Seine Augen folgten jeder ihrer Bewegungen, doch sie vermied es, ihn direkt anzusehen. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
»Fühlst du dich wohl?«, fragte er. In seiner Stimme lag ein drohender Unterton, der sofort Panik in ihr aufsteigen ließ.
Beruhige dich, befahl sie sich selbst. Das Kind spürt deine Angst. Denk an Julius. Er würde wollen, dass du stark bist.
Als sie antwortete, klang ihre Stimme beinahe gefasst.
»Deine Männer haben an alles gedacht. Sie haben sich sehr zuvorkommend verhalten, aber sie haben mir nicht gesagt, weswegen du meine Anwesenheit verlangst.«
»Verlangen? Was für eine merkwürdige Wortwahl«, erwiderte er leise. »Die meisten Menschen würden ein solches Wort nicht in Bezug auf eine Frau verwenden, die nur wenige Wochen vor der Niederkunft steht.«
Cornelia sah ausdruckslos zu, wie er seinen Kelch mit genießerischem Schmatzen leerte. Dann stand er unvermittelt auf, wandte ihr den Rücken zu und füllte ihn erneut aus der Amphore. Achtlos ließ er den Stöpsel fallen, der auf dem Marmorboden davonrollte.
Fast hypnotisiert sah sie zu, wie der Verschluss auf den Fliesen kreiselte und dann ausrollte. Als er endlich zur Ruhe kam, fuhr Sulla mit träger, vertraulicher Stimme fort.
»Ich habe gehört, eine Frau sei nie schöner, als wenn sie in der Hoffnung ist. Aber das stimmt nicht immer, nicht wahr?«
Er trat näher an sie heran und deutete mit dem Kelch auf sie, wobei ein wenig Wein über den Rand schwappte.
»Ich… Ich weiß es nicht, Herr. Es…«
»Oh, ich habe welche gesehen. Watschelnde, blökende, schwitzende Färsen mit struppigem Haar und fleckiger Haut. Gewöhnliche Frauen, von niederer Herkunft. Wohingegen eine echte römische Dame… Nun ja…«
Er drängte sich noch näher an sie heran, und Cornelia unterdrückte nur mit Mühe das Bedürfnis, von ihm abzurücken. Ein seltsamer Glanz lag in seinen Augen. Sie dachte daran, zu schreien, aber wer sollte ihr hier zu Hilfe kommen? Wer würde es wagen, ihr zu Hilfe zu kommen?
»Eine römische Dame ist wie eine reife Frucht. Ihre Haut leuchtet, ihr Haar ist von glänzendem Schimmer.«
Seine Stimme ging in heiseres Murmeln über, und noch beim Sprechen streckte er die Hand aus und legte sie auf ihren gewölbten Bauch.
»Bitte…«, flüsterte sie flehend, doch er schien sie nicht zu hören. Seine Hand wanderte über ihren Körper und ertastete die üppigen Rundungen.
»O ja, du besitzt diese Schönheit, Cornelia.«
»Bitte, ich bin müde und möchte jetzt gerne nach Hause gehen. Mein Gemahl…«
»Julius? Ein sehr undisziplinierter junger Mann. Er hat sich geweigert, dich aufzugeben. Hast du das gewusst? Aber jetzt verstehe ich, warum.«
Seine Finger ertasteten ihre Brüste. In diesem späten Stadium der Schwangerschaft schmerzten sie und waren so geschwollen, dass das Mamillare sie kaum halten konnte. Hilflos und verzweifelt schloss sie die Augen, als seine Hände darüber strichen. Tränen schossen ihr in die Augen.
»Was für eine köstliche Last«, flüsterte er mit vor Verlangen entstellter Stimme. Ohne Vorwarnung beugte er sich zu ihr herab, presste seinen Mund auf ihren und zwängte seine dicke Zunge durch ihre Lippen. Der fade Weingeschmack verursachte bei ihr ein reflexartiges Würgen. Er ließ von ihr ab und wischte sich mit dem Handrücken über die offenen Lippen.
»Bitte tu dem Kind nichts«, sagte sie mit gebrochener Stimme. Die Tränen, die ihr über die Wangen strömten, schienen Sulla anzuekeln. Sein Mund zuckte verärgert und er wandte sich ab.
»Sieh zu, dass du nach Hause kommst. Deine Nase läuft, und der Augenblick ist ohnehin verdorben. Aber wir sehen uns wieder.«
Als sie, fast blind von Tränen und von Schluchzen geschüttelt, den Raum verließ, ging er erneut zu der Amphore und füllte seinen Becher nach.
Julius brüllte, als er und seine Männer in den kleinen Hof stürmten, in dem Gaditicus gegen die letzten Rebellen kämpfte. Als seine Legionäre auf die Flanke der Aufständischen prallten, brach in der Dunkelheit sofort Verwirrung aus, die die Römer zu ihrem Vorteil nutzten. Von ihren Schwertern in Stücke gerissen, ging einer nach dem anderen tot zu Boden. Nach kürzester Zeit standen nicht einmal mehr zwanzig der Rebellen den Legionären gegenüber.
»Lasst eure Waffen fallen!«, brüllte Gaditicus befehlend.
Zuerst zögerten sie einen Moment, dann jedoch hörte man Schwerter und Dolche klirrend auf die Steinplatten fallen, und die Feinde gaben auf. Die schweißüberströmten Männer keuchten heftig, aber sie spürten doch die freudige Ungläubigkeit dessen in sich aufsteigen, der überlebt hat, wo andere gefallen sind.
Mit unbewegten Gesichtern umstellten die Legionäre sie.
Gaditicus wartete, bis die Waffen der Rebellen fortgeschafft worden waren und die Männer sich in einer finster schweigenden Gruppe zusammendrängten.
»Und jetzt tötet sie alle!«, bellte er und die Legionäre machten sich ein letztes Mal an die Arbeit. Verzweifelte Schreie wurden laut, doch bald war es vorbei und der kleine Hof lag ruhig da.
Julius holte tief Luft, als wollte er die Lungen von dem Geruch von Rauch, Blut und aufgerissenen Gedärmen reinigen. Er hustete und spuckte auf den Steinboden, bevor er sein Gladius an einem Leichnam abwischte. Die Klinge war voller Scharten und beinahe unbrauchbar geworden. Es würde Stunden dauern, die Scharten herauszuwetzen, deshalb war es wahrscheinlich besser, das Schwert stillschweigend gegen ein anderes aus der Waffenkammer zu ersetzen. Da sein Magen nun ein wenig aufbegehrte, konzentrierte er sich noch mehr auf die Klinge und auf die Arbeit, die jetzt getan werden musste, bevor sie auf die Accipiter zurückkehren konnten. Er hatte schon einmal aufgeschichtete Leichen gesehen, und bei dieser Erinnerung an den Morgen nach dem Tod seines Vaters glaubte er plötzlich den Geruch nach verbranntem Fleisch wieder in der Nase zu haben.
»Ich glaube, das war der Letzte«, sagte Gaditicus. Er war blass vor Erschöpfung und stützte vornüber gebeugt die Hände auf die Knie.
»Wir warten bis zum Morgen und überprüfen noch einmal jede Tür, für den Fall, dass sich noch welche irgendwo im Dunkeln versteckt halten.« Er richtete sich auf und zuckte zusammen, als sich sein Rücken knackend streckte. »Deine Männer sind spät zu Hilfe gekommen, Cäsar. Wir waren lange ganz auf uns allein gestellt.«
Julius nickte. Zuerst dachte er daran, dem Zenturio zu erklären, was alles nötig gewesen war, um überhaupt zu ihm zu stoßen, doch er sagte kein Wort. Suetonius grinste ihn an. Er drückte ein Tuch auf eine Schnittwunde an der Wange. Julius hoffte, dass das Nähen gehörig schmerzen würde.
»Er wurde aufgehalten, weil er mich gerettet hat, Zenturio«, sagte eine Stimme. Der Statthalter war wieder zu Bewusstsein gekommen und stützte sich auf die Schultern der beiden Männer, die ihn trugen. Seine Hände, violett verfärbt und unförmig geschwollen, sahen kaum noch wie Hände aus.
Gaditicus erkannte den römischen Schnitt der schmutzigen, vor Dreck und Blut starrenden Toga. Die Augen des Mannes wirkten erschöpft, doch die Stimme war trotz der aufgeplatzten Lippen klar und deutlich.
»Statthalter Paulus?«, fragte Gaditicus zögernd und salutierte, als der Stadtkommandant nickte.
»Uns wurde berichtet, du seiest tot«, erklärte Gaditicus.
»Ja… so sah es für mich auch eine Zeit lang aus.«
Dann hob Paulus den Kopf und verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln.
»Herzlich willkommen in der Festung Mytilene, meine Herren.«
Clodia schluchzte verzweifelt, als Tubruk in der leeren Küche einen Arm um sie legte.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, stammelte sie. Ihre Stimme wurde von seiner Tunika gedämpft. »Er ist immer und immer wieder hinter ihr her gewesen, während der ganzen Schwangerschaft.«
»Nun komm schon… beruhige dich.« Tubruk tätschelte ihren Rücken und versuchte die Angst zu unterdrücken, die in ihm aufgestiegen war, als er Clodias staubiges, von Tränen überströmtes Gesicht entdeckt hatte. Er kannte Cornelias Amme zwar nicht sehr gut, was er jedoch von ihr mitbekommen hatte, ließ ihn annehmen, dass sie eine unverwüstliche, vernünftige Frau war, die nicht wegen jeder Kleinigkeit zu weinen anfing.