Der Henker machte einen Schritt auf ihn zu, doch Cato hatte noch genug Kraft, eine Hand zu erheben und die Klinge zurückzuweisen. Die Menge sah mit viehischer Faszination zu, wie seine Beine zu zittern anfingen und er plötzlich mit hörbarem Krachen auf die Knie fiel. Selbst dann starrte er sie alle noch einmal an, ehe er zur Seite kippte.
Als die Anspannung des Todes sich löste, seufzten die versammelten Bürger erleichtert. Trotz der Verbrechen, die sie einander zugeflüstert hatten, hatte der Mut des Senators ihnen den Spaß verdorben. Die Menge zerstreute sich lautlos und die Menschen gingen mit gesenkten Köpfen und mehr als nur ein paar gemurmelten Gebeten an dem zusammengesunkenen Leichnam vorbei.
Pompeius kniff wütend die Lippen zusammen. Bei so einem Ende fehlte die Genugtuung der Rache, und er kam sich vor, als wäre ihm etwas gestohlen worden. Dann gab er seinen Leibwächtern ein Zeichen, die Leiche wegzuschaffen, und wandte sich an Julius.
»Jetzt ziehen wir nach Süden und bringen diese Geschichte zu Ende«, sagte er.
Der Feldherr blickte Crassus verwundert an.
»Herr, du sprichst von über zwanzig Meilen unwegsamem Gelände! Ich bitte dich, die Angelegenheit noch einmal zu überdenken. Wir sollten eine zentrale Position einnehmen und uns darauf vorbereiten, sie nicht durchbrechen zu lassen.«
Crassus wartete, bis der Mann ausgeredet hatte, und klopfte dabei nervös mit den Fingern auf den Tisch. Er war sicher, dass es die einzige Möglichkeit war. Die Sklaven saßen mit der Küste im Rücken in der Falle, und wenn Pompeius die Galeeren erreicht hatte, gab es niemanden, der sie dort abholte. Er brauchte sie nur einzuschließen und auf dem Flecken Erde am Ende des Landes festzuhalten. Er warf einen Blick auf Pompeius’ Landkarte an der Wand. Die Entfernung sah darauf so winzig aus.
»Meine Befehle sind klar und deutlich, Kommandant. Pompeius bringt ausgeruhte Legionen aus dem Norden. Wir halten hier durch, bis sie ankommen, und ich will einen Befestigungswall quer durch das Land. Und jetzt verschwende meine Zeit nicht länger.« Seine Stimme klang ein wenig bedrohlich. Der Mann wäre bestimmt nicht so widerspenstig, wenn Pompeius ihm den Befehl gegeben hätte. Es war unerträglich.
»Raus!«, blaffte Crassus ihn an und erhob sich von seinem Stuhl. Sobald er wieder allein war, ließ er sich zurücksinken, rieb sich nervös die Stirn und richtete den Blick abermals auf die Landkarte.
In der Nacht ließ ihn jedes Geräusch aufschrecken, aus Angst, die Sklaven wären durchgebrochen und zögen nun mordend und plündernd durch das Land. Das durfte auf keinem Fall geschehen. Zuerst hatte er sie bis zum Meer treiben und dort zermalmen wollen; was aber, wenn sie so kämpften wie im Norden? Nachdem ihnen der Rückweg abgeschnitten war, würden sie mit dem Mut der Verzweiflung gegen die römischen Linien anrennen, und Crassus wusste, dass das sein Ende bedeutete, selbst wenn er die Schlacht überlebte. Der Senat würde seine Hinrichtung verlangen. Er verzog das Gesicht. Wie viele von ihnen hatten Schulden, die nur durch seinen Tod getilgt würden? Er konnte sich ihre scheinheiligen Gesichter vorstellen, mit denen sie im Senat über sein Schicksal debattierten. Seit Pompeius ihn verlassen hatte, verstand er den Druck ein wenig besser. Er konnte niemanden fragen, musste sämtliche Entscheidungen allein treffen.
Er ging zur Landkarte und fuhr mit dem Finger über die schmalste Stelle des Landes, ganz unten an der Spitze.
»Wir halten euch hier fest, bis die neuen Legionen eintreffen«, sagte er mit gerunzelter Stirn. Zwanzig Meilen aufgeschütteter Erde. So ein Wall war noch nie zuvor errichtet worden, die Bürger von Rom würden ihren Kindern erzählen, wer das getan hatte. Crassus, der eine Mauer quer durch das Land gezogen hat. Noch einmal fuhr er mit dem Finger über die Stelle, dann wieder und wieder, bis auf dem Pergament eine dunkle Linie sichtbar wurde.
Das müsste sie aufhalten, es sei denn, Pompeius war es nicht gelungen, genug Galeeren aufzutreiben, um eine Flucht der Sklaven über das Meer zu verhindern. Dann würde er, Crassus, natürlich zum Gespött des ganzen Landes werden, einer, der nichts als leere Äcker und Steine bewachte. Er schüttelte den Kopf, um sich zu sammeln, setzte sich wieder hin und überlegte weiter.
Nach der Verzögerung durch Catos Hinrichtung trieb Pompeius die griechischen Legionen ohne Rast nach Süden. Es waren die Veteranen von den Grenzen Griechenlands, mit einer großen Anzahl Hastati und Triarii zur Stärkung der jüngeren Männer. Sobald sie ihre Sandalen auf die Via Appia setzten, passierten sie am ersten Tag fünfunddreißig Meilensteine. Pompeius war klar, dass das Marschtempo abnehmen würde, sobald sie gezwungen waren, die gepflasterte Straße zu verlassen, doch selbst wenn die Sklaven zur äußersten Spitze des Landes marschiert waren, wusste er, dass er die griechischen Legionen in weniger als zwei Wochen zu ihnen bringen konnte.
Cabera ritt an Julius’ Seite, und die beiden wechselten immer dann die Pferde, wenn Pompeius es tat, alle zwölf Meilen an den Zwischenstationen. Pompeius wusste nicht mehr genau, was er von dem jungen Tribun halten sollte. Seit sie auf dem großen Forum zugesehen hatten, wie Cato gestorben war, hatte er nur wenige Worte an ihn gerichtet, trotzdem kam er ihm wie ein völlig anderer Mensch vor. Das innere Feuer, das Pompeius erschreckt hatte, als Julius das Kommando über die neue Zehnte Legion übernommen hatte, schien ihn verlassen zu haben. Es war nicht derselbe Mann, der jetzt auf der Straße dahinritt, ohne auf den Weg zu achten, so dass sein Pferd wegen der mangelnden Führung durch seinen Reiter nervös mit den Augen rollte. Pompeius beobachtete ihn jeden Tag sorgfältig. Er hatte schon mehr als einmal erlebt, dass Männer nach einer persönlichen Tragödie zerbrochen waren, und falls Julius nicht mehr in der Lage sein sollte, sein Kommando zu führen, würde er nicht zögern, ihn seines Postens zu entheben. Marcus Brutus konnte die Aufgabe ebenso gut erfüllen, und insgeheim gestand sich Pompeius ein, dass Brutus ihm niemals so gefährlich werden würde wie dieser Cäsar. Die Art und Weise, wie der junge Julius das Kommando über die Primigenia übernommen und trotzdem die Freundschaft mit Brutus bewahrt hatte, sagte eine Menge über seine Tüchtigkeit aus. Vielleicht war es besser, ihn zu ersetzen, bevor er völlig über den Mord an seiner Frau hinweggekommen war, solange er noch schwach war.
Pompeius blickte auf die breite Straße, die sich vor ihnen erstreckte. Crassus hatte nicht den Mumm, die Sklavenarmee zum Kampf zu stellen, das hatte er von dem Augenblick an gewusst, als er gehört hatte, auf wen die Wahl des Senats gefallen war. Der Sieg würde ihm allein gehören, und weniger würde auch nicht genügen, um die Fraktionen im Senat zu vereinen und sich selbst in Rom an die Macht zu bringen. Irgendwo vor ihm blockierte die Galeerenflotte das Meer, und damit war die Rebellion der Sklaven zu Ende, auch wenn sie es noch nicht wussten.
Spartacus sah von den Klippen aufs Wasser hinaus und beobachtete, wie ein weiteres Schiff von den Galeeren aufgebracht und in Brand gesteckt wurde. Das Meer wimmelte vor Schiffen, die vor der römischen Flotte flohen, in verzweifelter Hast die Ruder in die unruhige See tauchten und versuchten, ohne Zusammenstöße um einander herumzumanövrieren. Die Galeeren der römischen Flotte hatten zu viele Jahre mit vergeblichen Verfolgungen verbracht, um die Zerstörung jetzt nicht genüsslich auszukosten. Einige Schiffe wurden geentert, die meisten jedoch in Brand geschossen. Jeweils zwei Galeeren steuerten längsseits und ließen Feuer auf das feindliche Deck regnen, bis die Piraten in den Flammen umkamen oder schreiend ins Meer sprangen. Wer entkommen konnte, segelte so rasch wie möglich von der Küste fort und nahm die letzte Aussicht auf Freiheit mit sich.
Die Klippen waren von seinen Leuten gesäumt. Alle schauten hinaus, die frische Seeluft auf den Gesichtern. Die Felsen waren mit frischem, grünem Frühlingsgras bewachsen, ein leichter Nieselregen färbte ihre schmutzigen Gesichter unbemerkt dunkler.