgegentrat, Christi Barmherzigkeit wegen seines schlechten Lebenswandels, seiner Habgier und seiner Hartherzigkeit mehr als jeder andere nötig habe. Manilianus murmelte, er habe in seinem Leben auch Gutes getan, aber diese Behauptung glaubte ihm keiner, der ihn kannte.

Als er in die Arena hinaus und vor die Löwen trat, geschah ein unerklärliches Gotteswunder. Der älteste der Löwen erwählte ihn zu seinem Opfer, wohl weil er gut genährt war oder vielleicht auch seiner hohen Stellung wegen, obgleich er den breiten roten Streifen nicht mehr trug, sondern wie alle anderen Verurteilten nur in sein Untergewand gekleidet war. Nachdem der Löwe aber an ihm geschnuppert hatte, leckte er ihm ergeben die Hände und die Füße und verteidigte ihn gegen die wütenden Angriffe der anderen Löwen, so daß das Volk auf die Bänke stieg, vor Verwunderung laut zu rufen begann und verlangte, Manilianus solle begnadigt werden. Es rief allerdings nicht Manilianus, sondern gebrauchte einen Spitznamen, den zu wiederholen die Schicklichkeit verbietet.

Als aber der Senator Minutus Manilianus seine Gattin und seinen Sohn, von den Löwen zerrissen, sterben sah, ohne ihnen helfen zu können, trat er, von dem alten Löwen begleitet, vor die Loge des Kaisers, gebot dem Volk mit erhobener Hand zu schweigen und brachte so entsetzliche Anklagen gegen Domitian vor, daß dieser sowohl ihn als auch den für seine Aufgabe untauglichen Löwen augenblicklich durch Bogenschützen töten ließ. Unter anderem behauptete er, Domitian habe seinen Bruder Titus vergiftet und Kaiser Vespasian hätte nie zugelassen, daß er in Rom Kaiser werde.