Krixos fuchtelte mit der vernarbten Faust vor dem Mann herum, den er verehrte wie keinen anderen. »Ich weiß, was du denkst, aber wir machen es nicht genauso wie diese verfluchten Schweine. Es muss nicht so sein.«
Da Spartacus ihn nur schweigend ansah, fuhr er wütend fort: »Na schön, wenn du unbedingt eine Antwort haben willst – dann lasse ich eben den Senat auf meinen Feldern arbeiten und bezahle den Drecksäcken sogar Lohn dafür.«
»Wer von uns beiden ist jetzt der Träumer, Krix?«, lachte Spartacus. »Sieh doch, wir haben es so weit gebracht. Wir haben einen Ort erreicht, von dem aus wir alles hinter uns lassen und ein völlig neues Leben anfangen können. Nein, wir können unser Leben wieder aufnehmen, so, wie es hätte sein sollen. Vielleicht spüren sie uns letztendlich doch noch auf, aber, wie ich schon sagte, Gallien ist groß genug, um mehr als eine Armee darin zu verstecken. Wir gehen so weit nach Norden, bis wir einen Ort finden, wo Rom nicht mehr ist als ein Wort, oder wo man noch nie davon gehört hat. Wenn wir uns wieder nach Süden wenden, noch dazu mit den Frauen und Kindern, setzen wir alles aufs Spiel, was wir bisher gewonnen haben. Und wofür? Damit du in einem Marmorhaus sitzen und auf alte Männer spucken kannst?«
»Du lässt dich von ihnen tatsächlich aus dem Land jagen?«, fragte Krixos verbittert.
Spartacus packte ihn mit einer seiner kraftvollen Hände am Arm.
»Du willst tatsächlich darauf warten, dass sie dich umbringen?«, fragte er sanft.
Bei diesen Worten verschwand Krixos’ Zorn.
»Verstehst du denn nicht, du thrakischer Sturkopf«, sagte er mit verkniffenem Lächeln. »Das hier ist auch mein Land. Hier bin ich dein Feldherr, der Sklavenhammer, der eine Legion auf ihrem eigenen Feld geschlagen hat, und zwei weitere in Mutina. In Gallien bin ich nur einer von vielen Kriegsfürsten in schlecht gegerbten Fellkleidern. Und du auch. Wir sind verrückt, wenn wir uns von all diesem Reichtum und all der Macht abwenden, nur um unsere restlichen Jahre in der Hoffnung zu verbringen, dass sie uns niemals finden. Jetzt haben wir sogar Antonidus. Er kennt ihre Schwächen. Wenn ich nicht überzeugt wäre, dass wir gewinnen können, würde ich ihnen meinen Arsch zukehren und mich davonmachen, bevor ich noch einen einzigen Legionär zu Gesicht bekomme. Aber wir können gewinnen. Antonidus sagt, sie sind an allen anderen Grenzen fest gebunden, in Griechenland, in Afrika, überall. Sie haben nicht genug Legionen im Land, um uns zu widerstehen. Bei den Göttern, der Norden steht uns offen, du hast es selbst gesehen. Antonidus sagt, wir können für jeden Legionär drei Mann ins Feld bringen. Eine bessere Chance bekommst du nicht, nicht in diesem Leben. Egal was sie haben, wir können sie schlagen, und danach gehört alles uns – Rom, die Städte, das Land, der Reichtum, alles!«
Er streckte die Hand aus und flüsterte die Worte, die jedes Stadium ihrer Rebellion begleitet hatten, von den ersten wilden Tagen bis zur aufkeimenden Hoffnung, dass sie die alte, seit Jahrhunderten bestehende Ordnung zerschlagen könnten.
»Alles oder nichts, Spartacus?«, fragte er.
Der Gladiator schaute auf die Hand und das Band der eingeschworenen Freundschaft, die sie repräsentierte. Sein Blick wanderte über den Adler von Mutina, der an der Zeltwand lehnte. Nach einem Augenblick stummen Nachdenkens stieß er den angehaltenen Atem aus.
»Na schön. Alles oder nichts. Bringt die Frauen und Kinder in Sicherheit, und dann will ich Antonidus sprechen, bevor ich es den Männern sage. Glaubst du, sie werden uns folgen?«
»Nein, Spartacus, aber dir werden sie überallhin folgen.«
Spartacus nickte. »Dann ziehen wir nach Süden und stoßen gegen ihr Herz vor.«
»Und reißen es ihnen aus.«
Pompeius hatte Lepidus mit seiner Legion an die Spitze der Marschkolonne beordert und sie so gezwungen, die Geschwindigkeit vorzugeben. Hinter ihnen marschierte die Primigenia mit Crassus und Pompeius an der Spitze. Die Botschaft war deutlich, und die ersten hundert Meilen waren mit der von Pompeius gewünschten Geschwindigkeit zurückgelegt worden, ohne einen einzigen Mann einzubüßen.
Die Abende in den beiden großen Lagern verliefen deutlich ruhiger als auf der Via Flaminia. Die Marschgeschwindigkeit laugte die Legionäre aus, und sobald das Signal zum Anhalten ertönte, wollten sie kaum etwas anderes als essen und schlafen. Sogar Brutus hatte mit seinen Schwertkämpfen aufgehört, wobei er sich mit zwei Niederlagen und zwei Siegen unentschieden von Domitius trennen musste. Ab und zu brachte Cabera verstimmt das Geld zur Sprache, das sie dabei verloren hatten.
Die Reiterei der Extraordinarii kam jeden Tag mit neuen Meldungen zurück und schwärmte der Hauptstreitmacht weit voraus. Die Nachrichten, die sie mitbrachten, waren beunruhigend kurz und enthielten keinerlei Hinweise darauf, dass sich das Sklavenheer irgendwo in ihrer Nähe aufhielt. Pompeius entsandte immer mehr Kundschafter mit dem Auftrag, sie im Norden und im Westen aufzuspüren. Es wurde nicht laut ausgesprochen, aber insgeheim befürchtete man, dass der Feind sie in einem derart riesigen Landstrich unbemerkt umgehen und in ihrem Rücken gegen den schutzlos ausgelieferten Süden vorstoßen könnte.
Jeden Abend prallten die Argumente und überreizten Gemüter bei der Versammlung der Heerführer aufeinander. Statt es als Beweis von Pompeius’ Missgunst zu betrachten, schien Lepidus mit der Führung der Marschkolonne überaus zufrieden zu sein, und Pompeius war immer weniger gewillt, sich seine Beschwerden anzuhören. Nach Lepidus’ Ansicht konnte nur seine Autorität die Geschwindigkeit erzwingen, die Pompeius von seinen Legionen erwartete, und jeden Abend behauptete er, dass der Preis dafür verheerend sein könnte. Er entwickelte eine wahre Meisterschaft darin, genau dann mit seinen Sticheleien aufzuhören, wenn Pompeius der Geduldsfaden riss. Inzwischen waren die Zusammenkünfte beinahe zu Kraftproben zwischen den beiden geworden, denen auch Crassus machtlos zusehen musste. Julius hoffte nur, dass Lepidus ebenso gut kämpfen wie streiten konnte.
Nach zwei Wochen auf der Straße nach Westen berichtete Lepidus triumphierend, dass etliche Männer zusammengebrochen und bei den Wachposten oder in Dörfern zurückgelassen worden seien, mit dem Befehl, sich nach ihrer Genesung wieder dem Heer anzuschließen. Jeden Abend litten Hunderte von Legionären in der langen Marschkolonne an Blasen und Verstauchungen. Die Legionen näherten sich der Erschöpfung, und die anderen Unterheerführer schlugen sich nach und nach auf Lepidus’ Seite und schlossen sich seiner Forderung nach einer Erholungspause für die Männer an. Pompeius gab widerstrebend nach, denn er wollte seine Autorität nicht unterwandert sehen, und gewährte ihnen vier Tage Rast. Nur die Extraordinarii durften nicht ruhen, denn Pompeius schickte sie in einem letzten Versuch, das Sklavenheer ausfindig zu machen, alle auf einmal aus.
Endlich kamen die Reiter mit Meldungen ins Lager zurückgaloppiert, dass der Feind gesichtet worden sei. Die Aufständischen bewegten sich von den Bergen weg nach Süden und Osten in die Ebene hinein. An diesem Abend versammelte Pompeius seine Feldherren um sich, um ihnen die bitteren Neuigkeiten mitzuteilen.
»Sie haben es auf Rom abgesehen, und unsere Kundschafter berichten, dass sie mittlerweile achtzigtausend Mann haben. Jeder Sklave im Norden ist zu ihnen übergelaufen.«
Es war sinnlos, die Zahlen vor den Feldherren geheim zu halten, jetzt, da die Rebellen nur noch ein paar hundert Meilen entfernt waren. Nachdem die Kundschafter sie endlich entdeckt hatten, würde man sie nicht mehr entwischen lassen. Ganz gleich, wie stark der Feind war, es blieb nur noch die Entscheidung, wo man ihn am besten angreifen sollte.
»Wenn sie nach Süden kommen, können wir ihnen entweder entgegenmarschieren, oder warten, bis sie uns erreicht haben«, fuhr Pompeius fort. »Was auch geschieht, sie dürfen nicht an uns vorbei, sonst verlieren wir Rom. Wir dürfen keinen Fehler machen, meine Herren, denn wenn sie unsere Reihen durchbrechen, wird Rom fallen, und alle unsere Lieben werden sterben, so wie es Karthago ergangen ist. Wir werden hier bis zum letzten Mann kämpfen, falls es so weit kommen sollte. Macht euren Männern das klar. Wir können uns nirgendwohin zurückziehen, es gibt keine Zuflucht, wo wir uns neu formieren und abermals zuschlagen können. Die Republik steht und fällt mit uns.«