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Dann kam Mr. Easton die Treppe heruntergehumpelt, einen Krückstock in der einen Hand und Charles Darwin in der anderen. Das Alter machte ihn ein wenig unsicher, und Mrs. Robson sprang ihm zur Seite und schimpfte, weil er die Treppe ohne Hilfe herunterkam.

»Nur keine Aufregung«, sagte er zu seiner Tochter. »Ich arbeite für den Präsidenten. Mr. Hazzard, Sie haben die Arbeit Ihres Freundes ganz richtig beurteilt. Sie ist offensichtlich ernsthaft und gut recherchiert, lässt aber bestimmte Elemente vermissen, die unerlässlich sind für jede erfolgversprechende Filmproduktion.«

»Und welche Elemente sind das?«, fragte ich.

»Lieder«, sagte er entschieden. »Und ein Schurke. Und, wenn irgend möglich, Piraten.«

Ich wollte Julian so schnell wie möglich wissen lassen, dass der berühmte Schriftsteller Mr. Charles Curtis Easton eingewilligt hatte, ihm bei der Ausarbeitung des Drehbuchs zu helfen — doch im Gästehaus bei Calyxa und Flaxie wartete ein Telegramm auf mich.

Ich hatte noch nie ein Telegramm bekommen. Ich erschrak, als ich es sah, und ahnte nichts Gutes.

Meine Ahnung wurde zur Gewissheit. Das Telegramm kam von Williams Ford. Meine Mutter hatte es geschickt.

Lieber Adam, Vater schwer krank. Schlangenbiss. Komm, wenn Du kannst.

Ich packte sofort und besorgte mir ein Ticket für den Schnellzug; doch er starb, noch ehe ich Athabaska erreichte.

5

Der Zug schien durch halb Amerika zu rollen an diesem Vierten Juli — vorbei an blühenden Städtchen und vielen, die verwaist waren, an weiten Landgütern, auf denen halbnackte Abhängige arbeiteten, vorbei an unzähligen Halden, Kippen und Ruinen in einen Sonnenuntergang hinein, der wie ein ersterbendes Kohlefeuer glühte, und weiter in die Prärienacht hinaus. Es wurde kein Feuerwerk abgebrannt, im Speisewagen kam es zu einer improvisierten Feier, an der ich nicht teilnahm. Ich schlief, bis der Mond aufging. Spät am nächsten Tag passierte der Zug die Staatsgrenze von Athabaska, die Landschaft war durchsetzt von gigantischen Gruben, wo die Säkularen Alten die teerige Erde abgebaut und aufgeschwemmt hatten, um das Öl abzuschöpfen. Ich sah eine uralte Maschine von der Größe einer Kathedrale, das verrostete Fahrwerk eingebettet in verschorften und verkalkten Schlamm. Wo immer wir offenes Gewässer passierten, stoben scharenweise Gänse und Krähen auf, um uns zu begrüßen.

Julian hatte das Duncan-und-Crowley-Landgut telegrafisch über mein Kommen informiert. Was für die Aristokraten dort ein gesellschaftliches Problem war. Einerseits war ich ein unbedeutender Pächterjunge, der Reißaus genommen hatte und nun nach Hause kam, um das Grab seines analphabetischen Vaters zu besuchen; andererseits war ich Sekretär und Vertrauter des neuen Präsidenten, so etwas wie ein Emissär der Regierung, den Williams Ford gebührlich zu empfangen hatte. Die Duncans und Crowleys, deren Vermögen in Ohio-Farmland und Nevada-Minen steckte und die nur eine lose Verbindung zu New York hatten, lösten das Dilemma, indem sie Ben Kreel schickten, um mich in Connaught abzuholen. Er kam mit dem besten Zweispänner des Landsitzes, die Pferde waren edle Traber.

Der Morgen dämmerte, als der Zug einlief. Ich hatte nicht gut geschlafen; doch Ben Kreel war ein passionierter Frühaufsteher und schüttelte mir die Hand so herzlich, wie die Situation es zuließ. »Adam Hazzard! Oder sollte ich Colonel Hazzard sagen?«

Er hatte sich kaum verändert, obwohl ich ihn mit neuen Augen zu sehen schien. Er war immer noch derb, stämmig, rotbackig und äußerst selbstbeherrscht. »Ich bin nicht mehr in der Armee — einfach Adam, das reicht.«

»Einfach Adam? Der Adam, der uns vor Jahren verlassen hat? Wir alle dachten, du und Julian, ihr wolltet euch dem Dienst an der Waffe entziehen. Aber ihr habt euch im Kampf bewährt — und nicht bloß im Kampf —, hab ich Recht?«

»Wovor man davonläuft und wohinter man herläuft, ist nicht immer so verschieden, wie man hofft.«

»Und du bist jetzt ein Autor und sprichst wie ein Autor.«

»Ich will mich nicht aufspielen, Sir. Nichts liegt mir ferner.«

»Berechtigter Stolz ist nie unangebracht. Das mit deinem Vater tut mir leid.«

»Danke, Sir.«

»Der Arzt vom Landsitz hat getan, was in seiner Macht stand; aber es war ein böser Biss, und dein Vater war nicht mehr der Jüngste.«

Wir ließen Durcheinander und Lärm des Kopfbahnhofs hinter uns und trabten — vorbei an den Wirtshäusern in Fachwerkbauweise, den vielen Bars und Haschischlokalen, die meine Mutter immer den »Fluch von Connaught« genannt hatte — auf der einzigen und ungepflasterten Ausfallstraße nach Norden. Es war ein warmer und windstiller Morgen, und die aufgehende Sonne entzündete die Gipfel der fernen Berge. Am Straßenrand wuchsen farbenfrohe Dickichte aus Habichtskraut, und das spärlich bewaldete Land verströmte seine altvertrauten Sommerdüfte.

»Die Duncans und Crowleys«, sagte Ben Kreel, »sind gerüstet, dich in der Stadt willkommen zu heißen und hätten ohne Zweifel einen öffentlichen Empfang organisiert, wenn die Umstände weniger traurig gewesen wären. So wie die Dinge liegen, haben sie dir ein Zimmer in einem der großen Häuser herrichten lassen.«

»Das ist sehr freundlich; aber ich habe mich immer wohlgefühlt im Haus meiner Mutter, und sie will mich sicher um sich haben, also bleibe ich bei ihr.«

»Das ist wohl auch das Klügste«, sagte Ben Kreel wie jemand, der einen Seufzer der Erleichterung unterdrückt.

Wir trabten durch die Felder, auf denen die Abhängigen arbeiteten, und durch das hügelige Land am River Pine — und als wir endlich die Ausläufer von Williams Ford erreichten, meinte ich, das Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag müsse diesmal verschwenderisch gewesen sein.

»Das will ich meinen«, sagte Ben Kreel. »Ein Hausierer brachte chinesische Feuerwerkskörper aus Seattle in die Stadt. Blaue Feuerräder und ein paar farbenprächtige Salamander … aber woher weißt du das?«

»Die Luft riecht jetzt noch nach Schwarzpulver«, sagte ich. Das war eine Sensibilität, die ich mir im Krieg zugezogen hatte.

Ich will nicht auf die Details meines Kummers eingehen. Der Leser kennt diese schmerzlichen Gefühle.[99]

Ich ließ mich kurz auf dem Landsitz blicken; die Duncans und Crowleys empfingen mich ausgesucht höflich, doch mir war es wichtiger, bei meiner Mutter zu sein. Auf dem Weg vom Landsitz zum Pachtland kam ich an den Stallungen vorbei, und ich hatte nicht übel Lust herauszufinden, ob meine alten Peiniger noch hier arbeiteten, und, wenn ja, ob ihnen mein neuer Rang den gehörigen Respekt abnötigte; aber das war mir dann doch zu kleinkariert.

Unser Cottage stand noch da, wo ich es verlassen hatte. Der Bach dahinter war immer noch von Licht und Schatten gesprenkelt und gluckste immer noch so fröhlich, als freue er sich auf den River Pine; und auch das Grab meiner Schwester Flaxie war noch da, wo ich es zuletzt gesehen hatte. Aber daneben befand sich jetzt ein frisches Grab mit einem blassen Holzkreuz, auf dem kohlschwarz der Name meines Vaters stand. Auch wenn er ein Analphabet gewesen war, so hatte er doch seinen Namen erkennen und eine plausible Unterschrift leisten können und hätte eben jetzt als Geist seinen in Holz gebrannten Namen lesen können, wenn er sich nur aufgesetzt und den Hals danach verrenkt hätte.

Gräber besucht man am besten, wenn die Sonne scheint. Das warme Juliwetter war wohltuend, und das Vogelgezwitscher und das leise Glucksen des Bachs machten die Vorstellung vom Tod erträglicher. Ich hasste es, an den Schnee vom nächsten Jahr zu denken, der sich schwer auf die frisch umgeworfene Grasnarbe legen würde, oder die Januarstürme, die darüber hinwegfegen würden. Immerhin lag mein Vater jetzt neben Flaxie, so dass sie nicht mehr allein war; und dass Tote sehr unter Kälte litten, glaubte ich nicht. Die Toten sind immun gegen die Unbilden des Wetters — so viel Himmel ist schon mal gewiss.

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99

Wer sie noch nicht kennt, wird sie über kurz oder lang kennenlernen. Das ist der Vertrag, den das Leben mit der Natur und der Zeit schließt; und daran sind wir alle gebunden, obschon keiner von uns dem Vertrag zugestimmt hat.