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Vielleicht wäre das Schiff, das sie zu durchbohren versuchte, noch achtern an ihnen vorbei aufs offene Meer geglitten. Doch da die erste Trireme der Accipiter den Weg abschnitt, musste sie ausweichen, indem alle Ruder der einen Schiffsseite in die andere Richtung schlugen. Die Schläge waren zwar unbeholfen, doch so ging es trotzdem schneller, als wenn sie alle Ruder auf dieser Seite aus dem Wasser gehoben hätten, während die Ruderer der anderen Seite die Accipiter drehten. Es machte sie zwar langsamer, aber Gaditicus hatte erkannt, dass sie auf die Außenlinie zuhalten mussten, wollten sie sich nicht zwischen zwei Schiffen einkeilen lassen, wenn das zweite Piratenschiff längsseits beikam.

Die Accipiter schrammte am Bug des ersten Dreideckers entlang und erzitterte, als ihr plötzlich die Fahrt genommen wurde. Gaditicus hatte den Sklaventreiber schon auf den nächsten Zug vorbereitet, sodass unter Deck die Ruder blitzschnell eingezogen wurden. Die Ruderer der Trireme jedoch waren nicht schnell genug. Die Accipiter zerbrach im Vorbeigleiten die Ruderstangen jeweils in Dreiergruppen, und jedes dieser Ruder zerquetschte tief im Bauch des feindlichen Schiffes einen Mann zu Brei. Doch ehe die Accipiter auch nur die Hälfte der Ruder des ersten Schiffes zerstört hatte, wurde sie vom bronzenen Rammsporn des zweiten durchbohrt. Man hörte das ohrenbetäubende Krachen und Splittern der Balken, und beim Aufprall schien das ganze Schiff wie ein waidwundes Tier aufzustöhnen. Die Sklaven unter Deck stimmten in panischer Angst einen Chor entsetzlichen Geschreis an. Sie waren an ihren Bänken festgekettet, und wenn das Schiff unterging, würden sie mit ihm versinken.

Pfeile bohrten sich ziellos in das Deck der Accipiter, aber darin, wenn auch sonst nirgends, zeigte sich der Mangel an Kampfdisziplin bei den Piraten. Als er sich unter einem Pfeil wegduckte, der böse über seinen Kopf surrte, dankte Julius dem Schicksal, dass sie offensichtlich nicht darauf trainiert waren, in Salven zu schießen. Die Schilde schützten die Männer gegen die meisten ihrer Pfeile. Dann kippte der schwere Corvus vornüber, schien, als die Seile durchschnitten wurden, einen Augenblick in der Luft zu hängen, fiel dann doch hinab und schlug krachend auf das Deck des Feindes. Sein eiserner Dorn hielt das gegnerische Schiff fest und sicher, genauso sicher wie die Vergeltung, die nun folgen würde.

Der erste der Legionäre stürmte trotzig johlend über die Planke und prallte auf die wartenden Gegner. Normalerweise waren die Römer zahlenmäßig überlegen, aber nicht so bei diesen Piratenschiffen. Beide schienen randvoll mit Kämpfern, deren Rüstungen eine bunte Mischung war aus Alt und Neu und aus jedem Hafen entlang der Küsten.

Julius erblickte Cabera an seiner Seite, doch dessen gewohntes Lächeln war nicht zu sehen. Der alte Mann hatte einen Dolch und einen Schild in den Händen, trug jedoch sein übliches Gewand, was ihm Gaditicus erlaubt hatte, solange es zweimal im Monat auf Läuse untersucht wurde.

»Ich glaube, ich bleibe lieber bei dir, als da unten im Dunkeln«, murmelte Cabera, während er das ausbrechende Chaos beäugte. Beide duckten sich schnell hinter ihre steifen hölzernen Schilde, als plötzlich Pfeile auf sie zuzischten. Einer prallte knapp oberhalb von Julius’ Hand auf den Schild und er taumelte rückwärts. Als er sah, dass die mit Widerhaken bewehrte Spitze durchgedrungen war, stieß er einen leisen Pfiff aus.

Schwere bronzene Haken verbissen sich in die Planken der Accipiter und zogen lange Taue hinter sich her. Männer schwangen sich an Deck, und ringsumher ertönte lautes Kampfgetümmel, aufeinander klirrende Schwerter und Schreie des Triumphs und der Verzweiflung.

Julius sah, dass Suetonius seine Männer in einer Reihe aufstellte, um dem Feind entgegenzutreten. Hastig befahl er seinen zwanzig Männern, ihnen zu Hilfe zu eilen, obgleich er vermutete, dass sie auch ohne seinen Befehl losgestürmt wären, falls er noch lange damit gewartet hätte. Jeder von ihnen wusste, dass sie die gerammte Accipiter nicht einfach dem Feind überlassen konnten. Wütend griffen sie an und die Ersten, die über den Corvus gelangten, kümmerten sich nicht um Verletzungen und räumten das feindliche Deck vor sich für die anderen frei.

Als er voranstürmte, hielt sich Cabera dicht neben ihm. Seine Anwesenheit wirkte tröstlich und beruhigend auf Julius, denn sie erinnerte ihn an all die anderen Schlachten, die sie zusammen durchgestanden hatten. Vielleicht war der alte Heiler ja eine Art Glücksbringer, dachte er. Dann war er in Reichweite der feindlichen Klingen, und er hieb die Gegner nieder, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sein Körper bewegte sich in dem Rhythmus, den ihm Renius Jahr um Jahr eingebläut hatte.

Julius duckte sich unter einer Streitaxt weg und versetzte dem Axtträger, der das Gleichgewicht verloren hatte, einen Stoß. Der Mann landete vor Pelitas’ Füßen, der in der klassischen Schlachtfeldreaktion des Legionärs ohne lange zu überlegen fest zutrat: Alles, was steht, wird niedergemacht, alles was liegt, wird zertrampelt.

Auf dem Corvus drängten sich Soldaten, die schoben und drückten, um zur anderen Seite zu gelangen. Sie waren leichte Beute für die Bogenschützen. Als er zwischen ihren eigenen Männern hindurchspähen konnte, sah Julius, wie eine der Reling der Trireme zugewandte Gruppe mehrere Treffer einstecken musste. Auf diese kurze Entfernung war der Beschuss vernichtend, und mehr als ein Dutzend Legionäre ging zu Boden, bevor diejenigen an Bord die Bogenschützen in einem wahren Blutrausch niedermähten wie Weizenhalme. Julius nickte zufrieden. Er verspürte den gleichen Hass auf Bogenschützen wie jeder andere Legionär, der die furchtbare, entmutigende Wirkung ihrer Angriffe auf weite Entfernung kennen gelernt hatte.

Nachdem sie die Accipiter erfolgreich durchbohrt hatte, war die zweite Trireme zurückgerudert und hatte sich beinahe schon wieder von dem römischen Schiff gelöst. Gaditicus beobachtete ihr Manöver und hielt ein paar Einheiten zurück, um ihren Angriff abwehren zu können, sobald er kam. Die Situation änderte sich viel zu rasch, um vorhersagen zu können, was als Nächstes geschehen würde, doch er wusste zumindest ganz sicher, dass die Piraten nicht einfach tatenlos zusehen würden. Die Accipiter würde vielleicht sinken, doch sie würde noch eine Weile durchhalten. Die Legionäre konnten sich immer noch auf die andere Trireme durchkämpfen und dort das Kommando übernehmen. Es war nicht gänzlich unmöglich, dass sie doch noch eine Art Sieg davontrugen, wenn ihnen noch eine Stunde blieb und man sie in Ruhe ließ. Darum war sich Gaditicus auch sicher, dass das zweite Schiff sie erneut angreifen würde, sobald es seinen Rammsporn freibekommen und dann nahe genug an sie heranmanövriert hatte, damit seine Kämpfer entern konnten. Er fluchte, als der letzte Balken krachte und der spitze Bug des Schiffes von der Accipiter loskam. In einer Mischung aus Griechisch und Vulgärlatein brüllten die Piraten ihren Ruderern neue Befehle zu.

Gaditicus schickte seine zurückgehaltene Reserve auf die andere Seite der Accipiter, weil er annahm, sie würden von dort entern, um die Mannschaft zwischen zwei Fronten aufzureiben. Seine Entscheidung war ein geschickter Schachzug und erfüllte ihren Zweck. Wenn sie die erste Trireme jetzt schnell genug einnahmen, konnten alle seine Männer beim Zurückschlagen der zweiten Angriffswelle eingesetzt werden; dann war noch nicht alles verloren. Obwohl er wusste, dass ihm seine Wut nichts nützte, ballte Gaditicus die Hand am Schwertgriff zur Faust. Hatte er etwa erwartet, dass sie ihm offen gegenübertraten und sich von seinen Soldaten in Stücke hauen ließen? Das hier waren Diebe und Bettler, die es auf das Silber in seinem Laderaum abgesehen hatten. Sie kamen ihm vor wie ein Rudel kleiner Hunde, das den großen römischen Wolf besiegte. Er zitterte, als er sah, wie die Ruder des zweiten Dreideckers auf einer Seite eingezogen wurden und der Feind auf sein geliebtes Schiff zudrehte. Unter Deck hörte man immer noch die Schreie der Sklaven. Sie brüllten in einem angstvollen Chor, der an seinen Nerven zerrte.