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«Wie fühlen Sie sich jetzt?», hörte Mr. Boggis jemanden fragen.

«Danke, danke, schon viel besser. Es geht immer schnell vorüber. Mein Doktor sagt, diese Anfälle seien ganz harmlos, ich müsste mich nur ein paar Minuten ruhig verhalten. Ach ja» – er erhob sich langsam –, «jetzt ist es besser.»

Vorsichtig, ein wenig schwankend, fing er an, im Zimmer umherzugehen und die Möbel einzeln zu begutachten. Er sah sofort, dass außer der Kommode nichts als Plunder vorhanden war.

«Hübscher Eichentisch», bemerkte er. «Nur fürchte ich, er ist nicht so alt, dass er irgendwie interessant wäre. Gute, bequeme Stühle, leider ganz modern, ja ganz modern. Und die Anrichte – nun, sie ist recht gefällig, aber ebenfalls ohne besonderen Wert. Diese Kommode» – er blieb vor der Chippendalekommode stehen und tippte geringschätzig mit dem Finger darauf –, «ein paar Pfund würden Sie vielleicht dafür kriegen, mehr gewiss nicht. Eine ziemlich plumpe Imitation. Vermutlich aus der Viktorianischen Zeit. Ist der weiße Anstrich von Ihnen?»

«Ja», antwortete Rummins. «Bert hat’s gemacht.»

«Sehr vernünftig. In Weiß ist sie viel erträglicher.»

«Ein solides Stück», meinte Rummins. «Hat auch hübsche Schnitzereien.»

«Maschinenarbeit», erklärte Mr. Boggis in überlegenem Ton und bückte sich, um die meisterhafte Arbeit näher zu betrachten. «Das sieht man auf eine Meile. Immerhin, in seiner Art ist es ein nettes Stück. Hat seine Vorzüge.»

Er schlenderte weiter, schien sich plötzlich zu besinnen, und kehrte langsam um. Mit gerunzelter Stirn, die Hand am Kinn, den Kopf zur Seite geneigt, stand er wie in Gedanken versunken da und schaute auf die Kommode.

«Wissen Sie was?», sagte er so beiläufig, dass er nicht einmal die Stimme hob. «Mir fällt gerade ein – solche Beine, wie diese Kommode sie hat, suche ich schon lange. In meinem Häuschen habe ich einen recht aparten Tisch, so ein niedriges Ding, wie es die Leute vors Sofa stellen, eine Art Kaffeetischchen, und an dem haben mir im Herbst, als ich umzog, die dummen Packer die Beine völlig ruiniert. Dabei hänge ich so sehr an dem Tischchen. Ich habe immer meine dicke Bibel darauf liegen und die Notizen für meine Predigten.» Er machte eine Pause und strich sich mit dem Finger über das Kinn. «Jetzt dachte ich eben daran, dass sich die Beine Ihrer Kommode sehr gut verwerten ließen. Ja, tatsächlich. Man könnte sie ohne weiteres abschneiden und an meinen Tisch leimen.» Er wandte sich um und sah die drei Männer unbeweglich dastehen. Drei Paar Augen beobachteten ihn misstrauisch, drei verschiedene Augenpaare, aber alle gleich ungläubig: Rummins’ Schweinsäuglein, Clauds große, träge Augen und Berts Augen, deren eines sehr seltsam aussah, blass, verschwommen, wie gesotten, mit einem kleinen schwarzen Punkt in der Mitte, wie ein Fischauge auf einem Teller.

Mr. Boggis schüttelte lächelnd den Kopf. «Ach, was rede ich denn da? Ich tue ja, als gehörte das Ding mir. Entschuldigen Sie.»

«Sie meinen, Sie wollen es kaufen?», fragte Rummins.

«Nun …» Mr. Boggis warf einen Blick auf die Kommode und legte die Stirn in Falten. «Ich weiß nicht recht. Ich möchte schon … und dann wieder … wenn ich’s mir überlege … nein … ich glaube, es würde doch zu viel Umstände machen. Das lohnt sich nicht. Ich lasse es lieber.»

«Wie viel würden Sie bieten?», fragte Rummins.

«Nicht viel, fürchte ich. Sehen Sie, es ist ja kein echtes altes Stück, bloß eine Nachahmung.»

«Das weiß man nicht so genau», widersprach Rummins. «Wir haben die Kommode seit über zwanzig Jahren im Haus, und vorher hat sie oben im Schloss gestanden. Dort habe ich sie auf der Auktion gekauft, als der alte Herr gestorben war. Neu ist das Ding also nicht, so viel steht fest.»

«Nicht gerade neu, aber bestimmt nicht älter als etwa sechzig Jahre.»

«O doch», beharrte Rummins. «Bert, wo ist der Zettel, den du mal hinten in einer Schublade gefunden hast? Die alte Rechnung.»

Der Sohn glotzte seinen Vater verständnislos an.

Mr. Boggis öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder, ohne einen Laut von sich zu geben. Er zitterte buchstäblich am ganzen Leibe. Um sich zu beruhigen, trat er ans Fenster und blickte auf den Hof, wo eine dicke braune Henne Körner aufpickte.

«Der Zettel lag hinten in einer Schublade unter den Kaninchenschlingen», sagte Rummins. «Los, hol ihn her und zeig ihn dem Pfarrer.»

Als Bert zur Kommode ging, drehte sich Mr. Boggis um. Er konnte nicht anders, er musste ihm zuschauen. Der Bursche zog eine der mittleren Schubladen auf, und Mr. Boggis bemerkte, wie wundervoll weich sie herausglitt. Dann sah er Berts Hand unter Schnüren und Drähten herumwühlen.

«Meinst du das?» Bert brachte ein mehrmals geknifftes, gelbliches Blatt zum Vorschein und reichte es seinem Vater, der es entfaltete und dicht vor die Augen hielt.

«Wollen Sie mir etwa erzählen, dass dieses Schriftstück nicht steinalt ist?» Rummins hielt das Papier Mr. Boggis hin, der es mit zitternder Hand nahm. Es war spröde und knisterte leise zwischen den Fingern. Die Schrift war schräg, wie gestochen:

 Edward Montagu, Esq. schuldet dem Thos. Chippendale für eine große Mahagonny Kommode aus außerordentlich feinem Holze, sehr reich geschnitzet, auf ausgekehlten Beinen, zwey sehr hübsch geschweifte, lange Auszüge in der Mitten und zwey ditto an jeder Seite, mit reich ziselierten Messing Handgriffen und Ornamenten, alles in vollendetstem Geschmack ausgearbeitet £ 87

Mr. Boggis hielt gewaltsam an sich, bemüht, die Erregung zu unterdrücken, die in seinem Innern wühlte und ihn schwindlig machte. O Gott, war das wundervoll! Mit dieser Nota stieg der Wert noch höher. Wie viel würde jetzt wohl herausspringen? Zwölftausend Pfund? Vierzehn? Vielleicht fünfzehn oder gar zwanzig? Wer konnte das wissen?

Du lieber Himmel!

Geringschätzig ließ er das Papier auf den Tisch fallen und sagte kühclass="underline" «Na bitte, ich hab’s ja gewusst – eine viktorianische Nachahmung. Das hier ist einfach die Rechnung, die der Verkäufer – der Mann, der sie gemacht und für alt ausgegeben hat – seinem Kunden ausstellte. Von der Sorte habe ich schon viele gesehen. Beachten Sie, dass er nicht sagt, er hätte sie selbst angefertigt. Er war schlau genug, sich nicht zu verraten.»

«Sagen Sie, was Sie wollen», verkündete Rummins, «aber das ist ein altes Stück Papier.»

«Natürlich, mein lieber Freund. Es ist viktorianisch, spätviktorianisch. Etwa achtzehnhundertneunzig. Sechzig oder siebzig Jahre alt. Hunderte davon habe ich gesehen. Damals gab es unzählige Tischler, die sich ein Gewerbe daraus machten, die schönen Möbel des achtzehnten Jahrhunderts zu imitieren.»

«Hören Sie, Herr Pfarrer …» Rummins deutete mit einem dicken, schmutzigen Finger auf Mr. Boggis. «Ich sage ja nicht, dass Sie keine Ahnung von Möbeln haben, aber was ich sage, ist dies: Wie können Sie so mächtig sicher sein, dass die Kommode nachgemacht ist, wenn Sie gar nicht wissen, wie sie unter all der Farbe aussieht?»

«Kommen Sie», antwortete Mr. Boggis. «Kommen Sie her, ich will es Ihnen zeigen.» Er wartete, bis sich die anderen um ihn geschart hatten. «Hat jemand ein Messer?»