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»In diesem Gebäude gibt es Dinge, die viel, viel wertvoller sind. Autoren und Texte aus der Blütezeit des Öls und älter. Denk nur an die vom Dominion gebilligte Literatur, mit der wir groß wurden, Adam, die ganze Frömmelei des 19. Jahrhunderts, die der Klerus so bewundert — Susan Warner und Mrs. Eckerson und Elijah Kellog und wie sie alle heißen —, aber die Lesehefte des Dominions kennen keinen Hawthorne aus dieser Epoche oder einen Melville oder Southworth, nur um ein paar zu nennen. Und was das 20. Jahrhundert angeht, da gibt es eine ganze Welt, die man uns verwehrt hat — wissenschaftliche und technische Dokumente, die Arbeiten unvoreingenommener Historiker, Romane, in denen die Menschen in Flugzeugen fliegen und wie Seeleute fluchen … Weißt du, was wir im Keller gefunden haben, Adam?«

»Nein, keine Ahnung.«

»Filme!« Er grinste. »Mindestens ein Dutzend — Filme auf Zelluloid in Blechdosen, aus der Zeit der Säkularen Alten!«

»Ich dachte, kein einziger hätte überdauert.«

»Dachte ich auch, bis wir die Dosen aufgemacht haben.«

»Hast du schon einen laufen lassen?«

»Noch nicht. Sie sind brüchig, und sie laufen nicht auf den einfachen Projektoren, die wir heute benutzen. Aber ich habe eine Gruppe von Technikern darauf angesetzt, sie für die Nachwelt zu kopieren oder sie wenigstens in eine Form zu bringen, dass man sie leichter abspielen kann.«

Alles hier war herrlich und einschüchternd. Ich nahm Bücher aus den Regalen und drehte und wendete und öffnete sie ehrfürchtig, wobei ich mir völlig im Klaren war, dass sie mit Wohlwollen, wenn überhaupt, dann zuletzt vor dem Niedergang der Städte betrachtet worden waren … Später sollte Julian mir noch ein anderes Buch überlassen, das er mir aus den Dubletten des Archivs herausgesucht hatte, und zwar den Kurzroman The Time Machine von Mr. H. G. Wells über ein fantastisches, aber offensichtlich unmögliches Gefährt, das einen Menschen in die Zukunft tragen kann — und das faszinierte mich —, dabei war das Archiv selbst eine Zeitmaschine, in jeder Hinsicht, nur nicht dem Namen nach. Hier lagen Stimmen wie gepresste Blumen zwischen verfärbtem Papier konserviert und flüsterten einem neuen Jahrhundert lauter Ketzereien ins Ohr.

Es war dunkel, als wir das Archiv verließen, und ich war benommen von dem, was ich gesehen hatte. Wir schwiegen eine Zeit lang, während uns die Kutsche und ihre bewaffnete Eskorte über den Broadway zurück aufs Palastgelände brachte. Ich hatte darüber nachgedacht, was Julian über die Filme gesagt hatte, und mir fiel wieder das Projekt ein, von dem er mit so viel Leidenschaft reden konnte: The Life and Adventures of the Great Naturalist Charles Darwin. »Wie sieht es mit deinem Film aus, Julian?«, fragte ich. »Hast du ein bisschen Boden gewonnen?« Er hatte viel um die Ohren als Präsident, doch in seiner Freizeit, hatte er mir gestanden, denke er viel über sein Projekt nach, das nun, da ihm alle Türen offen stünden, in greifbare Nähe gerückt sei. Er habe angefangen, das Drehbuch zu schreiben.

Doch diesmal machte er Ausflüchte. »Bestimmte Dinge sind sperrig und lassen sich nicht so leicht ausarbeiten. Details der Handlung und dergleichen. Das Drehbuch ist wie ein Pferd mit einem Nagel im Huf — es ist nicht tot, aber es kommt nicht vom Fleck.«

»Was genau sind deine Probleme?«

»Ich mache Darwin zur Hauptperson, und wir erleben, wie er als Kind von Käfern fasziniert ist, und wie er davon redet, dass alles, was lebt, miteinander verwandt ist, und dann besteigt er ein Schiff und fährt los, um sich Finken anzusehen …«

»Finken?«

»Wie die Schnäbel geformt sind und solche Sachen, was ihn zu gewissen Erkenntnissen über Vererbung und Umgebung kommen lässt. Das ist alles wichtig und richtig, aber es fehlt …«

»Das Dramatische«, schlug ich vor.

»Das Dramatische, gut möglich.«

»Das Schiff ist schon mal gut. Ein Schiff ist immer gut.«

»Ich kann das Herz nicht finden, die pochende Mitte. Was ich zu Papier bringe, lebt nicht.«

»Vielleicht kann ich dir ja helfen.«

»Danke, Adam, nein. Wenn es irgend geht, möchte ich das alleine durchziehen.«

Wenn es auch dem cineastischen Projekt des Präsidenten an Dramatik mangelte, sein Alltag litt nicht unter dieser Mangelerscheinung — Julians Beziehungen zum Dominion im Allgemeinen und zu Diakon Hollingshead im Besonderen wurden von Tag zu Tag feindseliger.

Sam meinte, Julian breche einen Krieg vom Zaun, den er so nicht gewinnen könne. Das Dominion habe eine undurchsichtige Vergangenheit und eine dicke Brieftasche, und Julian sei gut beraten, sich beim Senat einzuschmeicheln und sich der gesamten Armee zu versichern, bevor er mit Colorado Springs in den Ring steige.

Das waren langfristige Sorgen; was uns mehr auf den Nägeln brannte, war die bedrohliche Lage von Calyxa. Die Beschlagnahmung des Dominion-Archivs hatte nicht dazu geführt, dass Calyxas Hausarrest aufgehoben wurde, und auch Julian schien nicht mehr gewillt, sein Pfand aus der Hand zu geben, nicht einmal, wenn ein solcher Handel spruchreif gewesen wäre. Doch er wurde nicht müde zu versichern, dass Calyxa in Sicherheit sei; und etwas anderes konnte ich mir auch nicht vorstellen, denn es hätte einer Volkserhebung bedurft, bevor das Dominion auf das Gelände des Regierungspalasts eindringen konnte, um Calyxa in Gewahrsam zu nehmen. Aller Wahrscheinlichkeit nach, meinte Julian, würde Diakon Hollingshead nicht einmal eine gerichtliche Vorladung erwirken; und wenn doch, wollte Julian das Verfahren niederschlagen lassen.

Julian zeigte mit einem Mal größeres Interesse an den Vorkommnissen, die zur Verhängung der ekklesiastischen Quarantäne geführt hatten. »Die Kirche, in der du aufgegriffen wurdest«, fragte er Calyxa, »ist sie noch geöffnet, oder hat Hollingshead sie geschlossen?«

Die hiesigen Parmentieristen, mit denen Calyxa sich angefreundet hatte, hielten sie nach wie vor auf dem Laufenden. Sie saß auf dem Sofa im Gästehaus (das war an einem stürmischen Abend, spät im März), das Umstandskleid, das Mrs. Comstock ihr besorgt hatte, spannte sich über dem vorgewölbten Bauch. Ich fand, sie sah glückselig aus mit ihrem Heiligenschein aus lauter Löckchen; immer wenn ich sie so ansah, musste ich still lächeln.[95]

»Die Liegenschaft wurde beschlagnahmt und zur Versteigerung angeboten«, sagte sie. »Aber Pastor Stepney konnte sich seiner Verhaftung entziehen. Die Church of the Apostles etc. versammelt sich jetzt an anderer Stelle … es sind andere Mitglieder, da die erste Gemeinschaft noch hinter Gittern ist.«

»Diese Kirche macht mich neugierig. Vielleicht wäre es ratsam, sich näher damit zu befassen, weil das ein Licht darauf werfen könnte, was Hollingshead noch vorhat.«

»Stepney scheint ein guter Mensch zu sein«, bemerkte Mrs. Comstock, »obwohl ich ihn nur aus der Entfernung gesehen habe. Ich war beeindruckt von ihm, trotz seiner radikalen Ideen.«

(Sie sagte das, obwohl sie wusste, dass ihre Worte jemand anderen, der auch bei uns zu Besuch war, verletzen mussten. Sie musterte Sam ein paarmal von der Seite, um seine Reaktion zu prüfen. Ich glaube, sie fand es amüsant.)

»Ich könnte euch hinbringen«, sagte Calyxa, »wenn ich mich frei in der Stadt bewegen könnte.«

Sie stand viel zu kurz vor der Entbindung, als dass so etwas noch infrage gekommen wäre, und Julian lehnte rasch ab. Dann sagte Mrs. Comstock: »Nun, ich zum Beispiel würde mich freuen, diesen Pastor näher kennenzulernen. Vielleicht kann ich mitkommen, Julian, wenn Calyxa so nett ist und uns die Adresse gibt.«

»Das fehlt uns noch«, knurrte Sam, »dass sie dich zum zweiten Mal aufgreifen. Meinen Segen hast du nicht.«

»Ich habe dich nicht um deinen Segen gebeten«, sagte Mrs. Comstock steif.

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Sie reagierte nicht immer eben freundlich, denn ein Kind auszutragen ist so beschwerlich, dass man schon mal die Faxen dicke hat.