Domitius war daraufhin verwundert ein Stück zurückgewichen, und Brutus hatte den Augenblick genutzt, um seinen Zorn zu bezwingen und seinem Gegner mit der gleichen Gelassenheit zu begegnen. Domitius schnaufte nicht einmal und wirkte völlig entspannt.
Um nicht einen feindlichen Angriff zu übertönen, war es den umstehenden Soldaten verboten, die Kämpfer anzufeuern oder laut zu jubeln. Stattdessen zischten sie oder stöhnten leise auf, ballten die Fäuste und fletschten vor Aufregung die Zähne.
Als die Schwerter sich ineinander verhakt hatten, ergab sich für Brutus die Möglichkeit, einen Faustschlag zu landen, doch auch das war verboten, damit sich die Soldaten nicht so schwer verletzten, dass sie am folgenden Tag nicht mehr mitmarschieren konnten.
»Jetzt hätte… ich dich gehabt«, keuchte er.
Domitius nickte. »Ich hatte meine Chance schon früher. Aber ich habe natürlich auch eine größere Reichweite als du.«
Wieder kam die Attacke, und Brutus wehrte sie zweimal ab, bevor die Dritte seine Deckung durchbrach und er auf die hölzerne Spitze hinabblickte, die schmerzhaft unterhalb der Rippen auf seine Brust drückte.
»Das wär’s wohl«, sagte Domitius. »Du bist wirklich sehr gut. Mit diesem komischen Stil, den du mittendrin gewechselt hast, hättest du mich fast erwischt. Den musst du mir gelegentlich beibringen.« Als er Brutus’ niedergeschlagenen Gesichtsausdruck sah, musste er lachen.
»Mein Sohn, seit ich so alt war wie du, bin ich fünfmal Legionsbester gewesen. Du bist immer noch zu jung, um deine volle Geschwindigkeit erreicht zu haben, und mit der Geschicklichkeit dauert es sogar noch länger. Fordere mich in einem oder zwei Jahren wieder heraus, vielleicht sieht das Ergebnis dann anders aus. Du hast dich wacker geschlagen, und ich sollte das wissen.«
Domitius ging zu einer Gruppe Soldaten hinüber, die ihm freudig auf Rücken und Schultern klopften. Cabera kam mit säuerlicher Miene auf Brutus zu.
»Er war sehr gut«, murmelte Brutus. »Besser als Renius oder jeder andere.«
»Könntest du ihn schlagen, wenn ihr noch einmal kämpfen würdet?«
Brutus dachte darüber nach, rieb sich das Kinn und den Mund. »Vielleicht… wenn ich meine Lehren aus diesem Kampf ziehe.«
»Gut, denn ich habe unsere Gewinne schon vor dem Kampf beim Quartiermeister abgeholt.«
»Was? Ich habe dir doch gesagt, du sollst sie noch offen lassen!«, sagte Brutus mit erstauntem Grinsen. »Ha! Wie viel haben wir eingestrichen?«
»Zwanzig Aurei, das ist doppelt so viel wie das ursprüngliche Silber für die sieben Kämpfe, die du gewonnen hast. Ein paar musste ich für Domitius lassen, weil ich aus Höflichkeit auf dich gesetzt habe, aber der Rest gehört uns.«
Brutus lachte laut auf und zuckte gleich darauf zusammen, als er die blauen Flecken spürte, die er sich eingehandelt hatte.
»Er hat mich nur herausgefordert, damit seine Freunde ihr verspieltes Geld zurückgewinnen konnten. Wie es aussieht, bekomme ich doch noch eine zweite Chance.«
»Wenn du willst, mache ich es für morgen aus. Die Chancen dürften hervorragend stehen. Wenn du gewinnst, gibt es im ganzen Lager keine einzige Münze mehr.«
»Dann tu das. Ich würde es gern noch einmal mit Domitius versuchen. Du alter Schlaufuchs! Woher wusstest du, dass ich verlieren würde?«
Cabera seufzte und beugte sich zu Brutus herab, als wollte er ihn in ein Geheimnis einweihen. »Ich wusste es, weil du ein Narr bist. Niemand schlägt einen Legionsbesten nach drei anderen Kämpfen.«
»Beim nächsten Mal lasse ich Renius die Einsätze machen«, schnaubte Brutus empört.
»In diesem Falle lasse ich mir meinen Anteil vorher ausbezahlen.«
36
Julius hatte gedacht, er hätte in Afrika und Griechenland geschäftige Hafenstädte gesehen, aber Ariminum war das Zentrum des Getreidehandels des ganzen Landes; die Kais waren mit Schiffen überfüllt, die ihre Ladung löschten oder frisch beladen wurden. Es gab sogar ein Forum und Tempel, in denen die Soldaten um Beistand in den bevorstehenden Kämpfen beten und ihren Frieden finden konnten. Es war wie ein kleines Rom, errichtet am Rande der weiten Po-Ebene, und damit das Tor zum Süden. Alles, was von Norden her nach Rom unterwegs war, musste zuerst durch Ariminum.
Crassus und Pompeius hatten ein Privathaus am Rande des Forums requiriert, und dorthin lenkte Julius am zweiten Abend seine Schritte, wobei er sich mehr als einmal nach dem Weg erkundigen musste. Er war mit zehn Soldaten der Primigenia unterwegs, als Vorsichtsmaßnahme in einer fremden Stadt, aber die Bewohner schienen viel zu sehr mit ihrem Handel beschäftigt zu sein, um sich um Intrigen oder um Politik zu scheren. Ob die gewaltige Streitmacht, die in einem Ring um die Stadt lagerte, sie beunruhigte, konnte er nicht sagen. Die Schiffe und Getreidekarawanen kamen und gingen, und die Geschäfte wurden ohne Unterbrechungen fortgeführt, als bestünde die einzige Gefahr bei einem Krieg im Ansteigen der Marktpreise.
Julius und seine Männer schoben sich mit Leichtigkeit durch die dahineilenden Massen, hörten ihr Geschnatter, während sie im Gehen Geschäfte abschlossen, und sahen, dass sie von den Soldaten, denen sie auswichen, kaum Notiz nahmen. Vielleicht hatten sie Recht, sich so sicher zu fühlen, dachte er. Zusammen mit den beiden nördlichen Legionen, auf die sie in der Stadt getroffen waren, war die versammelte Streitmacht an die vierzigtausend Soldaten stark. Es war schwer, sich einen Gegner vorzustellen, mit dem sie nicht fertig werden würden, trotz des Schreckens, den Spartacus’ Rebellion nach der Verwüstung von Mutina ausgelöst hatte.
Er fand das richtige Haus, indem er sich an den Wachposten orientierte, die auf den Stufen vor der Eingangstür standen. Es war typisch für Crassus, dass er sich ein derartig opulentes Haus ausgesucht hatte, dachte Julius lächelnd. Bei aller persönlichen Bescheidenheit liebte er es, sich mit schönen Dingen zu umgeben. Julius fragte sich, ob der wahre Eigentümer die eine oder andere Lücke unter seinen Schätzen finden würde, nachdem die Römer wieder gegangen waren. Er erinnerte sich daran, dass Marius gesagt hatte, man könne Crassus in jeder Hinsicht trauen – nur nicht, wenn es um Kunst ging.
Julius wurde von einem Soldaten hineingeführt und betrat einen Raum, der von der hellen Statue eines nackten Mädchens dominiert wurde. Zu ihren Füßen hatten Crassus und Pompeius Stühle aufgestellt, ihnen gegenüber standen im Halbkreis weitere Sitzgelegenheiten.
Sechs der acht Legaten waren bereits anwesend. Als die letzten beiden eintraten, saß Julius mit den Händen im Schoß da und wartete. Der letzte war Lepidus, der in Griechenland den Leichnam des Mithridates von ihm entgegengenommen hatte. Es kam ihm vor, als sei seither eine Ewigkeit vergangen, aber der Mann trug noch immer denselben gleichgültigen Gesichtsausdruck zur Schau, als er Julius knapp zunickte und anfing, mit den Fingernägeln der einen Hand die der anderen zu säubern.
Pompeius beugte sich vor, so dass die hinteren Beine seines Stuhls sich vom Boden hoben.
»Von heute an, meine Herren, wünsche ich euch jeden Abend zu sehen, sobald die Wachen ihre Posten bezogen haben. Damit wir nicht mehr mit einer verwundbaren Reihe von vier Lagern dasitzen, habe ich Befehl gegeben, nur zwei Lager zu bilden, vier Legionen in jedem. Ihr müsstet nahe genug sein, um eure Kommandoposten zwei Stunden vor jeder Mitternacht zu erreichen.«
Interessiertes Gemurmel war von Seiten der Legaten zu vernehmen. Pompeius redete einfach weiter.
»Den letzten Berichten zufolge zieht die Sklavenarmee so rasch wie möglich nach Norden. Crassus und ich glauben, dass die Gefahr besteht, dass sie die Alpen und damit Gallien erreichen. Wenn wir sie nicht vorher abfangen, entwischen sie uns. Gallien ist groß, und unser Einfluss dort gering. Wir dürfen ihnen nicht erlauben, in die Freiheit zu entkommen, sonst haben wir es nächstes Jahr mit einem Aufstand aller noch in römischen Landen verbliebenen Sklaven zu tun. Die Zerstörung und der Verlust an Menschenleben wären unermesslich.«