Sein Vater hatte anscheinend in der Republik etwas gesehen, das zu bewahren sich lohnte, doch davon war nichts geblieben. Es gab nur noch kleinmütige Männer wie Cato und Pompeius, die nicht weiter blickten als bis zu ihrem eigenen Ruhm. Männer ohne Visionen, die sich nicht um die Dinge scherten, von denen Tubruk ihm erzählt hatte, dass sie wichtig seien. Julius hatte das, was ihn die großen Männer gelehrt hatten, geglaubt, doch sie waren alle für ihre Träume gestorben.
Er griff in den Matsch zwischen seinen Füßen und zog mit dem Finger eine Linie. Nichts von alledem war den Tod auch nur eines von ihnen wert. Nicht den Cornelias, nicht Tubruks, und auch nicht den Tod auch nur eines der Männer, die er in Griechenland angeführt hatte. Sie waren ihm gefolgt und hatten klaglos ihr Leben gegeben. Nun, zumindest das konnte er auch tun.
Von allen Soldaten wünschte sich Julius die Schlacht am sehnlichsten herbei. Eine letzte Stunde lang würde er sich in die erste Reihe stellen, bis endlich alles vorbei war. Er hatte genug vom Senat und genug von dem eingeschlagenen Weg. Er zuckte zusammen, als er an den Tag dachte, an dem ihn Marius zum ersten Mal in das Gebäude mitgenommen hatte. Damals hatte ihn das Herz der Macht mit Ehrfurcht erfüllt. Diese Männer waren ihm damals so erhaben erschienen, bevor er sie zu gut kennen gelernt hatte, als dass er sie noch hätte respektieren können. Er zog den Mantel enger um sich, als der Wind auffrischte und der Regen heftig zu fallen begann und klatschend in den aufgeweichten Matsch ringsum prasselte. Einige Männer fluchten, doch die meisten waren still, machten ihren Frieden mit den Göttern, bevor das Töten begann.
»Julius?«, sagte Cabera und schreckte ihn aus seinen Gedanken hoch.
Julius drehte sich um und sah, dass der alte Mann ihm die Hände entgegenstreckte. Als er sah, was Cabera für ihn angefertigt hatte, musste er lächeln. Es war ein Kranz aus Blättern, die er von den Büschen abgerissen und mit einem Faden von seinem Gewand umwickelt hatte.
»Wofür ist das?«, fragte ihn Julius.
Cabera drückte ihm den Kranz in die Hände. »Setz ihn auf, mein Junge. Er gehört dir.«
Julius schüttelte den Kopf. »Nein, nicht heute, Cabera. Nicht hier.«
»Ich habe ihn für dich geflochten, Julius. Ich bitte dich.«
Sie erhoben sich beide, und Julius streckte die Hand aus, um den Nacken des alten Mannes zu umfassen.
»Nun gut, alter Freund«, sagte er und atmete tief aus. Dann nahm er den Helm ab, drückte sich den Kranz nasser Blätter aufs Haar und spürte, wie sie an seiner Haut stachen. Einige Soldaten starrten ihn an, aber Julius machte sich nichts daraus. Cabera war immer bei ihm gewesen, und er verdiente es nicht, darauf zu warten, auf einem schlammigen Acker zu sterben, weit weg von seiner eigenen Heimat. Noch einer, der an seiner Seite sterben würde.
»Wenn sie kommen, möchte ich, dass du dich von der Frontlinie fern hältst, Cabera«, sagte er. »Du musst das hier überstehen.«
»Dein Pfad ist der meine, hast du das vergessen?«, sagte der alte Mann. Seine Augen glitzerten im Regen. Sein weißes Haar hing ihm in dünnen Strähnen über das Gesicht, und er hatte etwas so Verwahrlostes an sich, dass Julius leise lachen musste.
Rings um die beiden Männer erhoben sich schweigend Soldaten. Julius hob mit einem Ruck den Kopf, als er die Bewegung bemerkte; er dachte, es sei Zeit, aufzubrechen, aber sie standen nur da und sahen ihn an. Immer mehr kamen hinzu, als es sich herumsprach, bis jeder einzelne von ihnen auf den Beinen war. Teller wurden auf den Boden gestellt, liegen gelassene Mäntel wurden nass, während sie ihn ansahen und der Regen fiel.
Verwundert berührte Julius den Blätterkranz und spürte, wie sein Herz leichter wurde. Dies hier waren keine kleinmütigen Menschen. Sie gaben ihr Leben sorglos hin und vertrauten darauf, dass ihre Kommandeure das, was sie anzubieten hatten, nicht sinnlos vergeudeten. Wenn er ihnen in die Augen sah, lächelten sie und lachten, und wieder spürte er die Bande, die sie zusammenhielten.
»Wir sind Rom«, flüsterte er, drehte sich um und sah, dass Tausende für ihn aufgestanden waren. In diesem Augenblick begriff er, was Tubruk zu seiner Treue und zum Glauben seines Vaters hatte stehen lassen. Er würde seine Hand für den Traum einsetzen, so wie es bessere Männer vor ihm getan hatten, und ihnen mit seinem Leben Ehre erweisen.
In der Ferne bliesen die Hornisten mit langen Tönen zum Aufbruch.
»Vorwärts, meine Brüder, immer vorwärts!«, brüllte Spartacus. Es war das Ende, und eigenartigerweise verspürte er keine Furcht. Seine Sklaven hatten gezeigt, dass die Legionen besiegt werden konnten, und er wusste, dass der Tag kommen musste, an dem die Risse, die sie geschlagen hatten, breiter würden, und dann würde Rom fallen. Die Legionen hinter ihnen glitzerten in der Morgensonne und stießen ein lautes Gebrüll aus, als Pompeius’ Tausende auf sie zumarschiert kamen, schneller und immer schneller, wie ein großes Maul, das die Sklaven zermalmen wollte. Spartacus sah, dass die unregelmäßigen Reihen seiner Sklaven eingeschlossen würden. Er zog sein Schwert und zog den Eisenhelm übers Gesicht.
»Bei den Göttern, wir haben sie ganz schön gehetzt«, sagte er leise, als die Luft von Speeren verdunkelt wurde.
Epilog
Pompeius ging mit Crassus zwischen den beiden langen Kreuzreihen. Hier, in Sichtweite Roms, erstreckten sie sich meilenweit entlang der Via Appia, sechstausend Mann, die als Warnung dienen sollten, und als Beweis für den Sieg. Ganze Wälder waren für die Kreuze gefällt worden, und als den Zimmerleuten der Legion die Nägel ausgingen, waren die Sklaven einfach nur festgebunden, mit dem Speer durchbohrt oder hängen gelassen worden, damit sie verdursteten.
Die beiden Feldherren stiegen von ihren Pferden, um die letzte Meile zur Stadt zu Fuß zurückzulegen. Über Crassus sollte keine Schande gebracht werden, das hatte ihm Pompeius versprochen. Die Niederschlagung des Aufstands machte sämtliche vorangegangenen Fehlschläge ungeschehen, und Pompeius war bereit, ihm seinen Augenblick des Ruhmes zu gönnen. Er hatte von Crassus nichts zu befürchten, und sein Reichtum war keinesfalls zu verachten. Pompeius würde wohlhabende Männer brauchen, die seine Dienstzeit als Konsul finanzierten. Vielleicht, dachte er, wäre es nützlich, Crassus dazu zu drängen, den zweiten Konsulposten zu übernehmen, sobald die Wahl anstand. In diesem Falle könnten sie sich die Ausgaben teilen, und Crassus würde ihm für alle Zeiten dankbar sein.
Aus der Ferne hörten die beiden Feldherren das noch leise Tosen einer jubelnden Menge, die sie auf der Straße ausgemacht hatte. Sie lächelten einander an und genossen den Augenblick.
»Ich frage mich, ob wir einen Triumphzug verlangen sollten?«, meinte Crassus und atmete bei dem Gedanken rascher. »Seit Marius hat es keinen mehr gegeben.«
»Ich erinnere mich daran«, sagte Pompeius und dachte dabei an den jungen Mann, der an Marius’ Seite auf dem Forum eingeritten war.
Als hätte er seine Gedanken erraten, warf ihm Crassus einen raschen Blick zu.
»Es ist jammerschade, dass Julius nicht hier ist, um das zu erleben. Er hat wirklich hervorragend für uns gekämpft.«
Pompeius runzelte die Stirn. Er würde es Crassus gegenüber niemals zugeben, doch als er gesehen hatte, wie sich die griechischen Legionen für Julius mitten im Schlamm und Regen erhoben, hatte ihn der Anblick mit Furcht erfüllt. Alle großen Männer waren tot, nur dieser stand da, mit dem Blut des Marius in den Adern, der Anführer der Zehnten, mit einem wachsenden Ruhm, der einmal sehr gefährlich werden konnte, sollte er beschließen, ihn sich zunutze zu machen. Nein, er wollte weder Julius noch seine kostbare Legion in der Stadt haben. Deshalb hatte er, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, den Befehl unterschrieben, mit dem er sie nach Spanien schickte.