Aufblickend, sah er auf dem Wandbildschirm, was ein Standfoto von einem der Jovianer zu sein schien. Nein, die Flossen bewegten sich, aber so langsam, dass Grant kleine silbrige Partikel im Wasser erkennen konnte, die von diesen mächtigen Paddeln in wirbelnde Bewegung versetzt wurden. Diamanten, dachte er. Sie schwimmen durch eine Wolke von Diamanten — und Nahrung.
Obwohl die Lebewesen noch rund fünfzig Kilometer entfernt waren, zeigte die Vergrößerung der Aufzeichnungen deutlich erkennbare Einzelheiten: Ihre Haut sah grau und gummiartig aus, aber gefleckt von Unebenheiten, Knollen und — Augen. Diese Dinger mussten Augen sein; Reihen davon, Hunderte, die in die heiße dunkle See hinausstarrten. Grant schauderte. Einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, dass diese Augen ihn beobachteten, die Eindringlinge von einer anderen Welt einschätzten und beurteilten. Sie waren riesig. Wie konnte ein Lebewesen zu solch enormer Größer heranwachsen? Wie konnte ein Nervensystem diese Reihen von Flossen kontrollieren? Wo war das Gehirn angesiedelt? Eine dieser Flossen konnte die Tauchsonde mit einem Schlag zermalmen.
Auf der Haut der Lebewesen waren auch Flecken verschiedener Farben auszumachen. Parasiten? Wenn es in diesem Ozean eine komplette Biosphäre gab, musste sie zahlreiche ökologische Nischen für alle Arten von Lebensformen enthalten. Die organischen Partikel waren am unteren Ende der Nahrungskette, und diese gigantischen Superwale mussten an der Spitze sein. Es sei denn, sie entdeckten noch weitere Meeresbewohner.
Rote und orangegelbe Lichter glommen entlang den mächtigen Flanken der urwelthaften Lebewesen, seltsam rätselhafte Muster, die den Ozean mit ihrem unheimlichen Licht erhellten. Grant konnte ihnen keinen Sinn abgewinnen; sie gaben keinen Hinweis auf eine Bedeutung.
»Na, wenigstens sagen sie nicht: ›Verblast euch, Erdlinge‹«, witzelte Karlstad.
»Aber sehen Sie!« Muzorawa zeigte auf den großen Bildschirm. »Sie wiederholen alle die gleiche Serie von Symbolen.«
»Ist es Schrift?«, fragte O'Hara.
»Unmöglich«, sagte Krebs.
»Und doch … Es muss etwas bedeuten«, sagte Karlstad.
»Ihnen bedeutet es etwas, denke ich«, murmelte Muzorawa.
Krebs fing an: »Lassen Sie sich ja nicht zu voreiligen …«
Sie brach mit offenem Mund ab. Auch Grant und die anderen sahen es.
Einer der Jovianer stellte ein scheibenförmiges rundes Objekt mit einer einzigen Reihe von Lichtern an der Vorderseite dar. Die Scheibe war tiefrot, die Lichter hellorange wiedergegeben. Gleich darauf begannen die anderen das gleiche Bild zu zeigen.
»Das sind wir!«, japste Karlstad.
Das gleiche Bild wurde zwischen allen Jovianern im Bild hin und her geblinkt.
»Sie haben uns gesehen«, sagte O'Hara in ehrfurchtsvollem Flüsterton.
»Sie wissen, dass wir hier sind«, bestätigte Krebs. Die Verblüffung dämpfte sogar ihre Stimme.
»Mein Gott«, sagte Grant, »sie sind wirklich intelligent.«
12. LEVIATHAN
Während Leviathan direkt im Nahrungsstrom weidete, erkannte er, dass er sich zu früh beglückwünscht hatte. Ein einzelnes Mitglied der Sippe war immer willkommene Beute für die Reißer, und er war zu weit vom großen Sturm entfernt, um die gleiche Taktik anzuwenden, die ihn vor dem früheren Rudel gerettet hatte.
Schnelligkeit war jetzt Leviathans einzige Hoffnung. Wenn er zu seiner Sippe zurückkehren und sich den anderen wieder anschließen konnte, würden die Reißer keinen Angriff wagen. Selbst wenn sie töricht oder verzweifelt genug waren, einen Versuch zu machen, wäre er zum Scheitern verurteilt. Eine ganze Versammlung der Sippe konnte die Reißer mit Leichtigkeit zermalmen. Diese brachen ihre Angriffe fast immer ab, wenn sie sahen, dass eine ganze Versammlung sich zur Abwehrkugel formierte. Sie zogen es vor, einzelne Mitglieder der Sippe anzugreifen und warteten, bis der eine oder der andere sich von der Sippe entfernte und zu knospen begann.
Aber die Sippe war noch immer weit, weit entfernt. Und die Reißer holten rasch auf. Es würde ein Wettrennen geben, wusste Leviathan, der seine Flagellenmitglieder zu äußerster Geschwindigkeit drängte. Ein Rennen gegen die Zeit. Ein Rennen gegen den Tod.
13. VERFOLGUNG
»Unsinn!«, widersprach Krebs. »Nur weil sie nachahmen können, was sie sehen, müssen sie noch nicht intelligent sein.«
»Es ist auch kein Zeichen von Dummheit«, erwiderte Karlstad.
»Papageien können die menschliche Sprache nachahmen«, sagte Krebs. »Hunde, Pferde, viele Tiere können auf menschliche Befehle reagieren. Macht sie das intelligent?«
»Papageien sind zweifellos intelligent«, sagte O'Hara. »Und Delphine sprechen mit uns.«
Krebs schüttelte hartnäckig den Kopf. »Intelligenz ist das Vermögen zur Lösung konkreter oder abstrakter Probleme, die Fähigkeit zu abstraktem Denken. Das kann man von Delphinen nicht sagen.«
Das Leben unter Wasser, dachte Grant, erforderte eben andere Ausprägungen der Intelligenz. Ohne Hände zur Manipulation ihrer Umgebung, ohne die Möglichkeit, Werkzeuge zu gebrauchen, entwickelte sich ihre Intelligenz in eine andere Richtung.
»Ameisen und Bienen haben ein sehr komplexes und intelligentes Sozialverhalten«, sagte Karlstad.
Bevor Krebs antworten konnte, sagte O'Hara: »Das Kennzeichen der Intelligenz ist die Fähigkeit, abstrakte Ideen mit anderen Angehörigen derselben Spezies auszutauschen. Das tun die Delphine.«
»Abstrakte Ideen?«, fragte Muzorawa.
»Ja«, erwiderte O'Hara entschieden. »Sie können Freundschaft und Loyalität verstehen. Sie haben Familienbande.«
Krebs sah noch immer nicht überzeugt aus. »Alles das gilt auch für andere Tiere, Hunde zum Beispiel. Aber wir sind nicht hier, um Verhaltensforschung zu treiben oder philosophische Diskussionen zu führen. Orientieren Sie Kurs und Geschwindigkeit an den Walen. Je mehr Daten wir über sie sammeln können, desto besser.«
Seine Rückenschmerzen verschlimmerten sich. Grant schloss die Augen und stellte sich das fehlerhafte Triebwerk vor. Der Schmerz verriet ihm, dass es wieder unregelmäßig lief.
Bevor er das Problem ansprechen konnte, beklagte sich Krebs: »Ich brauche volle Kraft von beiden Triebwerken, Mr. Archer.«
»Nummer zwei versagt wieder«, sagte er.
»Das sehe ich. Reparieren Sie es!«
»Wenn ich es abschalten könnte … nur für eine halbe Stunde …«
Krebs schien die Möglichkeit zu erwägen, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Wir würden die Wale verlieren.«
Nun meldete sich Muzorawa zu Wort. »Captain, wir kennen Kurs und Geschwindigkeit der Herde. Wir könnten sie einholen, sobald das Triebwerk repariert ist.«
»Schon jetzt können wir kaum mit ihnen Schritt halten«, sagte Krebs. »Wenn wir die Geschwindigkeit verringern, werden wir sie nie einholen.«
»Der Strom organischer Partikel, den sie abweiden, folgt entsprechend der Meeresströmung einer gekrümmten Bahn«, sagte Muzorawa in ruhig überzeugendem Ton. Er brachte Grants Karte der ozeanischen Strömungen auf den Bildschirm und zeigte den Verlauf. »Wir könnten die Krümmung abschneiden, sobald das Triebwerk repariert ist, und die Herde wieder erreichen.«
Krebs schloss die Augen. Sie sah Zebs Karte durch die Implantate, dachte Grant, um ein Bild zu bekommen, das ihre Augen nicht sehen konnten. Er vermutete, dass der Druck negative Auswirkungen auch auf ihre Sehnerven hatte.
Sie öffnete die Augen, aber sie starrten ins Leere. »Nun gut«, sagte sie widerwillig. »O'Hara, reduzieren Sie die Geschwindigkeit. Archer, Sie schalten Triebwerk Nummer zwei zur Reparatur ab.«
Als Grant einen Seufzer der Erleichterung ausstieß fügte Krebs hinzu: »Und beenden Sie die Reparatur in dreißig Minuten! Nicht eine Sekunde länger!«