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Tabbic hielt seinen Eisenhammer fest in den Händen, sein Gesicht sah im flackernden Licht bleich und verhärmt aus. Alexandria wusste, dass er nicht nachgeben würde, ebenso wenig wie alle anderen. Sollten die Sklaven sie angreifen, würden sie genauso verbissen kämpfen wie die Legionen. Sie schaute nach links und rechts die Reihe der Gesichter entlang, die in die Dunkelheit hinabstarrten, und wunderte sich über ihre Ruhe. Familien standen schweigend zusammen, sogar die Kinder, die angesichts der vorüberziehenden Armee ehrfürchtig verstummt waren. Der Mond spendete nur wenig Licht, doch es reichte aus, um die weißen Gesichter der Sklaven zu sehen, die zu der Stadt heraufblickten, die ihren Tod verfügt hatte. Ihre Reihen schienen kein Ende zu nehmen, doch der Mond hatte seinen Zenit erklommen und sank wieder, ehe die letzten Nachzügler in der Nacht verschwanden.

Endlich, nach vielen Stunden der bangen Erwartung, ließ die Anspannung nach. Die Boten von den Legionen hatten die Nachricht überbracht, das Heer sei nicht mehr weit entfernt, und der Senat hatte die Bevölkerung auf die Mauern befohlen, bis alles wieder sicher war, wobei die Senatoren mit gutem Beispiel vorangegangen waren, indem sie sich mit den Schwertern ihrer Väter und Großväter auf den großen Torhäusern postiert hatten.

Alexandria sog die kühle Nachtluft ein und fühlte sich quicklebendig. Der Regen ließ allmählich nach, und Rom hatte überlebt. Das angespannte Lächeln auf den Gesichtern und das hier und dort laut werdende Gelächter zeigten ihr, dass es allen so erging. In diesem Moment wusste sie, dass sie alle hier in der Dunkelheit eine Gemeinschaft erlebt hatten, die genauso stark war wie jede andere Verbindung in ihrem Leben. Trotzdem fühlte sie sich zerrissen. Sie war selbst Sklavin gewesen, so wie die Menschen dort draußen Sklaven waren, und hatte davon geträumt, sich mit den anderen in einer gewaltigen Menge zu erheben und die herrschaftlichen Häuser und Mauern niederzureißen.

»Werden sie alle getötet werden?«, sagte sie leise, fast als spräche sie mit sich selbst.

Tabbic drehte sich abrupt zu ihr um. Seine Augen lagen im Dunkeln.

»Allerdings. Der Senat hat das Fürchten gelernt, und das wird er keinem einzigen von ihnen verzeihen. Bevor das alles zu Ende ist, werden die Legionen ein blutiges Exempel an ihnen statuieren.«

Pompeius ließ die Lampen in seinem Zelt herunterbrennen und las die Eilbotschaften aus Rom. Die Stadt lag weniger als dreißig Meilen südlich von ihnen. Der Regen trommelte auf die Leinwand des Kommandantenzeltes und tröpfelte an etlichen Stellen auf den durchweichten Boden. Essen stand unberührt auf dem Tisch. Pompeius las jede Nachricht wieder und wieder durch. Er musste Crassus verständigen.

Nach einer Weile stand er auf, schritt unruhig auf und ab und blickte erst auf, als eine der Fackeln flackernd erlosch. Er zog eine andere aus ihrem Halter und hielt sie vor die Karte, die über die gesamte Zeltwand gespannt war. Auf dem Pergament zeichneten sich dunkle, feuchte Flecken ab. Wenn es so weiterregnete, würde er sie abnehmen müssen. Rom war nur ein winziger Kreis auf der dicken Rindshaut, und irgendwo südlich davon zogen die Sklaven immer weiter in Richtung Meer. Er starrte auf das Symbol der Stadt. Er wusste, dass er eine Entscheidung treffen musste, bevor Crassus eintraf.

Rings um ihn herum patrouillierten die Wachen durch das schweigende Lager. Der Senat hatte ihnen Verpflegung geschickt, sobald Spartacus’ Armee nach Süden abgezogen war. Pompeius konnte sich die Angst auf den Straßen vorstellen, als die Sklaven vor den Mauern vorübergekommen waren, doch die Tore waren fest verschlossen geblieben.

Als er das gehört hatte, war er stolz auf sein Volk gewesen: Die Alten und Jungen, die Frauen und die treu gebliebenen Sklaven waren zum Kampf bereit gewesen. Sogar der Senat hatte sich wie vor Hunderten von Jahren bewaffnet, um die Stadt mit seinem Leben zu verteidigen. Das gab ihm Hoffnung.

Gemurmelte Parolen vor dem Zelt kündigten Crassus’ Ankunft an. Der Feldherr trat ein und blickte sich erstaunt in dem dunklen Zelt um. Er trug einen schweren Mantel über der Rüstung, und als er die Kapuze zurückschlug, sprühten rings um ihn Tropfen auf den Boden.

»Was für eine scheußliche Nacht«, brummte er. »Was gibt’s Neues?«

Pompeius wandte sich zu ihm um.

»Einige der Nachrichten sind… schrecklich«, erwiderte er, »aber das muss warten. An der Küste stehen vier Legionen, die gerade aus Griechenland angelandet sind. Ich werde zu ihnen reiten und sie mit den unseren zusammenführen.«

Crassus nickte müde.

»Was noch, Pompeius? Du könntest ihnen die Extraordinarii schicken, mit unseren Siegeln und unseren Befehlen. Warum willst du selbst gehen?«

Pompeius verzog im Dämmerlicht das Gesicht.

»Der Mann, der meine Tochter getötet hat, ist gefunden worden. Die Männer, die ich zurückgelassen habe, damit sie ihn aufspüren, beobachten ihn. Ich werde in der Stadt Halt machen, ehe ich mich den Legionen anschließe, die aus dem Westen kommen. Bis das erledigt ist, musst du ohne mich auskommen.«

Crassus nahm einen Kienspan und ein Ölkännchen vom Tisch und zündete die Lampen wieder an. Seine Hand zitterte ein wenig vor Anspannung. Endlich setzte er sich hin und sah Pompeius in die Augen.

»Wenn sie kehrtmachen und kämpfen, kann ich nicht auf dich warten«, sagte er.

Pompeius schüttelte den Kopf. »Dann zwing sie nicht zum Umkehren. Lass ihnen genug Platz zum Davonlaufen, und in ein paar Tagen, höchstens in einer Woche, bin ich mit frischen Männern wieder da, um diese Jagd ein für alle Mal zu beenden.«

Crassus ließ sich seinen Zorn nicht anmerken. Immer sahen sie in ihm nur den Kaufmann, den Geldverleiher, als gäbe es irgendein großes Geheimnis hinter den Legionen, das nur wenige Auserwählte kannten. Als hafte seinem Reichtum Schande an. Er sah, dass Pompeius um seinen Sieg bangte. Wie furchtbar, wenn der erbärmliche Crassus ihn ihm vor der Nase wegschnappte! Wer dieser Rebellion das Rückgrat brach, würde der nächste Konsul sein, so viel war sicher. Wie sollte der Senat dem Willen des Volkes nach so vielen Monaten der Angst widersprechen? Nicht zum ersten Mal verspürte Crassus Bedauern über seine Großzügigkeit, bei der Senatsdebatte Pompeius vorgeschlagen zu haben. Hätte er damals gewusst, wie der Feldzug verlaufen würde, hätte er es allein riskiert.

»Ich treibe sie nach Süden«, sagte er, und Pompeius nickte zufrieden. Dann nahm er eine weitere Meldung vom Tisch, hielt sie schräg ins Licht, damit Crassus sie lesen konnte, und zeigte dabei auf die Landkarte an der Zeltwand.

»Die Schiffe, die in diesem Bericht erwähnt werden, können nur für die Sklaven bestimmt sein. Ich würde hier bleiben, wenn ich nicht sicher wäre, dass sie weiterziehen, aber solange du sie nicht provozierst, werden sie weiter nach Süden marschieren, um die Schiffe zu erreichen. Ich fordere die Galeeren an. Es wird keine Flucht übers Meer geben, das schwöre ich.«

»Falls sie das wirklich vorhaben«, murmelte Crassus, der immer noch las.

»Sie können nicht ewig weiterlaufen. Sie müssen halb verhungert sein, egal, was sie unterwegs alles aufgelesen haben. Jeder Tag macht sie schwächer, wenn sie wirklich darauf hoffen, sich uns noch einmal in einer offenen Schlacht zu stellen. Nein, sie versuchen zu entkommen, und diese Berichte hier sind der Schlüssel dazu.«

»Und wenn sie sehen, dass unsere Galeeren sich sammeln, um ihre Flucht zu verhindern, kommst du mit den griechischen Legionen dazu und vernichtest sie?«, fragte Crassus und spürte, wie etwas von seiner Gereiztheit in seine Stimme kroch.