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Als ich aus dem Palast kam, sah ich Lymon Pugh auf mich warten; er hatte getan, was er gesagt hatte, und sich ein reinrassiges Pferd aus den Stallungen geholt und mit einem schönen Ledersattel und passenden Satteltaschen ausgerüstet. Und da er noch ein zweites, ebenso edles Pferd mit der gleichen Ausstattung für mich mitgebracht hatte, konnte ich ihm schwerlich einen Vorwurf machen.

»Auch wenn du nur bis zum Hafen reiten musst, solltest du es mit Stil tun«, meinte er.

Die drei schweren Spulen von Charles Darwin und meine Souvenirschachtel passten bequem in die Satteltaschen. »Aber ich reite nicht gleich zum Hafen«, sagte ich.

»Wohin denn sonst?«

»Eine Adresse unten im primitiven Teil der Stadt.«

»Ist das nicht nahe am Feuer?«

»Sehr nahe — gefährlich nahe —, aber wohl noch zugänglich.«

»Was gibt es da?«

Ich zuckte mit den Schultern. Ich wollte meine schrägen Hoffnungen für mich behalten.

»Egal, dann lass mich wenigstens mitreiten.«

»Du bringst dich nur in Gefahr.«

»Wär nicht das erste Mal. Wenn ich nervös werde, bleibe ich zurück — versprochen.«

Das Angebot gefiel mir.

Bevor wir aufsaßen, griff ich mir noch ein Belegexemplar von A Western Boy at Sea (sechs Stück hatte ich mitgenommen) und schenkte es Lymon. Er bestaunte es von allen Seiten, was immer das brachte in dem bisschen Licht, das aus dem Palast sickerte. »Das Buch, das du geschrieben hast?«

»Mein Name steht auf dem Buchdeckel. Ein Stück weit über dem Kraken. Der kommt aber nicht vor in dem Buch.«

Er schien wirklich gerührt zu sein. »Das werde ich lesen, Adam, versprochen, sobald ich wieder zur Ruhe komme. Hier«, sagte er und langte in die Tasche, »hier ist etwas für dich. Eine Erinnerung an mich. Betrachte es als Weihnachtsgeschenk.«

Ich nahm das Geschenk an, das er selbst fabriziert hatte, und bedankte mich feierlich.

Bevor wir das Palastgelände verließen, erlebten wir etwas, das schlimm hätte enden können. Auf dem Weg zum Gate an der 59sten ritten wir durch die Statuary Lawn, auf der man Skulpturen und Relikte aus den Tagen der Säkularen Alten zusammengetragen hatte. Eine unheimliche Stätte, selbst bei Tageslicht, und noch unheimlicher im Widerschein des nächtlichen Manhattans — das kupferne Haupt des Colossus of Liberty, das ständig nach Süden geneigt war, der Angel of the Waters, der voller Mitleid auf Christopher Columbus starrte, und Simon Bolivar, der eine Attacke auf Cleopatra’s Needle ritt. Der Weg wand sich durch die bronzenen Rätsel aus alten Zeiten wie durch ein Labyrinth. Wir schienen mutterseelenallein zu sein.

Aber dem war nicht so. Eine Handvoll berittener Männer, die sich durch das eine oder andere Gate Zutritt verschafft hatten, lauerte zwischen den Skulpturen. Womöglich, um Eupatriden auszurauben oder vereinzelte Gardisten, die mit ihrer Beute vom Gelände wollten; sie gingen wohl davon aus, dass ihre Schandtat im allgemeinen Chaos untergehen würde.

Was immer sie im Schilde führten, sie sahen uns kommen und preschten geschlossen auf uns zu. Ich zählte sechs Reiter. Der Vorderste machte keinen Hehl aus seinen Absichten und riss sein Gewehr aus dem Sattelhalfter. »Da lang!«, schrie Lymon Pugh, und wir spornten unsere Pferde an; aber die Banditen hatten ihren Angriff sorgfältig kalkuliert. Sie waren dabei, uns den Weg abzuschneiden, und hätten uns wahrscheinlich wegen unserer bescheidenen Habe getötet, als der Mann mit dem Gewehr plötzlich die Augen aufriss, an uns vorbeistarrte und irgendetwas Unanständiges rief, während sein Pferd sich aufbäumte.

Ich drehte mich im Sattel, weil ich wissen wollte, was ihn so erschreckt hatte.

Es war nichts Haarsträubendes. Es war nur Otis, der reife Junggeselle, der seine Abende gerne zwischen den Artefakten verbrachte. Das ganze Hin und Her am Palast hatte ihn vermutlich nervös gemacht, und wenn Otis nervös war, konnte er leicht zum Angriff übergehen, wie eben jetzt — er trabte mit majestätisch schwankendem Hals hinter dem zerbeulten Strahlenkranz der Freiheitsgöttin hervor und sprengte geradewegs auf die Wegelagerer zu. Ich glaube, er hätte gebrüllt, wenn die Natur ihn mit diesem Talent gesegnet hätte.

Die Banditen stoben auseinander. Lymon und ich nutzten die Gelegenheit und ergriffen, ohne über die Schulter zu blicken, die Flucht und hielten das Tempo, bis wir die Lichter der 59sten sahen.

Schüsse waren zu vernehmen, als wir das Gate passierten. Ich weiß nicht, ob Otis bei der Konfrontation verletzt wurde. Ich glaube es zwar nicht. Aber Giraffen sind so sterblich wie alle anderen Geschöpfe auch und haben Gewehr- oder Pistolenkugeln nicht das Geringste entgegenzusetzen. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, dass ein Otis sich von solchen Schurken töten ließ — das war nicht seine Art.

9

Ich verriet Lymon Pugh erst kurz vor dem Ziel, wohin ich wollte, denn ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich das Richtige tat; ich fand, Julian verdiente eine letzte Chance, seine Meinung zu ändern, zumal die Stadt bald lichterloh brennen würde; und falls ich ihn fand (so dachte ich vermutlich), konnte ich ihn auch gleich fragen, weshalb er sich auf so unpersönliche Weise verabschiedet hatte.

Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihn finden würde. Aber ich hatte einen begründeten Verdacht, und es war noch Zeit, ihm nachzugehen (auch wenn sie knapp wurde).

Das Einzige, was uns aufhalten konnte, war das Feuer im Einwandererviertel, je nachdem, welchen Weg es nahm. Doch als wir die 9te Straße überquerten, drohte uns ein breiter Strom fliehender Ägypter zurückzudrängen. Das waren unglückselige Menschen, die von der Mehrheit verachtet wurden. Viele hatten ihre Heimat verlassen, um der Armut und dem Suezkrieg zu entgehen und der Krankheit, die in den schrecklichen Ruinen von Kairo grassierte. Sie kannten sich mit Zerstörung aus und schienen nicht überrascht von dieser neuerlichen Katastrophe; sie trotteten gottergeben dahin, das Gepäck geschultert oder im Handkarren hinter sich her ziehend, als sei dies nicht die letzte Apokalypse, die auf sie wartete. Sie schenkten uns keine Beachtung; aber wir ritten gegen eine menschliche Strömung an …

Bald sahen wir die Flammen über den Dächern züngeln. Sie hatten bereits den größten Teil des Einwandererviertels verschlungen — die Häuser, meist Anbauten alter Betonruinen und zusammengeschustert aus allem, was man aus Schutt und Erde gebuddelt hatte, brannten wie Zunder. Alle Löschfahrzeuge und Wassermaschinen aus Manhattan schienen im Einsatz zu sein. Das Wasser wurde entweder aus dem Houston- oder aus dem Delancey-Kanal gepumpt, je nachdem, wer gerade am nächsten war — Ersterer war ein Treidelkanal, Letzterer ein Abwasserkanal. Die Wasserschläuche waren oft genug von den widerlichsten Dingen verstopft, und der Gestank nach Rauch, verkohltem Holz und brodelnden Fäkalien aller Art hätte uns beinah umkehren lassen. Zum Glück hatte Lymon Pugh ein Sortiment Papiermasken dabei (manche nach Eupatridensitte in Opoponax-Öl getaucht), von denen wir rasch Gebrauch machten. Die Masken erwiesen sich als einigermaßen nützlich gegen alles, was uns die Atemwege zu verschlagen drohte.

Der Wind blies kräftig und trug Funken und glühende Asche mit sich. Bis jetzt hatten es die Wassermaschinen geschafft, den Houston-Kanal als eine Art Feuerschneise zu halten, die den Flammen Einhalt gebot. Das war ein Glück, denn die Adresse, die ich suchte, lag auf der (noch) sicheren Seite des Kanals.

»Würdest du mir endlich mal verraten, wo du hinwillst?«, sagte Lymon Pugh.

»Church of Apostles etc.«

»Was — der alte Schuppen von Magnus Stepney? Ich dachte, der wär letztes Jahr aufgeflogen.«