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«Nichts», antwortete der Groom und entfernte sich.

Im Zug brachte Mrs. Bixby den Karton in die Einsamkeit eines Waschraums und verriegelte die Tür. Wie aufregend das war! Ein Weihnachtsgeschenk des Obersts. Sie fing an, die Schnur aufzuknoten. «Bestimmt ein Kleid», sagte sie laut. «Vielleicht sogar zwei Kleider. Oder eine Menge wundervoller Unterwäsche. Nachsehen will ich nicht. Nur nachfühlen und raten, was es ist, welche Farbe es hat und wie es aussieht. Und was es gekostet hat.»

Sie machte die Augen fest zu, hob den Deckel und griff mit einer Hand in den Karton. Obenauf lag Seidenpapier – es war weich und raschelte. Auch ein Briefumschlag oder eine Karte war dabei. Sie kümmerte sich nicht darum und schob die Finger tastend unter das Seidenpapier.

«Mein Gott», rief sie plötzlich. «Das ist doch nicht möglich!»

Sie riss die Augen weit auf und starrte den Mantel an. Dann griff sie hastig zu und hob ihn aus dem Karton. Die dicken Pelzschichten machten ein angenehmes Geräusch, als sie beim Ausbreiten das Seidenpapier streiften. Nun hing der Mantel in seiner ganzen Länge zwischen Mrs. Bixbys erhobenen Armen, und ihr stockte der Atem.

So einen Nerz hatte sie noch nie gesehen. Es war doch Nerz – oder? Ja, natürlich war es Nerz. Aber was für eine herrliche Farbe! Dieses reine Schwarz! Das heißt, sie hielt es für Schwarz, aber als sie mit dem Pelz näher ans Fenster ging, stellte sie fest, dass ein Hauch von Blau darin war, ein tiefes, kräftiges Blau, wie Kobalt. Sie warf einen Blick auf das eingenähte Etikett. Aber da stand nur Wilder Labradornerz. Weiter nichts, weder wo er gekauft war noch sonst etwas. Dafür, sagte sie sich, hat gewiss der Oberst gesorgt. Der alte Schlaufuchs war vorsichtig und hinterließ nie Spuren. Umso besser für ihn. Aber was mochte der Mantel gekostet haben? Sie wagte kaum zu raten. Viertausend Dollar? Fünf? Sechs? Womöglich noch mehr.

Sie musste ihn immerzu anschauen. Die Versuchung, ihn auf der Stelle anzuprobieren, war übermächtig. Rasch zog sie ihren einfachen roten Mantel aus. Ihr Herz klopfte wild, und ihre Augen waren fast unnatürlich geweitet. Gott, wie sich der Pelz anfühlte! Und diese weiten Ärmel mit den dicken, breiten Aufschlägen! Wer hatte denn einmal erzählt, dass man für die Ärmel immer weibliche Felle verarbeite und für alles Übrige männliche? Irgendjemand hatte das behauptet. Vermutlich Joan Rutfield, obgleich nicht einzusehen war, wieso gerade Joan etwas von Nerz verstehen sollte.

Der große schwarze Mantel schien ganz von selbst über sie zu gleiten, wie eine zweite Haut. Du lieber Himmel! Was für ein herrliches Gefühl! Sie betrachtete sich im Spiegel. Phantastisch! Plötzlich war sie ein anderer Mensch. Sie sah blendend aus, strahlend, reich, glänzend, aufregend, begehrenswert, alles auf einmal. Wie eine Königin kam sie sich vor. In diesem Nerz konnte sie überall hingehen, und die Leute würden um sie herumspringen wie Kaninchen. Gar nicht zu sagen, wie schön der Mantel war!

Mrs. Bixby nahm das Kuvert, das noch immer in dem Karton lag, riss es auf und zog den Brief des Obersts heraus:

 Du hast einmal gesagt, dass Du eine Vorliebe für Nerz hast, und deshalb habe ich Dir diesen Mantel besorgt. Man hat mir versichert, es sei sehr guter Nerz. Bitte, nimm ihn mit meinen aufrichtigen guten Wünschen als Abschiedsgeschenk, denn aus persönlichen Gründen werde ich nicht mehr in der Lage sein, Dich wiederzusehen. Leb wohl und alles Gute.

Wie denn?

Man stelle sich das vor!

Einfach so, aus heiterm Himmel, gerade jetzt, wo sie so glücklich war.

Kein Oberst mehr.

Was für ein furchtbarer Schock.

Sie würde ihn entsetzlich vermissen.

Langsam strich Mrs. Bixby über den wunderschönen schwarzen Pelz des Mantels.

Was dir der Morgen nimmt, schenkt dir der Abend.

Lächelnd faltete sie den Brief zusammen, in der Absicht, ihn zu zerreißen und aus dem Fenster zu werfen, bemerkte dabei aber, dass auf der Rückseite auch etwas stand:

PS. Am besten sagst Du, es sei ein Weihnachtsgeschenk Deiner netten alten Tante.

Mrs. Bixbys Mund, der sich in einem weichen Lächeln gedehnt hatte, schnappte zurück wie ein Gummiband.

«Der Mann ist verrückt geworden», rief sie. «So viel Geld hat Tante Maude gar nicht. Nie könnte sie mir so etwas kaufen.»

Aber wenn Tante Maude ihn nicht gekauft hatte, wer dann? In ihrer Ungeduld, den Mantel auszupacken und anzuprobieren, hatte sie diesen wesentlichen Umstand ganz übersehen.

In ein paar Stunden würde sie in New York sein, zehn Minuten später zu Hause bei ihrem Mann. Und selbst ein Mann wie Cyril, der in einer dunklen, gleichgültigen Welt von Wurzelkanälen, Backenzähnen und Karies lebte, würde zweifellos einige Fragen stellen, wenn seine Frau plötzlich in einem Sechstausend-Dollar-Nerz von einer Wochenendfahrt zurückkehrte.

Alle Wetter, sagte sie zu sich selbst, ich glaube, das hat der verwünschte Oberst absichtlich getan, um mich zu quälen. Er weiß genau, dass Tante Maude nicht das Geld hat, so etwas zu kaufen. Also ist ihm auch klar gewesen, dass ich den Mantel nicht behalten kann.

Doch der Gedanke, sich von dem Nerz zu trennen, war für Mrs. Bixby einfach unvorstellbar.

«Ich muss den Mantel haben», sagte sie laut. «Ich muss, ich muss ihn haben.» – Schön, meine Liebe. Du sollst ihn ja haben. Reg dich nicht auf. Bleibe ganz ruhig und denke nach. Du bist doch ein kluges Mädchen, nicht wahr? Du hast ihm oft genug ein X für ein U vorgemacht. Dein Mann kann nicht weiter sehen als bis zum Ende seiner Sonde, das weißt du. Setz dich also still hin und überlege. Zeit hast du genug.

Zweieinhalb Stunden später verließ Mrs. Bixby auf dem Pennsylvania-Bahnhof den Zug und eilte zum Ausgang. Sie trug ihren alten roten Mantel und hielt den Pappkarton im Arm. Draußen winkte sie einem Taxi.

«Wissen Sie vielleicht, ob es hier in der Nähe eine Pfandleihe gibt, die noch offen hat?», fragte sie den Chauffeur.

Der Mann hinter dem Lenkrad hob die Brauen und sah Mrs. Bixby belustigt an.

«In der Sixth Avenue sind eine Menge», antwortete er.

«Halten Sie bitte bei der ersten, die Sie sehen.» Damit stieg sie ein, und sie fuhren los.

Bald hielt das Taxi vor einem Laden, über dessen Tür drei Messingkugeln hingen.

«Warten Sie bitte», sagte Mrs. Bixby zu dem Chauffeur und ging in die Pfandleihe.

Auf dem Ladentisch kauerte eine riesige Katze, die aus einem weißen Napf Fischköpfe fraß. Das Tier richtete seine hellgelben Augen auf Mrs. Bixby und wandte sich dann wieder seinem Futter zu. So weit wie möglich von der Katze entfernt, stand Mrs. Bixby da, wartete, dass jemand käme, und betrachtete die Uhren, die Schuhschnallen, die Emaillebroschen, die alten Operngläser, die zerbrochenen Brillen und die falschen Zähne. Warum versetzen eigentlich so viele Leute ihr Gebiss?, fragte sie sich.

«Ja, bitte?» Der Besitzer war unversehens aus dem dunklen Hintergrund des Ladens aufgetaucht.

«Ach, guten Abend», sagte Mrs. Bixby. Während sie die Schnur aufknotete, die um den Karton gebunden war, ging der Mann zu der Katze und streichelte ihren Rücken. Das Tier ließ sich in seiner Beschäftigung nicht stören.

«Mir ist da was Dummes passiert», begann Mrs. Bixby. «Ich habe mein Portemonnaie verloren. Heute ist Sonnabend, bis Montag sind alle Banken zu, und ich brauche dringend Geld fürs Wochenende. Dies ist ein sehr wertvoller Mantel, aber viel Geld will ich darauf gar nicht haben. Nur eine kleine Summe, damit ich mir bis Montag durchhelfen kann. Dann komme ich wieder und löse ihn aus.»

Der Mann wartete schweigend. Als sie jedoch den Nerz hervorholte und den herrlichen dicken Pelz über den Ladentisch breitete, zog er die Brauen hoch, ließ die Katze los und kam näher, um ihn zu begutachten. Er hob ihn auf und hielt ihn ein Stück von sich ab.

«Wenn ich eine Uhr oder einen Ring bei mir hätte», fuhr Mrs. Bixby fort, «dann würde ich Ihnen ja lieber das geben. Aber ich habe tatsächlich nichts als diesen Mantel.» Sie zeigte ihm ihre gespreizten Finger.