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Julius schloss einen Moment die Augen und dachte an das, was Pompeius gesagt hatte. Der Konsul hatte selbst Verluste erlitten. Sollte er sich als schwächer erweisen als dieser Mann? Cornelias Tod hatte ihn von allen Hemmnissen befreit. Nichts konnte ihn davon abhalten, eine Armee gegen Cato zu führen und ihn aus dem Fleisch Roms herauszubrennen. Am liebsten hätte er Flammen über der Stadt gesehen, hätte den Namen und jede Erinnerung an die Sullaner für alle Zeiten getilgt. Catalus, Bibulus, Prandus, Cato selbst. Sie alle hatten Familien, die für das, was ihm genommen worden war, mit Blut bezahlen konnten.

Da war noch seine Tochter Julia. In dem Bericht hatte nichts von ihrem Tod gestanden.

Bei dem Gedanken an sie legten sich die Verpflichtungen des Lebens, das er gewählt hatte, wieder wie ein Mantel um ihn und dämpften seinen Kummer. Brutus sah ihn immer noch wartend an.

»Nein, Brutus, noch nicht. Ich werde warten. Aber eines Tages wird diese Blutschuld bezahlt werden. Führe du die Zehnte, bis ich wiederkomme.«

»Reitest du allein? Lass mich mitkommen«, sagte Brutus und legte eine Hand auf die Zügel, die Julius hielt.

»Nein, du musst das Kommando übernehmen. Pompeius hat mir verboten, jemanden von der Zehnten mitzunehmen. Hol Cabera aus seinem Zelt. Ich brauche ihn.«

Brutus rannte zum Schlafplatz des alten Heilers und rüttelte ihn wach. Sobald er begriffen hatte, setzte sich der alte Mann rasch in Bewegung, obwohl sein Gesicht von Erschöpfung gezeichnet war, als er seinen Umhang gegen den prasselnden Regen eng um sich zog.

Cabera streckte einen Arm aus, um sich hinter Julius in den Sattel zu schwingen. Julius zog ihn mit einem Ruck herauf und brachte das nervös tänzelnde Pferd wieder zur Ruhe. Dann sah er Brutus an und umschloss seinen Unterarm mit dem Legionärsgriff.

»Pompeius weiß nichts von den Soldaten, die wir auf dem Hof zurückgelassen haben, Julius. Sie werden für dich kämpfen, wenn du sie brauchst.«

»Falls sie noch leben«, erwiderte Julius.

Dann raubte ihm überwältigender Kummer den Atem, und er grub dem Pferd die Fersen in die Flanken. Mit einem Satz war er davon, tief über den Hals des Tieres gebeugt, Cabera hinter sich, die Augen im Regen blind vor Tränen.

41

Dichte, dunkle Wolkenknäuel verdeckten die Frühlingssonne, und der Regen fiel unaufhörlich, als Julius und Cabera das Landgut erreichten. Als sein Heim in Sicht kam, verspürte Julius eine bleierne Mattigkeit, die nichts mit dem nächtlichen Ritt zu tun hatte. Wegen des zusätzlichen Gewichts des alten Mannes hinter ihm hatte Julius sein Pferd meist im Schritt gehen lassen. Alles Drängen war von ihm gewichen. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sich die Zeit endlos hingezogen hätte, und er bedauerte jeden Schritt, der ihn zu diesem Augenblick geführt hatte. Cabera war unterwegs stumm geblieben, und auch jetzt, als sie an dem Ort so vieler Erinnerungen ankamen, war seine sonst so ansteckende gute Laune verschwunden. Sein Umhang klebte nass an seiner dürren Gestalt, und er zitterte.

Julius stieg vor dem Tor ab und sah, wie es sich vor ihm öffnete. Jetzt, da er angekommen war, wollte er nicht hineingehen, aber er führte das Pferd trotzdem wie betäubt in den Hof.

Soldaten der Primigenia nahmen ihm die Zügel ab. In ihren Gesichtern spiegelte sich seine eigene Qual. Er sprach sie nicht an, sondern ging quer über den Hof durch die aufgeweichte Erde und die Pfützen auf das Hauptgebäude zu. Cabera sah ihm nach und streichelte unbewusst das weiche Maul des Pferdes.

Er fand Clodia mit einem blutigen Stück Stoff in der Hand. Sie war blass und sah völlig erschöpft aus; unter ihren Augen waren tiefe Ringe.

»Wo ist sie?«, fragte er, und sie schien vor ihm zusammenzusinken.

»Im Triclinium«, sagte sie. »Herr, ich…«

Julius ging an ihr vorbei in das Zimmer und blieb kurz hinter der Schwelle stehen. Am Kopfende eines einfachen Bettes brannten Fackeln und beleuchteten ihr Gesicht mit warmem Schein. Julius ging zu seiner Frau hinüber und sah auf sie hinab. Seine Hände zitterten. Man hatte sie gewaschen und in feine weiße Tücher gehüllt, ihr Gesicht war ungeschminkt und das Haar hinter dem Kopf zusammengebunden.

Der Tod ließ sich nicht verbergen. Ihre Augen hatten sich einen schmalen Spalt geöffnet, und er sah das Weiße zwischen den Lidern. Er versuchte, ihr die Lider zu schließen, doch als er die Finger wegnahm, öffneten sie sich erneut.

»Es tut mir Leid«, flüsterte er. Vor dem Hintergrund der flackernden Kerzen klang seine Stimme trotzdem unnatürlich laut. Er nahm ihre Hand, kniete vor dem Bett nieder und fühlte die Steifheit der Finger.

»Es tut mir Leid, dass sie dir so wehgetan haben. Du hattest mit alldem nichts zu tun. Es tut mir Leid, dass ich dich nicht fortgebracht habe. Wenn du mich hören kannst… ich liebe dich, ich habe dich immer geliebt.«

Er senkte den Kopf. Ein Gefühl der Schmach durchzuckte ihn. Seine letzten Worte an diese Frau, die zu lieben er geschworen hatte, waren Worte des Zorns gewesen, und es gab keine Möglichkeit, diese Schuld zurückzurufen. Er war zu dumm gewesen, um ihr zu helfen, war sich irgendwie sicher gewesen, dass sie immer da sein würde und dass all der Streit und all die hässlichen Worte keine Rolle spielten. Jetzt war sie tot, und er drückte die geballte Faust an die Stirn, voller Zorn auf sich selbst, drückte immer fester und fester und hieß den Schmerz, der sich allmählich einstellte, willkommen. Wie hatte er vor ihr geprahlt: Seine Feinde würden fallen und sie wäre in Sicherheit.

Schließlich erhob er sich, konnte sich jedoch nicht von ihr abwenden.

Eine Stimme durchbrach die Stille.

»Nein! Geh nicht da hinein!«

Es war Clodia, die von draußen rief. Julius wirbelte herum, seine Hand fuhr zum Schwert.

Seine Tochter Julia kam hereingerannt und blieb wie angewurzelt stehen, als sie ihn erblickte. Instinktiv drehte er sich so, dass er ihr die Sicht auf Cornelia versperrte, ging dann auf sie zu und hob sie auf seinen Arm.

»Mama ist tot«, sagte sie, und er schüttelte den Kopf, während ihm die Tränen über das Gesicht rannen.

»Nein, nein, sie ist immer noch hier, und sie hat dich lieb«, sagte er.

Pompeius’ Männer würgten bei dem Geruch der Verwesung, der von dem Mann ausging, den sie festhielten. Die Haut, die sie unter dem Umhang spürten, schien sich unter ihrem Griff leicht zu bewegen, und als sie ihre Hände verschoben, keuchte der Mann unter der Kapuze vor Schmerz auf, als wäre etwas von ihm weggerissen worden.

Vor ihnen stand Pompeius; seine Augen leuchteten böse. Neben ihm standen zwei junge Mädchen, die sie in dem Haus, das tief im Labyrinth der Gassen zwischen den Hügeln versteckt war, gefunden hatten. Ihre Gesichter waren vor Furcht verkniffen, doch da sie nirgendwohin fliehen konnten, verharrten sie in angsterfülltem Schweigen. Die Bedrohung war eindeutig. Pompeius wischte sich eine Schweißspur von der Wange.

»Zieht ihm die Kapuze herunter«, sagte er. »Ich will den Mann sehen, der meine Tochter ermordet hat.«

Die beiden Soldaten zerrten den groben Stoff zurück und wandten angewidert den Blick ab, als sie sahen, was sie enthüllt hatten. Der Meuchelmörder funkelte sie wild an, sein Gesicht bestand fast nur aus Pusteln und Schorf. Kein einziges Fleckchen gesunder Haut war zu sehen, und als er das Wort an sie richtete, platzte die verschorfte und blutende Haut an mehreren Stellen auf.

»Ich bin nicht der, den ihr sucht«, flüsterte er.

Pompeius bleckte die Zähne. »Du bist einer von ihnen. Du kannst mir einen Namen nennen. Aber für das, was du getan hast, gehört dein Leben mir, und ich werde es nehmen.«

Die wässrigen Augen des Mannes huschten zu den beiden Mädchen hinüber, die vor Angst zusammenzuckten. Hätte Pompeius es nicht bereits vermutet, so hätte er jetzt gewusst, dass sie seine Töchter waren. Der Senator kannte diese Angst nur allzu gut. Der Mörder sprach rasch, als wollte er überspielen, was er ihnen offenbart hatte.