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Durch sein Geschick, mit erstaunlicher Regelmäßigkeit ungewöhnliche, oft sogar sehr seltene Gegenstände aufzustöbern, hatte sich Mr. Boggis in den letzten Jahren beträchtlichen Ruhm bei seinen Geschäftsfreunden erworben. Anscheinend verfügte der Mann über eine nahezu unerschöpfliche Quelle, eine Art privaten Warenlagers, aus dem er sich von Woche zu Woche versorgte. Fragte man ihn, woher er die Sachen beziehe, so lächelte er überlegen und murmelte etwas von einem kleinen Geheimnis.

Hinter Mr. Boggis’ kleinem Geheimnis steckte eine höchst einfache Idee. Sie ging auf ein Erlebnis zurück, das er vor nahezu neun Jahren gehabt hatte, als er eines Sonntagnachmittags über Land fuhr. Er hatte sich am Morgen aufgemacht, um seine Mutter in Sevenoaks zu besuchen, und auf dem Rückweg war irgendetwas mit dem Kühler passiert, sodass sich der Motor überhitzte und das Wasser wegkochte. Er war ausgestiegen, zum nächsten Haus gegangen, einem Bauernhäuschen, etwa fünfzig Schritt von der Straße entfernt, und hatte die Frau, die ihm öffnete, um einen Krug Wasser gebeten.

Während er auf ihre Rückkehr vom Brunnen wartete, warf er zufällig einen Blick durch die offene Tür ins Wohnzimmer, und dort, greifbar nahe, entdeckte er so etwas Aufregendes, dass ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Es war ein großer eichener Armstuhl von besonderer Art – so einen hatte er erst einmal im Leben gesehen. Jeder Arm wie auch die Fläche der Rückenlehne ruhte auf acht wundervoll gedrechselten Spindeln. Die Rückenlehne selbst war mit einer Einlegearbeit verziert, einem herrlichen Blumenmuster, und ein geschnitzter Entenkopf nahm die Hälfte jeder der beiden Armstützen ein. Guter Gott, dachte Mr. Boggis, das ist ja spätes fünfzehntes Jahrhundert!

Er steckte den Kopf weiter durch die Tür, und siehe da, auf der anderen Seite des Kamins stand wahrhaftig noch so ein Sessel!

Ganz sicher wusste er es nicht, aber zwei Stühle wie diese waren in London mindestens tausend Pfund wert. Ach, und wie schön sie waren!

Als die Frau zurückkam, stellte Mr. Boggis sich vor und fragte ohne Umschweife, ob sie die Sessel vielleicht verkaufen wolle.

«Du meine Güte», sagte sie, «warum in aller Welt sollte ich meine Sessel verkaufen?»

Aus keinem anderen Grunde, als weil er bereit sei, ihr ein schönes Stück Geld dafür zu bezahlen.

Tatsächlich? Wie viel denn? Sie denke zwar nicht daran zu verkaufen, aber aus Neugier, so zum Spaß, wissen Sie – wie viel würde er geben?

«Fünfunddreißig Pfund.» – «Wie viel?»

«Fünfunddreißig Pfund.»

Lieber Himmel, fünfunddreißig Pfund. Ja, ja, das sei sehr interessant. Für wertvoll habe sie die Stühle immer gehalten. Sie seien sehr alt. Und außerdem sehr bequem. Aber sie könne sie unmöglich entbehren, auf keinen Fall. Nein, da sei leider nichts zu machen. Trotzdem vielen Dank.

In Wirklichkeit, erklärte Mr. Boggis, seien die Sessel gar nicht so alt und daher auch keineswegs leicht zu verkaufen; er habe jedoch gerade einen Kunden an der Hand, der solche Sachen liebe. Vielleicht könne er noch zwei Pfund zulegen – sagen wir siebenunddreißig. Wie wäre es damit?

Eine halbe Stunde lang ging der Handel hin und her. Zuletzt bekam Mr. Boggis natürlich die Sessel und bezahlte dafür kaum den zwanzigsten Teil ihres Wertes.

Als Mr. Boggis am Abend nach London zurückfuhr – die beiden Prachtstücke waren im hinteren Teil des alten Kombiwagens untergebracht –, kam ihm plötzlich ein Gedanke, den er für glänzend hielt.

Sieh einmal, sagte er sich, wenn in diesem Bauernhaus gute Sachen sind, warum dann nicht auch in anderen? Sollte man also nicht danach suchen? Alle ländlichen Bezirke durchkämmen? Sonntags, zum Beispiel, weil es dann nicht bei der Arbeit stört … Mit dem Sonntag wusste Mr. Boggis ohnehin nie etwas anzufangen.

Er kaufte Landkarten, Karten in großem Maßstab von allen Grafschaften rund um London, und teilte sie mit einer feinen Feder in Quadrate ein, deren jedes ein Gebiet von fünf zu fünf Meilen umfasste. So viel konnte er seiner Schätzung nach bei gründlichem Vorgehen an einem Sonntag erledigen. Städte und große Dörfer wollte er außer Acht lassen und lieber abgelegene Ortschaften, Bauernhöfe und mehr oder weniger verfallene Herrensitze aufsuchen. Wenn er allsonntäglich ein Quadrat abklapperte, zweiundfünfzig im Jahr, würde er nach und nach jeden Hof und jedes Bauernhaus der näheren und weiteren Umgebung erfassen.

Offensichtlich war es aber damit noch nicht getan. Landleute sind eine misstrauische Gesellschaft. Ebenso die verarmten Reichen. Man kann nicht einfach an ihre Tür klopfen und erwarten, dass sie einem das ganze Haus zeigen, nur weil man es gern besichtigen möchte. Das tun sie nicht. Auf die Weise kommt man noch nicht einmal über die Schwelle. Wie sollte man sich also Einlass verschaffen? Vielleicht war es am besten, gar nicht zu sagen, dass man Händler war. Man konnte sich als Telefonmann ausgeben, als Klempner, als Beauftragter der Gasanstalt. Oder als Geistlicher …

Damit bekam der Plan Hand und Fuß. Mr. Boggis ließ eine Menge Visitenkarten drucken, auf denen zu lesen stand:

Reverend Cyril Winnington Boggis  Präsident der Gesellschaftzur Erhaltung seltenen MobiliarsIn Verbindungmit dem Victoria-und-Albert-Museum

Von nun an war er jeden Sonntag ein netter alter Pfarrer, der seinen Feiertag opferte, um der «Gesellschaft» einen Liebesdienst zu erweisen, indem er ein Inventar der in englischen Bauernhöfen und Landhäusern verborgenen Schätze aufnahm. Und wer in aller Welt hätte gewagt, ihn hinauszuwerfen, wenn er das hörte? Niemand.

War Mr. Boggis erst einmal drinnen und entdeckte zufällig etwas, was er gern haben wollte – nun, dann gab es hundert verschiedene Wege, zum Ziel zu kommen.

Zu seiner eigenen Überraschung ging alles wie am Schnürchen. Die Freundlichkeit, mit der er in einem Haus nach dem anderen empfangen wurde, war ihm anfangs sogar geradezu peinlich. Etwas kalte Pastete, ein Glas Portwein, eine Tasse Tee, einen Korb Pflaumen, ein reichhaltiges Sonntagsmahl im Kreise der Familie, dergleichen wurde ihm immer wieder angeboten, ja aufgedrängt. Mitunter waren natürlich auch Minuten der Angst und unangenehme Zwischenfälle zu verzeichnen, aber neun Jahre, das sind mehr als vierhundert Sonntage, und in diesem Zeitraum kann man sehr viele Häuser besuchen. Alles in allem war es ein interessantes, aufregendes und lukratives Geschäft.

Und nun war wieder Sonntag, und Mr. Boggis betätigte sich in der Grafschaft Buckinghamshire, in einem der nördlichsten Quadrate seiner Karte, ungefähr zehn Meilen von Oxford entfernt. Als er den Hügel hinabfuhr und sein erstes Haus, das verfallene im Queen-Anne-Stil, ansteuerte, stieg in ihm das Gefühl auf, dieser Tag werde sich zu einem seiner glücklichsten entwickeln.

Er parkte den Wagen in einigem Abstand vom Eingang und machte sich daran, die restlichen zweihundert Schritte zu Fuß zu gehen. Seinen Wagen ließ er nicht gern sehen, bevor ein Handel abgeschlossen war. Ein lieber alter Geistlicher und ein großer Kombiwagen schienen nicht recht zueinanderzupassen. Der kurze Weg gab ihm zudem Gelegenheit, das Haus von außen zu betrachten und sich in eine der Situation entsprechende Stimmung zu versetzen.

Mr. Boggis ging schnell die Auffahrt hinauf. Er war ein kleiner Mann, dickbäuchig, mit fleischigen Schenkeln und einem runden rosigen Gesicht, das wie gemacht für seine Rolle war. Die großen braunen Augen, die aus diesem rosigen Antlitz hervorquollen, wirkten ebenso freundlich wie dumm. Er war schwarz gekleidet, trug das übliche «Hundehalsband» der Geistlichen, und auf seinem Kopf saß ein weicher schwarzer Hut. In der Hand hielt er einen alten Spazierstock aus Eichenholz, der ihm seiner Meinung nach ein ländlich-gemütliches Aussehen verlieh.