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Eines schönen Tages legte das Postschiff am Strand von Lummerland an, und der Briefträger sprang mit einem großen Paket unter dem Arm an Land.

„Wohnt hier eine gewisse Frau Malzaan oder so ähnlich?" fragte er und machte ein ganz dienstliches Gesicht, was er sonst nie tat, wenn er die Post brachte.

Lukas schaute Emma an, Emma schaute die beiden Untertanen an, die beiden Untertanen schauten einander an, und sogar der König schaute zum Fenster heraus, obwohl es weder ein Feiertag noch Viertel vor zwölf war.

„Lieber Herr Briefträger", sagte der König ein wenig vorwurfsvoll, „seit Jahren bringen Sie uns nun die Post. Sie kennen mich und meine Untertanen genau, und da fragen Sie plötzlich, ob hier eine Frau Malzaan oder so ähnlich wohnt!"

„Aber bitte, Majestät", antwortete der Briefträger, „lesen Sie doch selbst, Majestät!"

Und er stieg schnell den Berg hinauf und reichte dem König das Paket durchs Fenster hinein.

Der König las die Adresse, dann zog er seine Brille hervor und las die Adresse zum zweitenmal. Da sich aber dadurch nichts änderte, schüttelte er ratlos den Kopf und sprach zu seinen Untertanen:

„Fürwahr, es ist mir einfach unerklärlich, aber hier steht es schwarz auf weiß".

„Was denn?" fragte Lukas.

Der König, der ganz verwirrt war, setzte von neuem seine Brille auf und sagte:

„Also hört, meine Untertanen, wie die Adresse lautet!"

Und er las sie vor, so gut es eben ging.

„Eine kuriose Adresse!" meinte Herr Ärmel, als der König fertig gelesen hatte.

„Ja", rief der Briefträger entrüstet, „man kann sie kaum entziffern, so viele Fehler sind darin. So etwas ist äußerst unangenehm für uns Postboten. Wenn man bloß wüßte, wer das geschrieben hat!"

Der König drehte das Paket um und suchte nach dem Absender. „Hier steht nur eine große 13", sagte er und blickte ratlos den Briefträger und seine Untertanen an.

„Sehr sonderbar!" ließ sich wieder Herr Ärmel vernehmen. „Nun denn", sagte der König entschlossen, „sonderbar oder nicht, XUmmrLanT kann doch nur Lummerland heißen! Es bleibt uns also nichts anderes übrig, jemand von uns muß Frau Malzaan oder so ähnlich sein."

Und befriedigt nahm er seine Brille wieder ab und tupfte sich mit seinem seidenen Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn.

„Ja, aber", rief Frau Waas, „es gibt doch auf unserer ganzen Insel keine dritte Etage."

„Das ist allerdings richtig", sagte der König. „Und eine alte Straße haben wir auch nicht", meinte Herr Ärmel. „Auch das ist leider richtig", seufzte der König bekümmert. „Und eine Nummer 133 haben wir schon gar nicht", fügte Lukas hinzu und schob seine Schirmmütze ins Genick. „Ich müßte das doch wissen, denn schließlich komme ich ja ziemlich viel auf der Insel herum."

„Eigenartig!" murmelte der König und schüttelte versonnen den Kopf. Und alle Untertanen schüttelten die Köpfe und murmelten: „Eigenartig!" „Es könnte ja auch einfach ein Irrtum sein", meinte Lukas nach einer Weile. Aber der König antwortete:

„Vielleicht ist es ein Irrtum, vielleicht ist es aber auch kein Irrtum. Wenn es kein Irrtum ist, dann habe ich ja noch einen Untertan! Einen Untertan, von dem ich gar nichts weiß! Das ist sehr, sehr aufregend!"

Und er lief an sein Telefon und telefonierte vor Aufregung drei Stunden lang ohne Unterbrechung.

Inzwischen beschlossen die Untertanen und der Briefträger, die ganze Insel mit Lukas zusammen noch einmal gründlich abzusuchen. Sie stiegen auf die Lokomotive Emma und fuhren los, und bei jeder Haltestelle pfiff Emma laut, die Passagiere stiegen ab und riefen nach allen Richtungen:

„Frau Maaaaaalzaaaaan! Hier ist ein Pakeeeeet für Sie!"

Aber niemand meldete sich.

„Na gut", sagte der Briefträger endlich, „ich habe jetzt keine Zeit mehr weiterzusuchen, weil ich noch mehr Post austragen muß. Ich lasse Ihnen das Paket einfach mal da. Vielleicht finden Sie Frau Malzaan oder so ähnlich doch noch. Ich komme dann nächste Woche wieder vorbei, und wenn sich niemand gemeldet hat, dann nehme ich das Paket wieder mit."

Damit sprang er auf sein Postschiff und fuhr davon.

Was sollte nun mit dem Paket geschehen?

Die Untertanen und Lukas berieten lange hin und her. Dann erschien der König wieder am Fenster und sagte, er habe inzwischen nachgedacht und telefoniert und sei zu folgendem Entschluß gelangt: Frau Malzaan oder so ähnlich sei ohne Zweifel eine Frau. Die einzige Frau auf Lummerland, aber sei, soweit ihm bekannt wäre, Frau Waas. Also wäre das Paket vielleicht für sie. Jedenfalls gäbe er ihr hiermit die königliche Erlaubnis, das Paket zu öffnen, dann würde man ja wohl bald klarer sehen.

Die Untertanen fanden diese Anordnung des Königs weise, und Frau Waas ging sofort ans Aufmachen.

Sie knüpfte die Schnur auf und faltete das Packpapier auseinander. Da wurde eine große Schachtel sichtbar, die rundherum Luftlöcher hatte wie eine Maikäferschachtel. Frau Waas öffnete die Schachtel und fand darin eine etwas kleinere Schachtel. Die war ebenfalls mit Luftlöchern versehen und gut gepolstert mit Stroh und Holzwolle. Offenbar war etwas Zerbrechliches darin, vielleicht Glas oder ein Radio. Aber wozu dann die Luftlöcher? Schnell hob Frau Waas den Deckel auf und fand darin - wieder eine Schachtel mit Luftlöchern, die war ungefähr so groß wie ein Schuhkarton. Frau Waas öffnete sie, und da lag in der Schachtel - ein kleines schwarzes Baby! Es schaute alle Umstehenden mit großen glänzenden Augen an und schien ziemlich froh zu sein, daß es aus dem ungemütlichen Karton herauskam.

„Ein Baby!" riefen alle überrascht, „ein schwarzes Baby!"

„Das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein", bemerkte Herr Ärmel und machte ein sehr gescheites Gesicht.

„Fürwahr", sprach der König und setzte seine Brille auf, „das ist erstaunlich, sehr erstaunlich!"

Und er nahm seine Brille wieder ab.

Lukas hatte bis jetzt noch nichts gesagt, aber seine Miene hatte sich zusehends verdüstert.

„So eine Gemeinheit ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen!" polterte er nun los. „So ein kleines Kerlchen in einen Karton zu packen! Was da alles hätte passieren können, wenn wir nicht aufgemacht hätten! Na, wenn ich den Burschen, der das gemacht hat, jemals erwische, der bekommt von mir eine Tracht Prügel, an die er sich sein Lebtag lang erinnern wird, so wahr ich Lukas der Lokomotivführer bin!"

Als das Baby hörte, wie Lukas vor sich hin grollte, begann es zu weinen. Es war ja noch viel zu klein, um irgend etwas zu verstehen und glaubte, es würde ausgeschimpft. Außerdem war es auch erschrocken vor dem großen schwarzen Gesicht von Lukas, denn er wußte ja noch nicht, daß es selber auch ein schwarzes Gesicht hatte.

Frau Waas nahm das Kind schnell auf den Arm und tröstete es. Und Lukas stand dabei und machte ein ganz bekümmertes Gesicht, weil er doch das Baby gar nicht hatte erschrecken wollen.

Frau Waas war unbeschreiblich glücklich, denn sie hatte sich schon immer ein Kind gewünscht, für das sie abends kleine Jacken und Hosen nähen konnte. Sie schneiderte nämlich für ihr Leben gern. Und daß das Baby schwarz war, fand sie ganz besonders nett, weil das zu rosa Stoff so hübsch aussah, und Rosa war ihre Lieblingsfarbe.

„Wie soll es denn heißen?" fragte der König plötzlich. „Das Kind muß doch einen Namen haben."

Das war richtig, also begannen alle, angestrengt zu überlegen. Endlich sagte Lukas:

„Ich würde es Jim nennen, denn es wird ein Junge werden."