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»Was ist denn los, meine Liebe? Komm, setz dich hier hin und erzähl mir, was passiert ist.«

Es fiel ihm nicht leicht, seine Stimme so ruhig und bedacht klingen zu lassen. Bei den Göttern… war womöglich das Kind tot? Es konnte jetzt jeden Moment so weit sein, und eine Geburt war immer riskant. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er hatte Julius versprochen, in seiner Abwesenheit auf Cornelia Acht zu geben, aber bis jetzt war doch alles in Ordnung gewesen. Cornelia war zwar die letzten paar Monate ziemlich zurückhaltend gewesen, aber andererseits hatten viele junge Mädchen Angst, wenn ihre erste Geburt bevorstand.

Clodia ließ sich willenlos von ihm zu einer Bank an den Öfen führen. Dort setzte sie sich, ohne zuvor den Sitzplatz auf Fettspuren oder Ruß zu überprüfen, was Tubruk noch mehr Angst machte. Er goss ihr einen Becher Apfelsaft ein, und sie trank mit großen Schlucken. Langsam verebbte ihr Schluchzen, bis sie nur noch ein wenig zitterte.

»Und jetzt sag mir genau, was los ist«, sagte Tubruk. »Für die meisten Probleme gibt es auch eine Lösung, ganz egal, wie schlimm sie zu Anfang auch scheinen mögen.«

Er wartete geduldig, bis sie ausgetrunken hatte, und nahm ihr dann vorsichtig den Becher aus der kraftlosen Hand.

»Es geht um Sulla«, flüsterte sie. »Er quält Cornelia. Sie weigert sich, mir alle Einzelheiten zu erzählen, aber er lässt sie zu jeder Tages- und Nachtzeit von seinen Männern zu sich holen, obwohl sie schwanger ist. Und jedes Mal, wenn sie zurückkommt, weint sie.«

Tubruk wurde blass vor Wut.

»Hat er ihr etwas angetan? Oder dem Kind?«, fragte er gepresst und trat näher.

Clodia wich der ungewohnten Nähe aus. Ihr Mund zitterte noch, doch allmählich fand sie ihre Beherrschung wieder.

»Bis jetzt noch nicht, aber es wird jedes Mal schlimmer. Sie hat mir erzählt, dass er immer betrunken ist und dann… Hand an sie legt.«

Tubruk schloss einen Moment die Augen, denn er wusste, dass er jetzt ruhig bleiben musste. Das einzig sichtbare Zeichen für seine innere Aufgewühltheit war die zur Faust geballte Hand. Doch als er wieder zu sprechen ansetzte, glitzerten seine Augen gefährlich.

»Weiß ihr Vater das?«

Unwillkürlich ergriff Clodia seinen Arm.

»Cinna darf das niemals erfahren! Es würde ihn zerbrechen. Er könnte Sulla im Senat nicht gegenüberstehen, ohne ihn zu beschuldigen, und wenn er in der Öffentlichkeit etwas sagt, töten sie ihn dafür. Nein, man darf es ihm auf gar keinen Fall sagen!«

Ihre Stimme wurde immer lauter, und Tubruk tätschelte ihr besänftigend den Arm.

»Von mir wird er es nicht erfahren.«

»Ich habe niemanden außer dir, der mir hilft, sie zu beschützen«, sagte Clodia mit gebrochener Stimme und sah ihn mit flehendem Blick an.

»Du hast gut daran getan, dich an mich zu wenden, meine Liebe. Sie trägt ein Kind dieses Hauses unter ihrem Herzen. Aber ich muss ganz genau wissen, was geschehen ist. Hast du verstanden? Es darf keinen Irrtum geben. Begreifst du, wie wichtig das ist?«

Sie nickte zustimmend und wischte sich hastig über die Augen.

»Ich will es hoffen«, fuhr er fort. »Als Diktator von Rom ist Sulla von Rechts wegen nahezu unantastbar. Natürlich könnten wir den Fall vor den Senat bringen, aber kein Senatsmitglied würde es je wagen, die Anklage zu übernehmen, denn das bedeutete den sicheren Tod. So sieht also ihr ach so kostbares ›Gleichheitsrecht‹ in Wirklichkeit aus. Und was ist sein Verbrechen? Dem Gesetz nach hat er keines begangen, aber wenn er sie angefasst und verängstigt hat, dann fordern die Götter eine Bestrafung, auch wenn der Senat keine verlangt.«

Clodia nickte erneut. »Ich verstehe, dass…«

»Das musst du auch«, fiel er ihr abrupt ins Wort. Seine Stimme war leise und sehr eindringlich geworden. »Es bedeutet nämlich, dass alles, was uns zu tun bleibt, gegen das Gesetz verstößt. Und bei einem Angriff auf Sullas Leben bedeutet ein Fehlschlag den sicheren Tod – Cinnas, deinen, den von Julius’ Mutter, den aller Bediensteten, der Sklaven, Cornelias, des Kindes, von jedem von uns. Und man würde auch Julius aufspüren, ganz egal, wo er sich versteckt hält.«

»Du willst Sulla töten?«, flüsterte Clodia und rückte wieder näher an ihn heran.

»Wenn sich alles so verhält, wie du es geschildert hast, dann werde ich ihn ganz sicher töten«, versprach er ernst. Einen Moment lang sah sie den Furcht erregenden, grimmigen Gladiator vor sich, der er einmal gewesen war.

»Gut, genau das ist es, was er verdient. Dann wird Cornelia endlich diese dunkle Zeit hinter sich lassen und ihr Kind in Frieden austragen können.«

Sie rieb sich mit der Hand über die Augen. Ein Teil des Kummers und der Sorge war sichtlich von ihr genommen.

»Weiß sie, dass du dich an mich gewendet hast?«, fragte er ruhig.

Clodia schüttelte den Kopf.

»Sehr gut! Dann erzähl ihr auch nichts davon, was ich dir gesagt habe. Für solche Kümmernisse steht sie viel zu nah vor der Geburt.«

»Und… danach?«

Tubruk kratzte sich das kurz geschorene Haar am Hinterkopf.

»Auch danach nicht! Lass sie einfach glauben, es sei einer seiner Feinde gewesen. Er hat schließlich genug davon. Es muss unser Geheimnis bleiben, Clodia. Sulla hat Anhänger, die auch noch Jahre nach seinem Tod nach Blutrache schreien werden, sollte die Wahrheit je ans Tageslicht kommen. Ein falsches Wort von dir zu jemand anderem, der es wiederum einem guten Freund erzählt, und noch vor dem nächsten Morgengrauen stehen die Wachen vor dem Tor, um Cornelia und das Kind zur Folter abzuholen.«

»Ich sage niemandem etwas«, schwor sie flüsternd und sah ihn lange an. Schließlich senkte sie den Blick, und er seufzte schwer.

»Jetzt fang noch einmal ganz von vorne an und lass nichts aus. Schwangere Frauen haben oft eine rege Phantasie, und bevor ich alles aufs Spiel setze, was mir lieb und teuer ist, muss ich absolut sicher sein.«

Eine ganze Stunde lang saßen sie da und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Am Ende der Unterredung zeigte die Hand, die sie ihm auf den Arm gelegt hatte, trotz des hässlichen Themas, das sie miteinander zu besprechen hatten, den Beginn einer verhalten aufkeimenden Anziehung an.

»Eigentlich hatte ich vor, mit der nächsten Flut schon wieder auf See zu sein und nicht an einer Parade teilzunehmen«, hatte Gaditicus verärgert gesagt.

»Aber da hast du mich noch für tot gehalten«, hatte Statthalter Paulus erwidert. »Da ich nun, wenn auch schwer angeschlagen, noch am Leben bin, halte ich es für überaus wichtig, zu zeigen, dass mir die Unterstützung Roms weiterhin sicher ist. Das wird weitere… Anschläge auf meine Würde entmutigen.«

»In dieser Festung muss sich jeder junge Krieger dieser Insel versteckt gehalten haben, dazu eine beträchtliche Anzahl vom Festland. Die Hälfte der Familien in der Stadt betrauern den Tod des Vaters oder eines Sohnes. Wir haben ihnen sehr deutlich gezeigt, was es bedeutet, Rom gegenüber ungehorsam zu sein. Sie werden sich nicht wieder gegen dich erheben.«

»Glaubst du?«, hatte Paulus mit einem trockenen Lächeln erwidert. »Wie wenig du diese Menschen doch kennst. Seit Athen der Mittelpunkt der Welt war, kämpfen sie gegen ihre Eroberer. Jetzt sind die Römer hier, und sie kämpfen weiter. Diejenigen, die gestorben sind, haben Söhne zurückgelassen, die zu den Waffen greifen, sobald sie dazu in der Lage sind. Das hier ist eine sehr schwierige Provinz.«

Die Disziplin hatte Gaditicus von weiteren Einwänden abgehalten. Er sehnte sich zurück aufs Meer und auf das Deck der Accipiter, aber Paulus hatte darauf bestanden, hatte sogar befohlen, dass vier Legionäre zu seinem Schutz auf der Insel zurückblieben. Bereits bei diesem Befehl wäre Gaditicus um ein Haar auf sein Schiff zurückgegangen, doch ein paar ältere Männer hatten sich freiwillig gemeldet, weil sie diese einfache Pflicht der Piratenjagd vorzogen.