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Octavian tauchte zum Abendessen nicht auf, und Clodia brachte ihm bei Einbruch der Dunkelheit eine Schüssel mit Essen hinaus. Sie konnte ihn in den Stallungen nirgends finden, und auch eine Suche auf dem gesamten Anwesen brachte keine Spur von dem kleinen Jungen. Er und der Gladius waren verschwunden.

»Du bist zu hässlich, um ein guter Schwertkämpfer zu sein«, sagte Brutus gut gelaunt, als er den wütenden Legionär leichtfüßig umkreiste. Bei Anbruch der Dunkelheit hatten sich die Männer, wie an den vorangegangenen drei Abenden, in der Mitte des Lagers versammelt, um sich die Zweikämpfe anzusehen, die Brutus eingeführt hatte.

»Es stimmt zwar, dass man eine gewisse Fertigkeit dafür braucht, aber gutes Aussehen ist genauso wichtig«, fuhr Brutus fort und sah den Mann mit forschenden Blicken an, die seine Dreistigkeit Lügen straften. Der Legionär hielt das Übungsschwert ein wenig zu verkrampft in der Hand. Obwohl die hölzerne Waffe kaum tödlich war, konnte ein ordentlicher Hieb durchaus einen Finger brechen oder ein Auge ausstechen. Die hohle Schwertklinge war mit Blei gefüllt, damit sie schwerer war als ein normaler Gladius. Wenn die Soldaten ihre richtigen Schwerter hochhoben, kamen sie ihnen dann beinahe wundersam leicht vor.

Brutus wich mit dem Oberkörper zur Seite, um einem Schlag auszuweichen, und ließ die Klinge nur wenige Zentimeter neben sich vorbeizischen. Er hatte diese Kämpfe am sechsten Abend ins Leben gerufen, als er gemerkt hatte, dass er nicht annähernd so müde war wie erwartet. Sie waren rasch zur Hauptunterhaltung der gelangweilten Soldaten geworden; die Männer wurden von Brutus’ keckem Selbstbewusstsein angelockt, mit dem er behauptete, dass es keiner von ihnen mit ihm aufnehmen könne. Oft kämpfte er gegen drei oder vier Legionäre hintereinander, und nach dem zweiten Abend fanden sogar die Glücksspiele im Lager kaum noch Zuspruch, da alles Geld lieber auf oder gegen Brutus gesetzt wurde. Wenn er weiterhin gewann, würde er diesen Feldzug mit einem kleinen Vermögen abschließen.

»Die Leute wollen ansehnliche Helden sehen, verstehst du? Du kommst dafür ja wohl kaum in Frage«, höhnte Brutus und wich kurz darauf mit einem Knurren der nächsten Attacke aus. »Dabei liegt es gar nicht an so offenkundigen Dingen wie einer Nase oder einem seltsamen Mund…« Er setzte zu einer wirbelnden Schlagkombination an, die hektisch abgewehrt wurde, und machte einen Schritt zurück, damit der Mann sich wieder fangen konnte. Anfangs hatte sich der Legionär ebenso großspurig gegeben wie Brutus, doch inzwischen flog ihm der Schweiß von den Haaren, wenn er sich duckte oder angriff. Brutus musterte sein Gesicht, als beurteilte er seine Züge.

»Nein, es ist die gesammelte Hässlichkeit, als säße überhaupt nichts an der richtigen Stelle«, sagte er.

Der Soldat fauchte und setzte zu einem Schlag an, der, hätte er getroffen, durchaus Brutus’ Schädel hätte spalten können. Er ging jedoch ins Leere, und als der Soldat der Klinge folgte, berührte Brutus den Hals des Mannes mit seinem eigenen Schwert, gerade so viel, um ihn das Gleichgewicht verlieren zu lassen. Der Legionär krachte bäuchlings zu Boden und erhob sich keuchend.

»Morgen wieder?«, fragte er. »Ich glaube, ich kann dich schlagen, wenn du mir noch eine Chance gibst, hässlich oder nicht.«

Brutus zuckte die Achseln und zeigte auf die Reihe der wartenden Soldaten.

»Da kommen noch einige vor dir, aber ich sehe zu, dass dich Cabera morgen Abend nach vorne stellt, wenn du dann noch willst. Du bist immer noch viel zu verkrampft.«

Der Soldat schaute auf seinen Griff und nickte.

»Arbeite an deinen Handgelenken«, fuhr Brutus ernsthaft fort. »Sobald du dich auf ihre Kraft verlassen kannst, bist du in der Lage, lockerer zu kämpfen.«

Der Mann zog sich wieder in die Menge zurück und bewegte dabei konzentriert das hölzerne Schwert. Cabera brachte den nächsten Kandidaten, schob ihn vor sich her wie ein Lieblingskind.

»Der hier behauptet, er sei gut. Er war vor ein paar Jahren der Beste in seiner Zenturie. Der Quartiermeister will wissen, ob du bereit bist, die Wette noch einmal freizugeben. Ich glaube, langsam macht er sich Sorgen.« Cabera grinste Brutus an. Er war sichtlich froh, dass er sich nach den ersten langweiligen Abenden fast am hinteren Ende des Zuges in die Reihen der Primigenia manövriert hatte.

Brutus betrachtete seinen neuen Gegner von oben bis unten, musterte die mächtigen Schultern und die schlanke Taille. Der Mann ließ sich davon nicht beeindrucken und dehnte ungerührt seine Muskeln.

»Wie heißt du?«, fragte Brutus ihn.

»Domitius, Zenturio«, antwortete der Mann.

Er hatte etwas an sich, das Brutus misstrauisch die Augen zusammenkneifen ließ.

»Du warst also Zenturienbester. Vor wie vielen Jahren?«

»Vor drei Jahren. Und letztes Jahr Legionsbester«, erwiderte Domitius und setzte seine Aufwärmübungen fort, ohne den Jüngeren anzusehen.

Brutus wechselte einen kurzen Blick mit Cabera und bemerkte dabei, dass die Menge um sie herum so angewachsen war, dass bis auf die Wachtposten so gut wie jeder aus dem Lager um sie herumstehen musste. Auch Renius hatte sich zu ihnen gesellt. Brutus runzelte die Stirn, als er ihn erblickte. Es war nicht leicht, sich zu entspannen, wenn der Mann, der einem alles beigebracht hatte, scheinbar ungläubig den Kopf schüttelte. Brutus raffte sein Selbstvertrauen zusammen.

»Die Sache ist die, Domitius… ich bin sicher, dass du ein tüchtiger Kämpfer bist, aber in jeder Generation muss es einen geben, der besser als alle anderen ist. Das ist nun einmal das Gesetz der Natur.«

Domitius dehnte langsam seine Beinmuskeln und schien über Brutus’ Worte nachzudenken.

»Wahrscheinlich hast du Recht«, antwortete er dann.

»Natürlich habe ich Recht. Jemand muss der Beste seiner Generation sein, und es ist mir fast peinlich zu sagen, dass ich derjenige bin.« Brutus fixierte Domitius und lauerte auf seine Reaktion.

»Fast peinlich?«, murmelte der Mann, während er seine Rückenmuskeln lockerte.

Die Gelassenheit des Legionärs irritierte Brutus. Etwas an diesen beinahe hypnotischen Streckübungen reizte ihn.

»Genau. Cabera? Geh zum Quartiermeister und sag ihm, dass ich noch Wetten für einen letzten Kampf annehme, gegen Domitius.«

»Ich glaube nicht…«, fing Cabera an und warf einen zweifelnden Blick auf den Neuankömmling. Domitius war fast einen Kopf größer als Brutus und bewegte sich mit einem Körpergefühl und einem Gleichgewichtssinn, wie man es nur selten zu sehen bekam.

»Sag’s ihm einfach. Dieser eine noch, dann komme ich kassieren.«

Cabera verzog das Gesicht und trottete davon.

Domitius richtete sich auf wie eine Schlange, die sich entrollt, und lächelte Brutus an.

»Darauf habe ich gewartet«, sagte er. »Meine Freunde haben sehr viel Geld verloren, weil sie gegen dich gesetzt haben.«

»Und das hat dich nicht stutzig gemacht? Na komm, bringen wir es hinter uns«, erwiderte Brutus knapp.

Domitius seufzte. »Ihr kleinen Männer seid immer so ungeduldig«, sagte er und schüttelte den Kopf.

Octavian wischte sich die Nase am Unterarm ab und hinterließ dabei eine silbrige Spur auf der Haut. Zuerst war ihm die Stadt ganz fremd vorgekommen. Es war nicht schwer gewesen, sich in der Deckung eines Bauernkarrens an den Torwächtern vorbeizuschleichen, aber sobald er drinnen war, setzten ihm der Lärm, die Gerüche und das eilige Gewimmel der Menschenmengen zu. Ihm wurde klar, dass er in den Monaten auf dem Landgut vergessen hatte, wie turbulent es sogar am Abend in der Großstadt zuging.

Er hoffte, dass sich Tubruk Sorgen um ihn machte. In ein oder zwei Tagen würden sie ihn wieder mit offenen Armen aufnehmen, besonders, wenn es ihm gelang, Tabbic zu überreden, der Klinge wieder eine ordentliche Schneide zu verpassen. Bis dahin musste er nur aufpassen, dass ihm bis zum Morgen, wenn der kleine Laden wieder geöffnet wurde, nichts zustieß. Das Schwert trug er in eine Pferdedecke eingewickelt unter dem Arm. Andernfalls wäre er damit nicht weit gekommen. Irgendein rechtschaffener Bürger hätte ihn angehalten, oder, schlimmer noch, ein Dieb hätte es ihm weggenommen, um es in einem billigeren Laden als dem von Tabbic zu Geld zu machen.