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«So was haben wir nicht», knurrte Rummins, als der Vortrag beendet war. «Sie vergeuden nur Ihre Zeit.»

«Nicht so hastig, Sir», erwiderte Mr. Boggis mit erhobenem Finger. «Der letzte Mann, der mir das gesagt hat, war ein alter Bauer unten in Sussex, und als er mich schließlich doch ins Haus ließ, wissen Sie, was ich da in der Küchenecke gefunden habe? Einen schmutzigen alten Stuhl, der bei näherer Betrachtung vierhundert Pfund wert war! Ich habe dem Mann geholfen, ihn zu verkaufen, und er hat sich für das Geld einen Traktor angeschafft.»

«Was schwatzen Sie denn da?», sagte Claud. «Einen Stuhl, der vierhundert Pfund wert ist, gibt’s auf der ganzen Welt nicht.»

«Entschuldigen Sie», antwortete Mr. Boggis steif, «aber ich kenne viele Stühle in England, die mehr als das Doppelte dieser Summe wert sind. Und wo befinden sie sich? Überall auf dem Lande sind sie auf Bauernhöfen und in Landhäusern versteckt und werden als Tritte oder Leitern benutzt. Tatsächlich, die Leute trampeln mit Nagelschuhen darauf herum, wenn sie einen Topf Marmelade vom Küchenschrank nehmen oder ein Bild aufhängen wollen. Ich sage Ihnen nur die Wahrheit, liebe Freunde.»

Rummins trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. «Sie meinen also, Sie wollen nur hineingehen, mitten im Zimmer stehen bleiben und sich umsehen?»

«Genau das», versicherte Mr. Boggis, dem allmählich klarwurde, wo hier der Hase im Pfeffer lag. «Ich will meine Nase weder in Ihre Schränke noch in Ihre Speisekammer stecken. Nur die Möbel möchte ich anschauen, um festzustellen, ob Sie zufällig irgendetwas Kostbares besitzen, über das ich in der Zeitschrift unserer Gesellschaft berichten könnte.»

«Wissen Sie, was ich glaube?» Rummins fixierte ihn mit seinen kleinen, boshaften Augen. «Ich glaube, Sie sind darauf aus, die Möbel auf eigene Rechnung zu kaufen. Wozu sollten Sie sich sonst so viel Mühe machen?»

«Ach, du lieber Himmel, ich wollte, ich hätte das Geld dazu. Natürlich, wenn ich etwas sehe, was mir gefällt, und es übersteigt meine Mittel nicht, dann komme ich schon mal in Versuchung, ein Angebot zu machen. Aber so was gibt’s leider selten.»

«Schön», meinte Rummins, «wenn Sie weiter nichts wollen als sich umsehen, dann können Sie das meinetwegen tun.» Damit ging er über den Hof zur Hinterseite des Hauses, und Mr. Boggis folgte ihm. Auch Bert, der Sohn, und Claud mit seinen beiden Hunden schlossen sich an. Sie durchquerten die Küche – das einzige Möbelstück war dort ein billiger Tisch aus Tannenholz, auf dem ein totes Huhn lag – und traten in ein ziemlich großes, außerordentlich schmutziges Wohnzimmer.

Und da war sie! Mr. Boggis sah sie sofort, blieb wie angewurzelt stehen und schnappte hörbar nach Luft. Fünf, zehn, fünfzehn Sekunden, wenn nicht länger, stand er unbeweglich da und glotzte wie ein Idiot, weil er nicht zu glauben vermochte, nicht zu glauben wagte, dass er wirklich das sah, was er sah. Das konnte nicht wahr sein, unmöglich! Doch je länger er hinstarrte, desto wahrer schien es zu werden.

Ja, da war sie, unmittelbar vor ihm an der Wand, ebenso wirklich wie das Haus selbst! Und wer in der Welt hätte sich bei so einem Ding täuschen können? Zugegeben, sie war weiß angestrichen, aber das hatte nichts, gar nichts zu sagen. Irgendein Idiot hatte sie so verschandelt, und die Farbe war leicht zu entfernen. Du guter Gott! Was für eine Pracht! Und an so einem Ort!

In diesem Augenblick wurde sich Mr. Boggis bewusst, dass die drei Männer, Rummins, Bert und Claud, am Kamin lehnten und ihn scharf beobachteten. Sie hatten ihn stehen bleiben, nach Luft schnappen und glotzen sehen, sie mussten bemerkt haben, dass sein Gesicht rot – vielleicht auch blass – geworden war, und wenn er nicht sofort etwas dagegen tat, würden sie ihm auf jeden Fall das Geschäft gründlich verderben. Rasch entschlossen, griff sich Mr. Boggis ans Herz, taumelte zum nächsten Stuhl und sank schwer atmend darauf nieder.

«Was haben Sie denn?», fragte Claud.

«Nichts», hauchte er. «Es geht gleich vorüber. Bitte – Wasser. Mein Herz …»

Bert holte ein Glas Wasser, gab es Mr. Boggis und blieb, ihn blöde anstarrend, neben ihm stehen.

«Ich dachte schon, Sie hätten was entdeckt», sagte Rummins. Sein schlaues Grinsen zog den Froschmund noch mehr in die Breite und enthüllte einige Zahnstummel.

«Nein, nein», beteuerte Mr. Boggis. «O nein, es ist nur mein Herz. Tut mir sehr leid, wirklich. Ich habe ab und zu so einen Anfall, aber das geht immer schnell vorüber. In ein paar Minuten bin ich wieder in Ordnung.»

Ich brauche Zeit zum Überlegen, dachte er. Vor allem aber muss ich mich ganz und gar fassen, bevor ich noch ein Wort sage. Reiß dich zusammen, Boggis. Was du auch tust, bleibe ruhig. Diese Leute mögen unwissend sein, aber dumm sind sie nicht. Misstrauisch sind sie, wachsam und gerissen. Und wenn es wirklich stimmt – nein, es kann nicht, kann nicht stimmen …

Mit einer Gebärde des Schmerzes presste er die Hand auf die Augen, öffnete sehr vorsichtig einen kleinen Spalt zwischen zwei Fingern und spähte hindurch.

Kein Zweifel, das Ding stand noch da, und er nahm die Gelegenheit wahr, es lange und gründlich zu betrachten. Ja, er hatte richtig gesehen, daran war nicht zu zweifeln. Es war einfach unglaublich.

Was er sah, war ein Möbel, für dessen Erwerb ein Fachmann so gut wie alles gegeben hätte. Einem Laien wäre es nicht weiter begehrenswert erschienen, zumal es mit schmutzig weißer Farbe bedeckt war, doch für Mr. Boggis war es der Wunschtraum eines Antiquitätenhändlers. Wie jeder Experte in Europa und Amerika wusste auch er, dass zu den bekanntesten und gesuchtesten Stücken englischer Möbelkunst des achtzehnten Jahrhunderts die berühmten «Chippendalekommoden» gehören. Er hätte ihre Geschichte im Schlaf hersagen können – die erste war 1920 in Moreton-in-Marsh entdeckt und in demselben Jahr bei Sotheby verkauft worden; die beiden anderen, die aus Raynham Hall, Norfolk, kamen, waren ein Jahr später aufgetaucht, ebenfalls in Sothebys Auktionsräumen. Alle drei hatten enorme Preise erzielt. An den genauen Preis der ersten und zweiten Kommode konnte sich Mr. Boggis nicht mehr erinnern, doch er wusste mit Sicherheit, dass die dritte dreitausendneunhundert Guineen eingebracht hatte. Und das im Jahre 1921! Heute war sie gewiss zehntausend Pfund wert. Irgendjemand – der Name des Mannes war Mr. Boggis entfallen – hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Abhandlung über diese Kommoden geschrieben und einwandfrei nachgewiesen, dass alle drei aus derselben Werkstatt stammten. Wenn man auch keine Rechnungen gefunden hatte, so waren doch sämtliche Fachleute der Meinung, diese drei Kommoden könnte nur Thomas Chippendale selbst hergestellt haben, und zwar in seiner besten Zeit.

Und hier, sagte sich Mr. Boggis immer wieder, während er heimlich durch den Spalt zwischen seinen Fingern schaute, hier stand die vierte Chippendalekommode! Die er gefunden hatte! Reich würde er werden! Und berühmt! Jede der drei anderen war in der Welt der Kunsthändler unter einem besonderen Namen bekannt: die Chastletonkommode, die erste Raynhamkommode, die zweite Raynhamkommode. Diese würde als Boggiskommode in die Geschichte eingehen. Man brauchte sich nur die Gesichter der Leute in London vorzustellen, wenn sie den Fund morgen früh bewundern durften! Von den großen Händlern in West End – Frank Patridge, Mallett, Jetley und so weiter – würden phantastische Angebote einlaufen. Die Times würde ein Bild bringen und dazu schreiben: «Die Entdeckung dieser herrlichen Chippendalekommode verdanken wir dem Londoner Kunsthändler Mr. Cyril Boggis …» Guter Gott, was für eine Aufregung das geben würde!

Diese hier, dachte Mr. Boggis, sieht genau aus wie die zweite Raynhamkommode. (Alle drei, die Chastleton und die beiden Raynhams, unterschieden sich durch allerlei Kleinigkeiten voneinander.) Es war ein höchst eindrucksvolles Möbelstück in französischem Rokokostil aus Chippendales Directoire-Periode, eine große, massige Kommode auf vier geschnitzten, ausgekehlten Beinen, die etwa einen Fuß hoch waren. Insgesamt hatte sie sechs Schubladen, zwei lange in der Mitte und zwei kürzere an jeder Seite. Die geschweifte Vorderpartie war oben, unten, links und rechts reich ornamentiert, und auch zwischen den mittleren und den seitlichen Schubladen sah man senkrecht verlaufende kunstvolle Schnitzereien in Form von Girlanden, Schnecken und Trauben. Die Messinggriffe waren zum Teil von dem weißen Anstrich überdeckt, schienen jedoch prächtig zu sein. Gewiss, die Kommode war ein ziemlich «schweres» Stück, aber so elegant, so graziös entworfen und ausgeführt, dass die Schwere nicht im Geringsten störte.