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Er war stämmig, glatt rasiert und hatte graue Schläfen. Er trug eine Wolljacke, Hirschlederstiefel und einen Päckel, der nicht viel größer war als meiner. Ob im Sattel oder zu Fuß, er strahlte immer eine enorme Würde aus. Seine Miene war freundlich, aber das hatte nicht viel zu bedeuten; seine Miene war fast immer freundlich. »Du bist früh unterwegs, Adam«, sagte er. »Was machst du hier um diese Zeit?«

Ich errötete bis in die Haarspitzen. »Nichts«, sagte ich. Gibt es ein anderes Wort, das so deutlich verrät, was es leugnen will? Unter diesen Umständen war »nichts« geradezu ein Geständnis. »Konnte nicht schlafen«, setzte ich hastig hinzu. »Dachte, ich könnte vielleicht ein Eichhörnchen schießen.« Das würde das Gewehr erklären, das quer über den Sattelknauf geknotet war, und es klang zumindest entfernt plausibel, denn die Eichhörnchen hatten noch nicht ganz aufgehört, Vorräte für die kalten Monate zu bunkern.

»Am Tag vor Weihnachten?«, fragte Ben Kreel. »Und so nahe am Landsitz? Ich hoffe, es kommt den Duncans und Crowleys nicht zu Ohren! Sie wachen eifersüchtig über ihren Wald. Und ich bin sicher, dass sie Gewehrschüsse um diese Zeit nicht mögen. Reiche Leute und Oststaatler schlafen in der Regel noch.«

»Ich habe nicht geschossen«, murrte ich. »Ich hab es mir anders überlegt.«

»Na gut. Klugheit setzt sich durch. Du kehrst in die Stadt zurück?«

»Ja, Sir.«

»Was dagegen, wenn wir zusammen reiten?«

»Überhaupt nicht.« Ich konnte doch nicht ablehnen, egal wie sehr ich mich sehnte, mit meinen Gedanken allein zu sein.

Wir kamen nur langsam voran; der Schnee machte die Pferde vorsichtig — und Ben Kreel schwieg eine Zeit lang. Dann sagte er: »Du brauchst deine Befürchtungen nicht zu verbergen, Adam. Ich glaube, ich weiß, was dich beunruhigt.«

Einen Moment lang hatte ich die schreckliche Idee, Ben Kreel könnte in der Eingangshalle des Personalhauses hinter mir gewesen sein und hätte, wenn auch nur flüchtig, Sam Godwin mit seinen alttestamentarischen Requisiten gesehen. Nicht auszudenken! (Und dann ging mir auf, dass es genau dieser Skandal war, den Sam sein Leben lang gefürchtet hatte: Jude zu sein war noch schlimmer, als der Church of Signs anzugehören, denn in manchen Staaten kann ein Jude, der seinen Glauben praktiziert, mit einer Geldbuße belegt oder sogar mit Gefängnis bestraft werden. Ich wusste nicht, wie das in Athabaska gehandhabt wurde, befürchtete aber das Schlimmste.)

Doch Ben Kreel sprach über die Rekrutierung, nicht über Sam.

»Ich habe das bereits mit anderen Jungen in der Stadt diskutiert«, sagte er. »Du bist nicht der Einzige, Adam, der sich fragt, was das alles zu bedeuten hat, diese ganze militärische Aufregung, und was sich daraus ergeben könnte. Und du bist so etwas wie ein besonderer Fall. Ich habe dich schon länger im Auge. Aus der Ferne sozusagen. Hier, halte mal kurz.«

Wir standen auf einer Klippe oberhalb des River Pine und blickten nach Süden in Richtung Williams Ford.

»Schau dir das an«, sagte Ben Kreel nachdenklich. Er beschrieb mit dem Arm einen Bogen, der nicht nur die aneinandergedrängten Häuser der Stadt meinte, sondern auch die leeren Felder und den dunklen Fluss und die Wasserräder der Mühlen und selbst die Hütten der abhängigen Arbeiter unten in der Niederung. Das Tal schien zweierlei zu sein: etwas Lebendiges, das die spröde Luft der Jahreszeit einund ihre Dämpfe ausatmete — und ein Gemälde, statisch in der stillen blauen Winterluft. So tief verwurzelt wie eine Eiche und so zerbrechlich wie eine gläserne Weihnachtskugel.

»Schau dir das an«, wiederholte Ben Kreel. »Schau dir Williams Ford an, wie es daliegt. Was ist das, Adam? Doch mehr als ein Ort, oder? Es ist eine Lebensweise. Es ist die Summe unserer Anstrengungen. Es ist das, was wir von unseren Vätern bekommen haben und was wir unseren Söhnen geben werden. Dort begraben wir unsere Mütter, und dort werden unsere Töchter ihr Grab finden.« Da war sie schon wieder, die Philosophie; und das, wo ich sie doch nach dem morgendlichen Drama so satthatte. Doch Ben Kreels Stimme floss wie der lindernde Sirup, den Mutter zu verabreichen pflegte, wann immer Flaxie oder ich einen Husten hatten. »Jeder Junge in Williams Ford — jeder, der alt genug ist, sich zum Dienst an der Waffe zu melden — entdeckt mit einem Mal, wie sehr es ihm gegen den Strich geht, den einzigen Platz zu verlassen, den er wirklich kennen- und liebengelernt hat. Das gilt auch für dich, Adam.«

»Ich bin nicht mehr und nicht weniger bereit als die anderen.«

»Ich stelle nicht deinen Mut oder deine Loyalität infrage. Es geht nur darum, dass du eine kleine Kostprobe davon bekommen hast, wie es sich woanders leben ließe — stelle ich mir zumindest vor, je nachdem, wie sehr du dich auf Julian Comstock eingelassen hast. Nun, ich bin überzeugt, Julian ist ein fabelhafter junger Mann und ein vorzüglicher Christ. Wie anders könnte es sein bei einem Neffen des Mannes, in dessen Hand das Geschick der Nation liegt. Aber er hat ganz andere Erfahrungen gemacht als du. Er kennt sich mit Großstädten aus — er ist an Filme gewöhnt, wie den, den wir letzte Nacht im Gemeindesaal gesehen haben (Ich hab dich kurz gesehen? Ganz hinten, nicht wahr?) —, gewöhnt an Bücher und Ideen, die vielleicht einem jungen Menschen mit deinem Hintergrund besonders aufregend erscheinen, aufregend und, nun ja, anders eben. Habe ich Recht?«

»Ich müsste lügen, wenn ich Nein sage, Sir.«

»Und vieles, was Julian dir erzählt hat, ist zweifellos richtig. Ich bin selbst ein wenig herumgekommen, Adam. Ich war in Colorado Springs, Pittsburgh — sogar in New York City. Unsere östlichen Großstädte sind prächtige, stolze Metropolen — sie gehören zu den größten und produktivsten der Welt —, und es lohnt sich, sie zu verteidigen, ein Grund mehr, weshalb wir solche Anstrengungen unternehmen, die Deutschen aus Labrador zu vertreiben.«

»Sie haben bestimmt Recht, Sir.«

»Ich bin froh, dass du das auch so siehst. Denn es gibt eine Falle, in die gewisse junge Leute hineintappen. Ich weiß, wovon ich rede. Ein Junge könnte auf die Idee kommen, fortzulaufen und eine dieser prächtigen Großstädte aufzusuchen, um allen Pflichten und Obliegenheiten zu entkommen, die er zu Hause gelernt hat. Simple Dinge wie Glaube und Patriotismus können einem jungen Mann lästig werden, so dass er sie eines Tages, wenn sie ihm zu lästig werden, einfach abschüttelt.«

»So bin ich nicht, Sir«, sagte ich, obwohl ich das Gefühl hatte, mit jedem Wort gemeint zu sein.

»Und da ist noch ein Punkt, der Erwähnung verdient. Die Einberufung droht dich aus Williams Ford hinauszutragen; und viele Jungen denken, wenn ich schon gehen muss, warum dann nicht auf eigene Faust; warum nicht meine Bestimmung in den Straßen einer Großstadt suchen, statt in einem Bataillon der Athabaska Brigade … und du tust gut daran, dich diesem Gedanken zu verweigern, Adam, aber du wärst kein Mensch, wenn er dir fremd wäre.«

»Nein, Sir«, murrte ich und fühlte mich immer schuldiger, denn ich war tatsächlich ein bisschen verführt worden durch Julians Geschichten über das Großstadtleben und Sams dubiosen Unterricht und von A History of Mankind in Space — vielleicht stimmte es, dass ich meine Verpflichtungen gegenüber der Stadt vernachlässigt hatte, die da so still und einladend im blauen Dunst lag.

»Ich weiß«, sagte Ben Kreel, »es war nicht leicht für deine Familie. Das Bekenntnis deines Vaters war eine Prüfung der besonderen Art, und wir haben uns nicht immer wie gute Nachbarn verhalten — ich spreche hier im Namen der ganzen Stadt. Vielleicht bist du übergangen worden, wenn es um Aktivitäten ging, an denen andere Jungen wie selbstverständlich ihre Freude hatten: Picknick, Spiel, Freundschaften … na ja, selbst Williams Ford ist kein Paradies. Aber ich verspreche dir, Adam: Wenn du erst in der Brigade bist und dich im Kampf bewährt hast, wirst du entdecken, dass dieselben Jungen, die dich in den staubigen Straßen deiner Heimatstadt gemieden haben, deine besten Freunde und tapfersten Kameraden werden. Denn unser gemeinsames Erbe verbindet uns auf mancherlei Weise — was uns im Alltag fragwürdig erscheint, gibt sich erst im grellen Licht des Gefechts zu erkennen.«