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Er näherte sich der Haustür und läutete. Gleich darauf hörte er Schritte in der Halle, die Tür öffnete sich, und vor ihm – oder eigentlich über ihm – stand eine riesenhaft große Frau in Reithosen. Nicht einmal der Rauch ihrer Zigarette konnte den kräftigen Geruch nach Stall und Pferdemist übertäuben, der von ihr ausging.

«Ja?», fragte sie mit einem misstrauischen Blick. «Was wünschen Sie?»

Mr. Boggis, der halb und halb darauf gefasst war, sie im nächsten Moment wiehern zu hören, lüftete den Hut, machte eine kleine Verbeugung, überreichte seine Karte und murmelte: «Entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie störe.» Dann wartete er und beobachtete ihr Gesicht, während sie las.

«Das verstehe ich nicht», sagte sie und gab ihm die Karte zurück. «Was wünschen Sie?»

Mr. Boggis erklärte ihr Zweck und Ziel der Gesellschaft zur Erhaltung seltenen Mobiliars.

Ihre Augen unter den hellen, buschigen Brauen starrten ihn grimmig an. «Hat das etwas mit der Sozialistischen Partei zu tun?», erkundigte sie sich.

Nun war es leicht. Mit einem Tory in Reithosen, ob männlich oder weiblich, kam Mr. Boggis immer gut zurecht. Er verwendete zwei Minuten auf ein begeistertes Lob des äußersten rechten Flügels der Konservativen und zwei weitere auf eine heftige Kritik an den Sozialisten. Als letzten Triumph spielte er die Tatsache aus, dass die Sozialisten einmal einen Gesetzentwurf für das Verbot der Parforcejagden auf dem Lande eingebracht hatten, und ging dann dazu über, der Dame seine Auffassung vom Himmel vorzutragen – «obwohl Sie das lieber nicht dem Bischof erzählen sollten». Für ihn, so sagte er, sei der Himmel ein Ort, wo man Füchse, Hirsche und Hasen mit großen Meuten unermüdlicher Hunde jagen könne, und zwar täglich, auch sonntags, vom Morgen bis zum Abend.

Er beobachtete sie, während er sprach, und bald sah er, dass der Zauber zu wirken begann. Die Lippen seiner Zuhörerin verzogen sich zu einem breiten Lächeln und entblößten dabei zwei Reihen riesiger gelblicher Zähne. «Madam», rief Mr. Boggis, «ich bitte Sie inständig, halten Sie mich bloß nicht für einen Sozialisten!» In diesem Augenblick brach sie in ein wieherndes Lachen aus, hob eine breite rote Hand und schlug ihm so kräftig auf die Schulter, dass er fast umgefallen wäre.

«Kommen Sie rein!», schrie sie. «Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber kommen Sie in drei Teufels Namen rein!»

Unglücklicherweise und ziemlich überraschend gab es in diesem Hause nichts, was irgendwelchen Wert gehabt hätte, und Mr. Boggis, der an unfruchtbares Gebiet prinzipiell keine Zeit verschwendete, entschuldigte sich bald und ging. Der Besuch hatte kaum fünfzehn Minuten gedauert, und das, so sagte er sich, als er in seinen Wagen stieg, war genau das Übliche für solche Fälle.

Nun hatte er nur noch Bauernhäuser zu besuchen, und das nächste lag ungefähr eine halbe Meile entfernt. Es war ein großes Fachwerkgebäude von beträchtlichem Alter, und seine Südwand wurde von einem prächtig blühenden Birnbaum verdeckt.

Mr. Boggis klopfte an die Tür. Er wartete, bekam aber keine Antwort und klopfte daher noch einmal. Als sich wieder nichts rührte, ging er um das Haus herum, denn er nahm an, der Bauer sei im Kuhstall. Auch auf dem Hof fand er niemanden. Sie werden wohl alle in der Kirche sein, dachte er und fing an, in die Fenster zu spähen, ob er etwas Interessantes entdecken könnte. Im Esszimmer war nichts. Er versuchte es mit dem Wohnzimmer, und dort, direkt vor seiner Nase, erblickte er in der Fensternische ein wunderschönes Stück, einen halbrunden Spieltisch aus Mahagoni, reich mit Intarsien versehen, im Stil von Hepplewhite, um 1780.

«Aha!», sagte er laut und presste das Gesicht gegen die Scheibe. «Gut gemacht, Boggis.»

Aber das war noch nicht alles. Da stand auch ein Stuhl, ein einzelner Stuhl, allem Anschein nach von noch besserer Qualität als der Tisch. Ebenfalls Hepplewhite, nicht wahr? Und so schön! Die Stäbe der Rückenlehne waren mit fein geschnitzten Blättern und Ranken verziert, das Rohrgeflecht des Sitzes war zweifellos echt, und was die anmutig geschweiften Beine betraf, so hatten die beiden hinteren jenen besonderen Schwung nach außen, der so viel bedeutet. Ein erlesener Stuhl. «Bevor dieser Tag vorüber ist», sagte Mr. Boggis ruhig vor sich hin, «werde ich die Freude haben, auf diesem entzückenden Stuhl zu sitzen.» Nie kaufte er einen Stuhl, ohne das zu tun. Für ihn war das die Probe aufs Exempel, und es war immer interessant zu sehen, wie er sich behutsam auf den Sitz sinken ließ und dabei auf das Nachgeben achtete, das ihm, dem Fachmann, genau verriet, wieweit die Jahre die Fugen und die Schwalbenschwanzverbindungen hatten eintrocknen lassen.

Es eilt nicht, sagte er sich und beschloss, später wiederzukommen. Er hatte ja den ganzen Nachmittag vor sich.

Der nächste Hof lag inmitten von Feldern. Damit man den Wagen nicht sah, musste Mr. Boggis ihn auf der Landstraße stehen lassen und etwa sechshundert Schritte auf einem Seitenweg gehen, der in den hinteren Hof des Bauernhauses mündete. Wie er beim Näherkommen bemerkte, war dieses Anwesen erheblich kleiner als das vorige, sodass hier nicht viel zu erhoffen war. Alles sah vernachlässigt aus, und einige Ställe waren baufällig.

In einer Ecke des Hofes standen dicht beieinander drei Männer. Einer von ihnen hielt zwei große schwarze Windhunde an der Leine. Als die Männer den schwarzgekleideten Mr. Boggis mit seinem Pfarrerkragen herankommen sahen, verstummten sie, schienen plötzlich starr und steif zu werden und wandten ihm ihre Gesichter zu, um ihn argwöhnisch zu beäugen.

Der älteste von den dreien, ein untersetzter Mann mit breitem Froschmund und kleinen, verschmitzten Augen, hieß – was Mr. Boggis natürlich nicht wusste – Rummins und war der Besitzer des Hofes.

Der hochgewachsene junge Mann neben ihm, dessen eines Auge nicht ganz in Ordnung zu sein schien, war sein Sohn Bert.

Der kleine Mann mit dem flachen Gesicht, der niedrigen, faltigen Stirn und den ungeheuer breiten Schultern hieß Claud und hatte sich bei Rummins eingefunden, weil er ein Stück Schweinefleisch oder Schinken von dem tags zuvor geschlachteten Schwein zu ergattern hoffte. Claud wusste von der Schlachtung – das Quieken des Tieres war weithin zu hören gewesen –, und er wusste auch, dass man für so etwas eine behördliche Genehmigung brauchte, dass Rummins aber keine hatte.

«Guten Tag», sagte Mr. Boggis. «Schönes Wetter heute.»

Keiner der Männer rührte sich. Alle drei dachten genau dasselbe – dass dieser Geistliche, der ganz gewiss nicht aus der Gegend stammte, ein Abgesandter der Behörde sei und hier herumschnüffeln wolle.

«Was für schöne Hunde», fuhr Mr. Boggis fort. «Ich muss zwar gestehen, dass ich noch nie bei einem Windhundrennen war, aber es soll ja ein hochinteressanter Sport sein.»

Beharrliches Schweigen. Mr. Boggis blickte rasch von Rummins zu Bert, dann auf Claud und wieder auf Rummins, und stellte fest, dass sie alle den gleichen Gesichtsausdruck hatten, eine eigenartige Mischung von Spott und Herausforderung, mit einem geringschätzigen Kräuseln um den Mund und einem höhnischen Zug um die Nase.

«Darf ich fragen, ob Sie der Hofbesitzer sind?», wandte sich Mr. Boggis unerschrocken an Rummins.

«Was wünschen Sie?»

«Entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie störe, noch dazu an einem Sonntag.»

Mr. Boggis überreichte seine Karte, die Rummins nahm und dicht vor die Augen hielt. Die beiden anderen rührten sich nicht, schielten aber zur Seite und versuchten mitzulesen.

«Ja, was wollen Sie eigentlich?», fragte Rummins.

Zum zweiten Mal an diesem Tage erklärte Mr. Boggis umständlich Zweck und Ziel der Gesellschaft zur Erhaltung seltenen Mobiliars.