Als sein letztes Schuljahr zu Ende ging, wurde Grant für die Zeit nach seinen Dienstjahren für das Gemeinwesen ein Universitätsstipendium angeboten. Die Dienstjahre waren obligatorisch: jeder junge Mann wurde zwischen seinem neunzehnten und zwanzigsten Lebensjahr für den Dienst am Gemeinwesen eingezogen. Die Dienstzeit betrug vier Jahre, von denen wenigstens zwei Jahre gleich abzuleisten waren, die übrigen zwei im Alter von fünfzig Jahren. Der Berater der Neuen Ethik an seiner Schule machte Grant das Angebot, dass er ein volles Stipendium an einer Universität seiner Wahl bekommen könne, wenn er die ganze vierjährige Dienstzeit jetzt ableisten würde. Dabei bestehe die Möglichkeit, den Dienst als Praktikum auf seinem Interessengebiet Astronomie mit Schwerpunkt Astrophysik abzuleisten.
Grant nahm das Stipendium und die Dienstverpflichtung an, und seine Zukunftshoffnungen konzentrierten sich mehr denn je auf das Mond Observatorium. Er ging nach Harvard und verliebte sich zu seiner Freude und Überraschung in eine schwarzhaarige Studentin der Biochemie namens Marjorie Gold. Sie brachte es fertig, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben wichtig fühlte. Wenn er mit ihr zusammen war, hatte der ruhige, zuverlässige junge Student das Gefühl, er könne das Universum erobern.
Sie heirateten noch im selben Jahr, obwohl er wusste, dass er für vier Jahre zum Mondobservatorium gehen würde, während Marjorie ihre kürzere zweijährige Dienstzeit in der internationalen Friedenstruppe ableisten würde, die derzeit mit dem Aufspüren geheimer Laboratorien zur Herstellung biologischer Kampfstoffe in den Dschungeln Südostasiens und Lateinamerikas beschäftigt war.
Aber sie waren jung, und ihre Liebe konnte nicht warten. Also heirateten sie trotz der Bedenken ihrer Eltern.
»Ich werde mindestens alle paar Monate vom Observatorium herunterkommen«, sagte Grant, als sie zusammen im Bett lagen und über die bevorstehenden vier Jahre nachdachten.
»Ich werde Urlaub nehmen, wenn du hier bist«, versprach Marjorie.
»Wenn mir die vier Jahre am Observatorium auf das Studium angerechnet werden, kann ich anschließend mein Doktorat machen«, sagte er.
»Dann kannst du an jeder Universität eine Dauerstellung bekommen.«
»Und wenn die vier Jahre um sind, können wir die Genehmigung für ein Kind beantragen«, sagte Grant.
»Einen Jungen«, sagte Marjorie.
»Willst du keine Tochter?«
»Danach. Nachdem ich gelernt habe, eine Mutter zu sein. Dann können wir eine Tochter haben.«
Er lächelte in der Dunkelheit ihres Schlafzimmers und küsste sie, und sie schliefen miteinander. Es war die sichere Zeit von Marjories Zyklus.
Beide hatten die Schule mit Auszeichnung abgeschlossen, Grant sogar als Klassenbester, und ihre Zukunftsaussichten schienen glänzend. Marjorie erhielt ihren Gestellungsbefehl für den Dienst in der Friedenstruppe, wie sie es erwartet hatte. Grant hingegen erfuhr zu seiner Bestürzung, dass er nicht zum Mondobservatorium geschickt wurde, sondern zur Forschungsstation Thomas Gold, die sich in einer Umlaufbahn um Jupiter befand und selbst bei ihrer größten Annäherung an die Erde mehr als siebenhundert Millionen Kilometer von Marjorie entfernt sein würde.
2. „… AUF WELCHER SEITE SIE STEHEN“
Grants Vater riet zur Geduld.
»Wenn sie dich dorthin schicken wollen, müssen sie ihre Gründe haben. Du wirst dich damit abfinden müssen, Junge.«
Grant konnte sich damit nicht abfinden. Trotz ernster Gebete war keine Geduld in ihm. Sein Vater war sein Leben lang ein sanftmütiger und hinnehmender Mann gewesen, und was hatte es ihm eingebracht? Unbekanntheit, vornehme Armut und herablassendes Lächeln hinter seinem Rücken. Das ist nichts für mich, sagte sich Grant.
Entgegen dem beschwichtigenden Rat seines Vaters wehrte sich Grant bis hinauf zum Regionaldirektor der Neuen Ethik für die nordwestlichen Staaten gegen die Entscheidung.
»Ich kann nicht vier Jahre im Jupiter-Orbit verbringen«, beharrte er. »Ich bin verheiratet! Ich kann nicht vier Jahre lang so weit entfernt sein! Außerdem studiere ich Astrophysik, und beim Jupiter gibt es dafür keinen Bedarf. Ich werde vier Jahre vergeuden! Man sagt mir, ich könne meine Studien dort in der Freizeit fortsetzen, aber wie kann ich arbeiten, wenn dort keine Astrophysik betrieben wird?«
Der Regionaldirektor saß steif und aufrecht in einem Lehnstuhl hinter seinem von Papieren überhäuften Schreibtisch aus massiver Eiche. Er beobachtete den aufgeregten jungen Mann über die zusammengelegten Fingerspitzen seiner schmalen Hände hinweg, während Grant weiterplapperte. Sein Name war Ellis Beech. Er war ein ernst aussehender Afroamerikaner, dessen Haut die Farbe von rußigem Rauch hatte. Sein Gesicht war lang und hohlwangig, der düstere Blick seiner hellbraunen Augen ruhte unverwandt und konzentriert auf Grant.
Schließlich gingen diesem die Worte aus. Er wusste nicht, was er noch sagen konnte. Er hatte sich bemüht, Zorn und Enttäuschung zu beherrschen, war sich aber bewusst, dass er laut geworden war, ohne es zu wollen, und damit seine Verärgerung und Aufgeregtheit verraten hatte. Zeig niemals Ärger, hatte sein Vater ihm geraten. Bleib ruhig und vernünftig. Ärger erzeugt Ärger; du willst den Regionaldirektor von deinem Standpunkt überzeugen, nicht ihn dir zum Feind machen.
Grant sank in seinen Stuhl zurück und wartete auf eine Reaktion des Regionaldirektors. Der Mann sah nicht wie einer aus, der sich angegriffen oder vor den Kopf gestoßen fühlte. Er machte eher den Eindruck, dass er nur die Hälfte dessen gehört habe, was Grant gesagt hatte. Beechs Schreibtisch war voll Papier, von einzelnen Blättern bis zu dicken, rotgebundenen Bänden; sein Computerschirm flimmerte beunruhigend; er war offensichtlich ein sehr wichtiger und sehr geschäftiger Mann, obwohl sein Telefon noch nicht einmal gepiept hatte, seit Grant in das warm getäfelte und mit Teppich ausgelegte Büro geführt worden war.
»Ich war für das Mondobservatorium gemeldet«, murmelte Grant in einem Versuch, dem hinter dem Schreibtisch brütenden Mann eine Antwort zu entlocken.
»Ich bin mir dessen bewusst«, sagte Beech endlich. Dann fügte er hinzu: »Aber unglücklicherweise werden Sie in der Jupiterstation gebraucht.«
»Wie könnte ich gebraucht werden?«
»Lassen Sie sich die Situation von mir erklären, junger Mann.«
Grant nickte.
»Die Wissenschaftler haben ihre Forschungsstation in der Jupiterumlaufbahn seit bald zwanzig Jahren«, sagte Beech mit leichter Betonung des Wortes Wissenschaftler. »Sie haben sich mit den Lebensformen beschäftigt, die auf zwei Monden des Planeten existieren.«
»Drei«, korrigierte ihn Grant ohne zu überlegen. »Außerdem haben sie Lebensformen in der Jupiteratmosphäre gefunden.«
Beech fuhr unbeirrt fort: »Die Arbeit, die diese Wissenschaftler verrichten, ist äußerst kostspielig. Sie geben Geld aus, das viel besser verwendet werden könnte, den Armen und Benachteiligten hier auf Erden zu helfen.«
Bevor Grant etwas erwidern konnte, hob Beech abwehrend die Hand. »Wie auch immer, wir von der Neuen Ethik erheben keine Einwände gegen ihre Arbeit. Obwohl viele dieser Wissenschaftler tun, was sie können, um die Wahrheit der Heiligen Schrift zu widerlegen, gestatten wir ihnen die Fortführung ihrer gottlosen Tätigkeit.«
Grant konnte sich nicht denken, dass das Studium der hoch angepassten Algen und Mikroben, die in den eisbedeckten Meeren der Jupitermonde lebten, eine gottlose Tätigkeit sei. Wie konnte irgendein Versuch, die Fülle von Gottes Schöpfung zu verstehen, als gottlos betrachtet werden?