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»Es gibt da eine Felsnase, die das Schlachtfeld überragt«, sagte er leise. »Brutus glaubt, dass wir von dort einen guten Blick auf die feindliche Streitmacht haben.«

»Ich kenne das Gelände, Herr, aber die Kundschafter sagen, der Felsen sei zu steil, um ihn zu erklettern. Es geht praktisch senkrecht nach oben«, erwiderte der Soldat und rieb sich nachdenklich das Kinn.

»Einen Versuch wäre es wert«, mischte sich Brutus ein.

Der Zenturio sah ihn zum ersten Mal an. Seine Miene war nachdenklich.

»Ich könnte die Meldung bis zur Wachablösung in drei Stunden verzögern. Wenn ihr bis dahin nicht zurück seid, muss ich euch als Deserteure melden. So viel gestehe ich einem Neffen des Marius zu, aber nicht mehr.«

»Guter Mann. So weit wird es nicht kommen. Wie ist dein Name?«, fragte ihn Julius.

»Taranus, Herr.«

Julius klopfte dem Pferd den zitternden Hals.

»Ich bin Julius Cäsar, und das ist Marcus Brutus. Wir sind vor der Wachablösung wieder hier, Taranus. Ich gebe dir mein Wort darauf.«

Auf Taranus’ Befehl traten die Wachen zur Seite und ließen sie durch. Draußen standen sie auf einer felsigen Ebene, und irgendwo vor ihnen lag der Feind. Sobald sie außer Hörweite der Wachen waren, fuhr er Brutus an.

»Ich fasse es nicht, dass ich mich von dir zu so etwas habe überreden lassen! Wenn Pompeius davon erfährt, lässt er uns die Haut vom Rücken peitschen. Mindestens.«

Brutus zuckte ungerührt die Achseln.

»Das wird er nicht tun. Nicht, wenn wir diesen Felsen erklettern. Seine Kundschafter sind Reiter, verstehst du? Sie denken, alles, wo sie kein Pferd hinaufbekommen, kann nicht erklommen werden. Ich habe mir den Felsen kurz angesehen, bevor es dunkel wurde. Von dort oben haben wir eine hervorragende Aussicht. Das Mondlicht müsste ausreichen, um das Lager des Feindes zu sehen, und das dürfte sehr nützlich sein, ganz egal, was Pompeius dazu sagt, dass wir das Lager verlassen haben.«

»Ich kann nur hoffen, dass du Recht hast«, sagte Julius grimmig. »Jetzt komm. Drei Stunden sind nicht sehr viel.«

Die beiden jungen Männer trabten los und hielten auf die schwarze Silhouette zu, die sich vor ihnen gegen die Sterne abzeichnete. Es war eine bedrohliche Felsspitze, ein Zahn mitten in der Ebene.

»Aus der Nähe sieht es viel höher aus«, flüsterte Brutus und entledigte sich für den Aufstieg seiner Sandalen und seines Schwertes. Obwohl sie sich so die Füße aufreißen würden, war es besser, als mit rutschenden und klappernden eisenbeschlagenen Sandalen zu klettern und so den Feind auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich wussten sie nicht, wie nahe sie seinen Spähtrupps waren, aber weit entfernt konnten sie nicht sein.

Julius blickte zum Mond hinauf und versuchte auszurechnen, wie viel Zeit ihnen blieb, bevor er unterging.

Trotz des hilfreichen Mondlichts war der Aufstieg schwierig und gefährlich. Die ganze Zeit über quälte Julius die Vorstellung, dass irgendein Bogenschütze der Sklavenarmee sie erblicken und mit Pfeilen spicken würde, so dass sie auf die mit Felsbrocken übersäte Ebene stürzen und dort zerschmettert werden würden. Die Felsnadel schien immer höher zu werden, je weiter sie kletterten, und Julius war überzeugt, dass sie mindestens hundert, wenn nicht gar zweihundert Fuß hoch war. Nach einer Weile verwandelten sich seine Füße in gefühllose Klumpen, die ihn kaum noch trugen. Seine Finger schmerzten und verkrampften sich, und allmählich sorgte er sich, dass sie nicht mehr rechtzeitig im Lager zurück sein würden, bevor der Zenturio sie meldete.

Seiner Berechnung nach dauerte es fast eine Stunde, bis sie den abgeflachten Gipfel des Felsens erreicht hatten, und zunächst konnten Brutus und er nichts anderes tun, als keuchend dazuliegen und lang ausgestreckt darauf zu warten, dass sich ihre gemarterten Muskeln einigermaßen erholten.

Der Gipfel war eine unebene Fläche, die im Mondlicht beinahe weiß schimmerte. Julius hob den Kopf und duckte sich gleich darauf wieder. Entsetzen durchfuhr ihn.

Dort war noch jemand, nur wenige Fuß von ihnen entfernt. Zwei Gestalten saßen da und beobachteten sie. Julius griff dorthin, wo normalerweise sein Schwert hing, und beinahe hätte er laut geflucht, als ihm einfiel, dass er es unten liegen gelassen hatte.

»Sieht ganz so aus, als hättet ihr zwei die gleiche Idee gehabt«, gluckste eine tiefe Stimme.

Brutus stieß einen Fluch aus und richtete sich auf, ebenso erschrocken wie Julius. Die Stimme sprach Latein, doch jede Hoffnung, dass es sich dabei um einen ihrer eigenen Leute handeln könnte, wurde rasch zerstreut.

»Diesen Aufstieg habt ihr wohl kaum mit euren Schwertern geschafft, Jungs, aber ich habe einen Dolch dabei, und wenn man so hoch oben und noch dazu barfuß ist, sollte man sich sehr vorsichtig und friedfertig bewegen. Kommt ganz langsam her, und macht mich bloß nicht nervös.«

Brutus und Julius sahen einander an. Sie konnten sich nicht zurückziehen. Die beiden Gestalten erhoben sich und wandten sich ihnen zu. Sie schienen den geringen Platz hier oben völlig in Anspruch zu nehmen. Auch sie waren barfuß und trugen lediglich Tuniken und Beinkleider. Einer von ihnen winkte sie mit einem Dolch heran.

»Allem Anschein nach bin ich damit der König der Nacht, meine Freunde. An eurer Kleidung sehe ich, dass ihr Römer seid. Wolltet ihr ein bisschen die Aussicht genießen?«

»Töten wir sie«, drängte sein Gefährte.

Brutus betrachtete ihn mit einem flauen Gefühl im Inneren. Der Mann war so kräftig gebaut wie ein Ringer, und das Mondlicht ließ ein Gesicht erkennen, in dem keinerlei Mitleid war. Er konnte lediglich darauf hoffen, den Mann mit sich in die Tiefe zu reißen, ein Gedanke, der ihn nicht sonderlich beruhigte. Er schob sich ein Stück weiter von dem Abgrund hinter ihm weg.

Der andere Mann legte eine Hand auf die Brust seines Freundes und hielt ihn zurück.

»Dazu besteht keine Veranlassung, Krix. Morgen in der Schlacht gibt es Gelegenheiten genug. Dann können wir immer noch einer des anderen Blut vergießen, und dabei nach Herzenslust brüllen und Drohungen ausstoßen.«

Der Ringer gab mit einem Grunzen nach und drehte den beiden Römern den Rücken zu. Jetzt saß er fast so nahe, dass sie ihn hätten berühren können, aber etwas in der wachen Haltung des Mannes verriet Brutus, dass er genau das erwartete. Vielleicht hoffte er sogar darauf.

»Seid ihr bewaffnet?«, fragte der erste Mann freundlich und winkte sie vorwärts. Als sie sich nicht rührten, rückte er mit stoßbereitem Dolch ein Stück näher an Julius heran. Sein kleinerer Begleiter hinter ihm hatte sich wieder umgedreht und funkelte die jungen Männer herausfordernd an.

Julius ließ sich abtasten und sah dann zu, wie auch Brutus nach versteckten Klingen durchsucht wurde. Der Mann ging sehr gewissenhaft vor, und seine Schultern sahen kräftig genug aus, um ihn auch ohne den Dolch gefährlich genug erscheinen zu lassen.

»Brave Jungs«, sagte er, als er sicher war, dass sie nichts bei sich trugen. »Ich habe nur deshalb eine Waffe dabei, weil ich ein misstrauischer alter Kerl bin. Kämpft ihr morgen mit?«

Julius nickte ungläubig. Er konnte immer noch nicht recht glauben, was hier vor sich ging. Seine Gedanken überschlugen sich, doch er konnte nichts anderes tun als mitspielen. Als ihm das bewusst wurde, entspannte er sich endlich und lachte, worauf Brutus erschrocken zusammenzuckte. Der Mann mit dem Dolch lachte ebenfalls trocken und musterte den jungen Römer.

»Du kannst genauso gut lachen, junger Freund. Hier oben ist es ein bisschen eng für einen Kampf. Von mir aus könnt ihr tun, weshalb ihr hierher gekommen seid, es spielt ohnehin keine Rolle. Ganz egal, was ihr euren Feldherrn berichtet, uns kann morgen ohnehin nichts aufhalten.«

Julius behielt den Mann im Auge, stets auf eine unvermutete Bewegung gefasst, und setzte sich, wobei sein Herz bei dem Gedanken, dass ein rascher Stoß ihn über den Felsrand befördern würde, zu rasen anfing. Die Situation war, gelinde gesagt, sehr merkwürdig, aber der Mann mit dem Messer wirkte völlig gelassen, weit entfernt von der Schlacht, der sie unten auf dem Boden ausgesetzt sein würden.