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»Ich habe schon in Hunderten von Schlachten gekämpft, aber noch nie bin ich auf einen so geschickten Gegner getroffen«, hauchte er mit seinem letzten Atemzug.

Octavian stieß ein Triumphgeheul aus, rannte um den Stall und wirbelte dabei den schweren Gladius über dem Kopf. Ohne Vorwarnung wurde sein Handgelenk von einer kräftigen Hand von hinten gepackt, und er quietschte überrascht auf.

»Was treibst du hier mit meinem Schwert?«, fragte Tubruk, der heftig durch die Nase atmete.

Octavian duckte sich in Erwartung eines Schlages, doch als der nicht kam, machte er vorsichtig die Augen auf. Er sah, dass der alte Gladiator ihn immer noch wütend anstarrte und auf eine Antwort wartete.

»Es tut mir Leid, Tubruk, ich habe es mir nur ausgeborgt… zum Üben.«

Tubruk hielt das Handgelenk des Jungen so fest, dass der nicht entrinnen konnte, und entwand das Schwert mit der anderen Hand Octavians widerstrebenden Fingern. Er hielt es sich vor die Augen und fluchte zornig, worauf Octavian zusammenzuckte. Als er den Ausdruck sah, der sich auf Tubruks Gesicht ausbreitete, riss er die Augen vor Angst weit auf. Er hatte ihn nicht so früh von den Feldern zurückerwartet, sonst hätte er das Schwert längst wieder an seinen Platz gestellt.

»Sieh dir das an! Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie lange es dauert, bis die Schneide wieder richtig scharf ist? Nein, natürlich nicht. Du bist nur ein dummer kleiner Tölpel, der glaubt, er könnte alles stehlen, wonach ihm gerade der Sinn steht.«

Octavian stiegen die Tränen in die Augen. Er wünschte sich nichts sehnlicher als die Anerkennung des alten Gladiators, und die Enttäuschung war schlimmer als jeder Schmerz.

»Es tut mir Leid. Ich wollte es mir nur ausborgen. Ich schärfe es für dich, dann sieht man keine Scharten mehr!«

Tubruk wandte sich wieder der Klinge zu.

»Was hast du bloß angestellt? Hast du damit absichtlich gegen etwas geschlagen? Das hier kann man nicht mehr auswetzen. Es muss von Grund auf nachgeschliffen werden, oder am besten wirft man es gleich weg. Ich habe dieses Schwert als Gladiator in der Arena und in drei Kriegen getragen, und das alles ist durch eine einzige Stunde in den Händen eines gedankenlosen Jungen, der die Finger nicht vom Eigentum anderer Leute lassen kann, zunichte gemacht. Diesmal bist du zu weit gegangen, mein Junge, das schwöre ich dir!«

Zu wütend, um weiterzureden, schleuderte Tubruk das Schwert zu Boden und ließ das schniefende Kind los. Zornig stürmte er aus dem Stall und ließ den Jungen in seinem Elend stehen.

Octavian hob die Waffe auf und fuhr mit dem Daumen über die Klinge, die an einigen Stellen richtiggehend eingeknickt war. Wenn er einen guten Wetzstein fand und sich ein paar Stunden verdrückte, so dachte er, dann hatte sich Tubruk bei seiner Rückkehr bestimmt wieder beruhigt und er konnte ihm das frisch geschärfte Schwert zurückgeben. Schon sah er den verdutzten Gladiator vor sich, als er ihm die wie neu schimmernde Klinge überreichte.

»Das hätte ich nicht für möglich gehalten«, stellte er sich die Worte Tubruks vor, als er die neue Schneide begutachtete. Octavian nahm sich vor, dann überhaupt nichts zu sagen, sondern nur bescheiden dazustehen, bis Tubruk ihm das Haar zauste und der Zwischenfall vergessen war.

Sein Tagtraum wurde durch Tubruks Rückkehr jäh unterbrochen, und Octavian ließ das Schwert sofort fallen, als er den schweren Lederriemen in Tubruks Hand sah.

»Nein! Ich hab doch gesagt, dass es mir Leid tut! Ich mache das Schwert wieder heil, ehrlich!«, heulte Octavian auf, aber Tubruk zerrte ihn schweigend aus dem Stall hinaus ins Sonnenlicht. Der kleine Junge wehrte sich vergeblich, doch die Hand, die ihn bis in den Hof zog, war in all ihrer erwachsenen Stärke unerbittlich. Er konnte sich nicht aus ihrem Griff befreien, obwohl er inzwischen doch schon so groß geworden war.

Tubruk stieß mit der Hand, die den Riemen hielt, das Haupttor auf und grunzte vor Anstrengung.

»Das hätte ich schon viel früher tun sollen. Da ist die Straße, die in die Stadt zurückführt. Ich rate dir, dich sofort auf den Weg zu machen, und wage es ja nicht, mir noch einmal unter die Augen zu treten. Wenn du hier bleibst, verprügele ich dich so lange, bis du es besser weißt. Also sag schon: Was wirst du tun – bleiben oder gehen?«

»Ich will nicht weg, Tubruk«, weinte der Junge und schluchzte vor Angst und Verzweiflung.

Tubruks Mund wurde schmal. Er blieb den Bitten des Jungen gegenüber taub.

»Na schön«, sagte er grimmig, packte Octavian an seiner Tunika und ließ den Riemen mit lautem Klatschen, das im ganzen Hof widerhallte, auf dessen Hinterteil niedersausen. Octavian zerrte wie verrückt, um zu entkommen, und stieß ein unverständliches Geschrei aus, doch Tubruk achtete nicht auf ihn, sondern holte abermals mit dem Riemen aus.

»Tubruk! Hör sofort auf!«, ertönte plötzlich Cornelias Stimme. Sie war auf dem Hof gekommen, um dem Lärm auf den Grund zu gehen und stand jetzt mit flammenden Augen vor den beiden. Octavian nutzte die Gelegenheit und riss seine Tunika aus Tubruks Fingern. Schutz suchend lief er zu ihr, schlang die Arme um sie und verbarg den Kopf in ihrem Gewand.

»Was machst du mit dem Jungen, Tubruk?«, fuhr Cornelia den Verwalter an.

Tubruk gab ihr keine Antwort, sondern machte nur einen Schritt auf sie zu, um sich Octavian wieder zu schnappen. Obwohl der Junge das Gesicht tief in den Falten von Cornelias Gewand vergraben hatte, spürte er ihn kommen und drängte sich ängstlich hinter die Frau. Cornelia wehrte Tubruk mit beiden Händen so wild ab, dass er schnaufend einen Schritt zurückwich.

»Hör sofort auf. Der Junge ist völlig verängstigt, siehst du das nicht?«

Tubruk schüttelte langsam den Kopf und sah dann mit einem Ruck auf.

»Du tust ihm für später keinen Gefallen, wenn du ihm jetzt erlaubst, dass er sich hinter dir versteckt. Ich will, dass er sich an das hier erinnert, wenn er wieder einmal auf die Idee kommt, etwas zu stehlen.«

Cornelia bückte sich und nahm Octavians Hand.

»Was hast du denn jetzt schon wieder genommen?«, erkundigte sie sich.

»Ich hab mir nur sein Schwert ausgeliehen. Ich wollte es wieder zurücklegen, aber dann ist es stumpf gewesen, und er ist zurückgekommen, bevor ich es wieder schärfen konnte«, heulte Octavian erbärmlich und beobachtete Tubruk aus dem Augenwinkel, falls dieser noch einen Versuch unternehmen sollte, ihn sich zu schnappen.

Cornelia schüttelte den Kopf.

»Du hast sein Schwert kaputt gemacht? Ach, Octavian. Das geht wirklich zu weit! Da muss ich dich Tubruk zurückgeben. Es tut mir Leid.«

Octavian schrie, als sie mit entschlossener Kraft seine Finger von ihrem Gewand löste und Tubruk ihn wieder an der Tunika packte. Cornelia biss sich unglücklich auf die Unterlippe, als Tubruk den Riemen noch viermal niederklatschen und Octavian dann in die tröstende Dunkelheit der Stallungen rennen ließ.

»Er hat schreckliche Angst vor dir«, sagte Cornelia und sah dem davonlaufenden Jungen nach.

»Gut möglich, aber das war nötig. Ich habe ihm Sachen durchgehen lassen, die sich Julius oder Brutus als Jungen niemals hätten erlauben dürfen. Der Bengel verbringt die Hälfte seiner Zeit in einer Traumwelt. Es schadet ihm nichts, anständig den Hintern versohlt zu bekommen. Vielleicht besinnt er sich beim nächsten Mal eines Besseren, wenn er wieder etwas stehlen will.«

»Ist das Schwert nicht mehr zu gebrauchen?«, fragte Cornelia, die sich in der Gesellschaft dieses Mannes, der Julius schon gekannt hatte, als er ebenso klein gewesen war wie Octavian, ein wenig unsicher fühlte.

Tubruk zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich nicht. Der Junge ist jedenfalls glimpflicher davongekommen und wesentlich besser dran, als wenn er seinen fröhlichen Lebenswandel noch eine Weile in der Stadt fortgeführt hätte. Lass ihn eine Weile in den Ställen hocken. Er wird sich ausheulen, und nachher kommt er zum Essen wieder ins Haus, als wenn nichts geschehen wäre, so wie ich ihn kenne.«