Es kam ihm vor, als wäre ein beträchtlicher Teil des Schmerzes und der Bitterkeit von ihm genommen worden. Er richtete sich auf und streckte sich. Wer auch immer diese Jäger waren, er wünschte ihnen viel Glück, als er zu den Sklaven zurückging, die noch immer damit beschäftigt waren, den Zaun niederzureißen. Er befahl ihnen, ihre Werkzeuge einzupacken und auf das Anwesen seines Vaters zurückzukehren, denn instinktiv wollte er sich in den nächsten Tagen so weit wie möglich vom Wald fern halten.
Die Sklaven sahen, dass sich seine Stimmung gebessert hatte, und wechselten Blicke; im Stillen fragten sie sich, was für eine Verwerflichkeit er erblickt hatte, die ihn so aufmuntern konnte, dann schulterten sie ihre Lasten und machten sich auf den Heimweg.
Julius war völlig ausgelaugt und fluchte leise, als er über einen losen Stein stolperte. Er wusste, dass er, sollte er hinfallen, womöglich nicht mehr hochkäme und an der Straße liegen gelassen würde.
Sie durften nicht anhalten, nicht, solange die Sklavenarmee vor ihnen auf Ariminum zuhielt. Indem sie in der Dunkelheit vom Schlachtfeld verschwunden waren, hatten sie einen halben Tag Vorsprung gewonnen, und Pompeius hatte befohlen, sie einzuholen. Der Abstand hatte sich in sieben Tagen nicht geschlossen, denn die Legionen verfolgten eine Armee, die wesentlich ausgeruhter war als sie selbst. Die Sklaven ernährten sich wie Heuschrecken von dem Land, durch das sie zogen, und die Legionen marschierten auf der Spur ihrer Verwüstungen. Julius wusste, dass sie noch viel mehr Soldaten verlieren konnten, aber wenn die Sklaven sich nach Süden wandten, war Rom zum ersten Mal in seiner Geschichte völlig entblößt.
Er richtete die Augen auf den Legionär vor ihm. Schon den ganzen Tag hatte er auf diesen Rücken gestarrt und kannte jede Einzelheit, angefangen von dem struppigen grauen Haar, das unter dem Helm hervorlugte, bis zu den Blutspritzern um die Knöchel des Mannes, der eine Meile weit heftig aufgestampft hatte, um seine Blasen zum Platzen zu bringen. Irgendwo weiter vorne hatte jemand uriniert und den Staub der Straße dunkel gefärbt. Julius trottete gleichmütig durch den Flecken und fragte sich, wann er selbst wieder so weit sein würde.
Neben ihm räusperte sich Brutus und spuckte aus. Von seiner gewohnten Energie war nichts zu bemerken. Er ging gebeugt unter dem Gewicht seines Marschgepäcks, und Julius wusste, dass seine Schultern wund gescheuert waren. Er rieb sich abends mit Bratfett ein und wartete stoisch darauf, dass sich Schwielen bildeten.
Seit dem Morgengrauen hatten sie kein Wort gewechselt, der Kampf gegen die Erschöpfung und die Straße spielte sich im Verborgenen ab. So ging es fast allen. Sie marschierten mit schlaffen, halb offenen Mündern, alle Aufmerksamkeit auf einen Punkt irgendwo weiter vorne gerichtet. Oft prallten mehrere Männer aufeinander, wenn die Hörner zum Halt bliesen, und erwachten aus einem dämmrigen Halbschlaf, wenn sie beschimpft oder gestoßen wurden.
Julius und Brutus kauten auf altem Brot und Fleisch herum, das ohne anzuhalten verteilt wurde. Während sie versuchten, Speichel zum Herunterschlucken zu sammeln, kamen sie an einem weiteren zusammengebrochenen Soldaten vorbei und überlegten, ob auch sie irgendwo am Straßenrand zurückgelassen werden würden.
Falls Spartacus vorhatte, die Legionen durch eine Verfolgungsjagd auszulaugen, hätte er es nicht besser machen können, und die ganze Zeit war allen klar, dass es wieder zur Schlacht kommen würde, sobald die Sklaven und Gladiatoren einen geeigneten Kampfplatz gefunden hatten. Nur der Tod würde die Legionen aufhalten.
Cabera hustete Staub aus seiner Kehle, und Julius warf dem alten Mann einen Blick zu; es wunderte ihn von neuem, dass er noch nicht umgefallen war wie die anderen. Die erbärmlichen Rationen und die vielen Meilen hatten seine schmächtige Gestalt noch mehr ausgezehrt, so dass er beinahe wie ein Skelett aussah. Seine Wangen waren eingesunken und dunkel, und der Marsch hatte ihn sowohl seines Humors als auch seiner Gesprächigkeit beraubt. Genau wie Brutus und Renius hinter ihm, hatte auch er kein Wort mehr gesagt, seit sie von müden Optios zum Aufstehen gezwungen worden waren. Die Optios hatten ihre Stöcke unterschiedslos gegen Offiziere und Mannschaften eingesetzt; ihre Gesichter waren ebenso ausgemergelt und erschöpft gewesen wie die aller anderen.
Nur vier Stunden durften sie in der Dunkelheit schlafen. Pompeius wusste, dass sie Ariminum in Flammen vorfinden könnten, doch die Sklaven würden kaum inne halten können, ehe die Legionen am Horizont auftauchten und sie zum Weitergehen zwangen. Sie durften Spartacus nicht erlauben, sich neu zu formieren. Falls nötig, würden sie ihn ins Meer treiben.
Julius hielt den Kopf mit Mühe hoch erhoben; er wusste, dass die Soldaten der Primigenia ringsherum ihn sahen. Lepidus’ Legion marschierte mit ihnen, doch zwischen den Gruppen bestand ein kaum merklicher Unterschied. Die Primigenia war nicht davongelaufen, und jeder Soldat wusste, dass die Strafe für dieses Versagen noch ausstand. Angst stand in den Augen von Lepidus’ Männern und nagte an ihrem Willen, während sie die Stunden in stummer Sorge verbrachten. Julius und Brutus konnten nichts für sie tun. Der Tod des Lepidus konnte den Augenblick der Panik während der Schlacht nur bis zu einem gewissen Grad wieder gutmachen.
Als sie ein altes Lager erreichten, ertönten die Hörner. Es war zwei Stunden zu früh, aber Pompeius hatte offensichtlich beschlossen, die Wälle zu benutzen, die sie schon einmal errichtet hatten, wobei nur wenig Arbeit nötig war, um die verstreute Erde wieder aufzuhäufen. Sobald sie drinnen waren, sanken die Männer dort zu Boden, wo sie gerade standen. Einige lagen auf der Seite, zu müde, um sich das Gepäck vom Rücken zu streifen. Freunde lösten einander die Riemen, dann wurden die kargen Rationen herausgeholt und von einer Hand zur anderen bis zu den Köchen weitergereicht, die in der Asche der alten Feuer neue Flammen entfachten. Die Männer wollten schlafen, doch zuerst mussten sie essen, also wurden der Getreidebrei und das getrocknete Fleisch aufgewärmt und so schnell wie möglich auf metallenen Tellern ausgegeben. Die Legionäre stopften sich das Essen ohne Interesse in den Mund, rollten dann die dünnen Marschdecken aus und legten sich hin.
Julius hatte gerade aufgegessen und leckte sich die letzten Krümel der Getreidegrütze, die sein Körper so dringend benötigte, von den Fingern, als er ein Horn ganz in der Nähe ein Warnsignal blasen hörte. Pompeius und Crassus näherten sich seiner Position.
Er rappelte sich auf und versetzte Brutus, der sich bereits zusammengerollt hatte und in den Schlaf hinübertrieb, einen Tritt. Renius klappte beim Klang des Horns ein Auge auf und richtete sich mit seinem einen Arm stöhnend wieder zum Sitzen auf.
»Auf! Bringt die Männer auf die Beine! Zenturios, lasst die Primigenia in Reih und Glied zur Inspektion antreten! Rasch!«
Er verabscheute es, dies tun zu müssen, als er sah, wie sich die Männer mühsam und benommen wieder aufrichteten. Einige hatten bereits geschlafen und standen mit schlaff herabhängenden Armen da, in ihren Augen zeigte sich lediglich eine stumpfe Aufmerksamkeit. Die Zenturios brüllten und knufften, bis sich so etwas wie Ordnung einstellte. Niemand stöhnte, niemand beklagte sich. Sie hatten nicht mehr die Energie oder die Willenskraft, um sich gegen irgendetwas zu wehren. Sie blieben dort stehen, wo sie hingeschubst wurden, und warteten darauf, dass man sie wieder schlafen ließ.
Pompeius und Crassus ritten durch das Lager und saßen kurz vor Julius ab. Wie nicht anders zu erwarten, sahen beide Männer frischer als die Legionäre rings um sie herum aus, doch die Heerführer trugen eine schmallippige Ernsthaftigkeit zur Schau, die einige von Lepidus’ Männern Gefahr wittern und einander ängstliche Blicke zuwerfen ließ. Pompeius kam auf Julius zu, der salutierte.
»Die Primigenia steht bereit, Herr«, sagte er.