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»Accipiter!«, schrie Julius laut. Habicht. Der Schlachtruf würde genügen. Er hörte, wie andere Stimmen ihn aufgriffen und weitergaben, und er brüllte den Namen immer wieder, während er sich unter einem gekrümmten Schwert hinwegduckte, das eher wie das Grabmesser eines Bauern aussah als wie eine kampftaugliche Waffe. Julius’ Gegenschlag schlitzte dem Mann die Oberschenkel auf und ließ ihn brüllend auf die Steinplatten sinken.

Die anderen Legionäre sammelten sich um ihn. Er sah, dass acht Männer seiner Einheit die Mauer erklommen hatten; sechs weitere hatten die Salven der Bogenschützen überlebt. Sie kämpften Rücken an Rücken, und die angreifenden Rebellen wurden weniger, denn immer mehr Leichen lagen um sie herum.

»Wir sind Soldaten Roms«, presste einer der Männer zwischen den Zähnen hervor. »Wir sind die Besten der Welt. Vorwärts! Nicht zurückbleiben!«

Julius grinste ihn an und stimmte in den Schlachtruf ein, den Namen ihrer Galeere, als dieser wieder laut ertönte. Er hoffte, dass Pelitas ihn hörte, denn irgendwie zweifelte er nicht daran, dass der hässliche Kerl das Ganze überlebt hatte.

Pelitas hatte an einem Haken einen Umhang gefunden, unter dem er seine römische Tunika und das blanke Schwert verbergen konnte. Ohne seine Rüstung fühlte er sich schutzlos, aber die Männer, die an ihm vorbeirannten, beachteten ihn überhaupt nicht. Ganz in der Nähe hörte er die Legionäre ihre Kampfparolen knurren und brüllen, und ihm wurde klar, dass es höchste Zeit war, zu ihnen zu stoßen. Er nahm eine Fackel aus der Wandhalterung und folgte den herbeistürzenden Feinden zu dem wütenden Klirren der Schwerter. Bei allen Göttern… es waren wirklich unglaublich viele! Außerdem war die innere Festung ein wahres Labyrinth aus zerbröckelnden Mauern und leeren Räumen. Es würde Stunden dauern, um die Burg von allen Gegnern zu säubern, denn jeder Schritt konnte in einen Hinterhalt oder in die Schusslinie eines Bogenschützen führen. Für einen kostbaren Augenblick unbeobachtet und unerkannt, schob sich Pelitas um eine Ecke. Er kam schnell voran und versuchte zwischen all den Nischen und Winkeln nicht die Orientierung zu verlieren. Dann stand er vor der nördlichen Mauer, dicht neben einer Gruppe Bogenschützen, die mit ernsten und konzentrierten Gesichtern ihre Pfeile abschossen. Vermutlich war der Rest von Gaditicus’ Streitkraft noch immer dort draußen, obwohl Pelitas unten im Hof beim Haupttor schon raue römische Befehle hören konnte. Eine Hand voll Männer war also bereits ins Innere der Festung vorgedrungen, doch die Schlacht war noch lange nicht vorüber.

Fast die halbe Stadt musste sich hier oben verschanzt haben, dachte er wütend, als er auf die Bogenschützen zulief. Kurz bevor er sie erreicht hatte, hob einer jäh den Kopf, nickte dann aber nur und schoss ohne Eile weiter in die Menge der Soldaten unter ihnen.

Als er erneut zielte, griff Pelitas an und stieß zwei der Männer kopfüber auf die Steine unter ihnen. Mit einem dumpfen Knall schlugen sie auf, und die anderen drei Bogenschützen drehten sich entsetzt zu ihm um. Pelitas warf den Umhang zurück und hob sein Kurzschwert.

»Guten Abend, Jungs«, sagte er fröhlich. Schon beim ersten Schritt rammte er dem Nächststehenden sein Schwert in die Brust und stieß den Leichnam mit dem Knie achtlos die Mauer hinunter. Dann bohrte sich ein Pfeil in seine Seite und fuhr so tief hinein, dass vorne am Bauch nur noch die Federn herausragten. Er stöhnte auf, als seine linke Hand fast automatisch und wie von selbst daran zerrte. Zornig zog er dem vor ihm stehenden Schützen, der jetzt ebenfalls den Bogen hob, den Gladius durch die Kehle.

Der Mann, der am weitesten von ihm entfernt stand, hatte den Schuss abgegeben. Fieberhaft versuchte er nun einen weiteren Pfeil einzulegen, aber die Furcht machte ihn ungeschickt, und schon hatte Pelitas ihn mit zum Stoß vorgestrecktem Schwert erreicht. Angsterfüllt wich der Schütze zurück und kippte mit einem gellenden Schrei über die Mauer. Pelitas sank keuchend auf ein Knie. Das Atmen tat weh. Da kein Gegner mehr da war, legte er das Schwert neben sich. Dann versuchte er, den Pfeil an seinem Rücken abzubrechen. Er würde ihn nicht ganz herausziehen, denn jeder Soldat hatte schon einmal den tödlichen Blutschwall gesehen, der dann aus der Wunde hervorsprudelte und einen unweigerlich verbluten ließ. Der Gedanke, jedes Mal damit anzustoßen, wenn er sich umdrehte, trieb ihm die Tränen in die Augen.

Seine Hände wurden langsam glitschig, aber er konnte den hölzernen Schaft nur ein wenig biegen. Ein leises, gequältes Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Seine Seite war blutüberströmt und ihm wurde schwindlig, als er versuchte aufzustehen. Er knurrte leise und zog den Pfeil wieder durch sich hindurch, damit er hinten nicht zu weit herausragte.

»Muss die anderen finden«, murmelte er verbissen und holte tief Luft. Seine Hände zitterten im einsetzenden Schock, also packte er mit der einen den Gladius so fest wie möglich, die andere barg er zur Faust geballt in einer Falte des Umhangs.

Gaditicus schlug einem Mann, der auf ihn zugerannt kam, mit dem Handrücken in die Zähne und versetzte ihm dann einen Stoß in die Rippen. Die Festung war voller Aufständischer, viel mehr, als die kleine Insel überhaupt ernähren konnte, dessen war er sich sicher. Die Rebellion musste wie ein Lauffeuer vom Festland übergegriffen haben, doch es war zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. Trotzdem musste er an die Frage des jungen Offiziers nach der Anzahl der Gegner denken, und auch daran, wie er höhnisch darüber gelacht hatte. Vielleicht hätte er wirklich Verstärkung anfordern sollen. Der Ausgang dieser Nacht war schwer vorauszusagen.

Dabei hatte alles so gut angefangen: Die Wachen waren rasch und fast gleichzeitig ausgeschaltet worden. Noch bevor irgendjemand drinnen überhaupt begriffen hatte, was da vor sich ging, hatte er zehn Männer über die Leitern steigen und das Tor öffnen lassen. Dann jedoch hatten die dunklen Gebäude Unmengen von Soldaten ausgespieen, die noch im Laufen ihre Rüstungen anzogen. Die engen Gänge und Treppen dieses Irrgartens waren der Traum eines jeden Bogenschützen. Nur das spärliche Licht hinderte sie daran, schlimmere Treffer als nur Fleischwunden zu landen. Gaditicus hatte bis jetzt nur einen Mann verloren, dem ein Pfeil direkt in den Mund und durch den Schädel gedrungen war.

Er hörte seine Männer keuchen, als sie sich in der Dunkelheit dicht hinter ihm an eine Wand drängten. Ein paar Fackeln waren angezündet worden, aber abgesehen von gelegentlich blind abgefeuerten Pfeilen hatte sich der Feind fürs Erste in die Seitengebäude zurückgezogen. Jeder, der jetzt zwischen ihnen hindurcheilte, würde schon nach den ersten Schritten in Stücke gehackt werden. Andererseits konnten die Feinde ihren Unterschlupf auch nicht verlassen, um die Legionäre anzugreifen. Es war eine vorübergehende Kampfpause, und Gaditicus war froh, dass er kurz Luft holen konnte. Ihm fehlte die gute körperliche Verfassung der Landlegionen. Wie man auf einem Schiff auch exerzierte und trainierte, bereits nach wenigen Minuten rennen und kämpfen an Land war man erschöpft. Vielleicht war es aber auch nur das Alter, gestand er sich insgeheim ironisch ein.

»Der Fuchs ist in seinem Bau verschwunden«, murmelte er. Von jetzt an würde es sehr schwer werden. Sie mussten sich von Gebäude zu Gebäude durchkämpfen und würden dabei für jeden getöteten Feind einen der eigenen Männer verlieren. Für die Aufständischen war es einfacher. Sie brauchten nur hinter einer Tür oder einem Fenster zu lauern und den Ersten niederzustechen, der hereinkam.

Gerade als sich Gaditicus umdrehte, um dem Soldaten hinter ihm einen Befehl zu erteilen, sah er, wie der Mann mit vor Schreck aufgerissenem Mund vor sich auf den Boden starrte. Die Steine waren mit einer schimmernden Flüssigkeit bedeckt, die zwischen den Gebäuden der Festung herunterrann und sich schnell zwischen den Füßen der Männer verteilte. Jetzt blieb keine Zeit mehr, einen Plan zu schmieden.