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Albert sah ihr durch die offene Tür nach, wie sie die Diele überquerte und anfing, die Treppe hinaufzusteigen. Als sie die dritte oder vierte Stufe erreicht hatte, blieb sie plötzlich ein paar Sekunden regungslos stehen. Sie schien nachzudenken. Dann machte sie kehrt und kam mit schnellen Schritten ins Zimmer zurück.

«Albert», sagte sie.

«Ja?»

«Ich nehme an, in der letzten Flasche, die wir ihr gegeben haben, war kein Gelée Royale.»

«Ich wüsste nicht, warum du das annehmen solltest, Mabel.»

«Albert!»

«Was ist denn?», fragte er unschuldig und sanft.

«Wie kannst du es wagen!»

Albert Taylors rundes, bärtiges Gesicht nahm einen gekränkten und verwirrten Ausdruck an. «Ich finde, du solltest sehr froh sein, dass sie nochmal eine große Dosis bekommen hat», sagte er. «Wirklich, das finde ich. Und glaub mir, Mabel, es war eine sehr große Dosis.»

Seine Frau presste das schlafende Kind an sich und sah ihren Mann mit weit aufgerissenen Augen an. Wie erstarrt vor Zorn stand sie in der Tür, hoch aufgerichtet, das Gesicht blasser, der Mund schmaler als sonst.

«Warte nur ab», fügte Albert hinzu, «deine Tochter wird so prächtig gedeihen, dass sie auf jeder Baby-Ausstellung im ganzen Land den ersten Preis kriegt. Warum legst du sie nicht gleich mal auf die Waage, um zu sehen, wie viel sie wiegt. Soll ich die Waage holen, damit du’s feststellen kannst?»

Seine Frau ging zu dem großen Tisch in der Mitte des Zimmers, legte das Kind darauf und fing an, es zu entkleiden. «Ja», antwortete sie kurz, «hol die Waage.» Das Babyjäckchen und das Hemdchen flogen beiseite, die Windel folgte, und schon lag das Kind nackt auf dem Tisch.

«Mabel!», rief Albert. «Das ist ja ein Wunder! Rund wie eine Kugel ist sie!»

Tatsächlich, das Kind hatte seit dem vorigen Tage eine erstaunliche Menge Fleisch angesetzt. Der schmale eingefallene Brustkorb mit den vorspringenden Rippen war jetzt dick und rund wie ein Fässchen, und der Bauch wölbte sich weit vor. Arme und Beine dagegen hatten mit diesem Wachstum merkwürdigerweise nicht Schritt gehalten. Sie waren kurz und mager geblieben und erinnerten an Stäbchen, die man in einen Fettkloß gespießt hat.

«Schau», sagte Albert, «sie bekommt sogar einen Pelz auf dem Bauch, der sie warm hält!» Er streckte die Hand aus, um mit den Fingerspitzen über den seidigen gelblichen Flaum zu streichen, der sich von einem Tag zum anderen gebildet hatte.

«Rühr sie nicht an!», schrie seine Frau, fuhr herum und stand mit flammenden Augen vor ihm. Sie sah plötzlich aus wie ein kleiner Kampfhahn. Ihr Hals vor vorgereckt, als wollte sie ihm ins Gesicht fliegen und ihm die Augen aushacken.

«Reg dich nicht auf», sagte er begütigend und wich ein wenig zurück.

«Du musst verrückt sein!», rief sie.

«Reg dich nicht auf, Mabel, bitte. Wenn du immer noch glaubst, es sei eine gefährliche Substanz … Das glaubst du doch, nicht wahr? Also gut, dann höre jetzt mal genau zu. Ich werde dir ein für alle Mal beweisen, dass Gelée Royale absolut unschädlich für Menschen ist, auch in großen Mengen. Zum Beispiel – was meinst du wohl, warum wir im vorigen Sommer nur die Hälfte unserer gewöhnlichen Honigernte gehabt haben? Sag mir das.» Er hatte sich inzwischen drei oder vier Schritte von ihr entfernt, und das schien ihm ein Gefühl der Sicherheit zu geben.

«Wir hatten im vorigen Sommer nur deswegen halb so viel Honig wie sonst», fuhr er langsam und leise fort, «weil ich hundert von meinen Bienenkörben auf die Produktion von Gelée Royale umgestellt habe.»

«Was hast du …?»

«Ah», flüsterte er, «das überrascht dich wohl ein wenig? Und ich hab’s die ganze Zeit direkt vor deiner Nase getan.» Seine Augen glänzten, und ein listiges Lächeln zog langsam seinen Mund in die Breite. «Den Grund wirst du nie erraten», sprach er weiter. «Ich wollte eigentlich nicht darüber reden, weil ich fürchtete, es würde dich … na ja … irgendwie stören.» Albert machte eine kleine Pause. Er hielt die Hände in Brusthöhe vor sich und rieb sie aneinander, sodass ein schabendes Geräusch entstand.

«Erinnerst du dich, was ich dir aus der Zeitschrift vorgelesen habe? Die Stelle über die Ratte meine ich. Wie heißt es doch da? ‹Still und Burdett stellten fest, dass eine bisher nicht fortpflanzungsfähige männliche Ratte …›» Er zögerte, und sein Lächeln wurde noch breiter. «Hast du verstanden, Mabel?»

Sie stand unbeweglich und sah ihn an.

«Als ich den Satz zum allerersten Mal las, sprang ich sofort vom Stuhl auf und sagte mir, wenn das auf eine lausige Ratte so wirkt, dann sehe ich wirklich keinen Grund, warum es nicht auch auf Albert Taylor wirken sollte.»

Er hielt wiederum inne, streckte den Kopf vor und wandte das eine Ohr seiner Frau zu, in der Hoffnung, sie werde etwas sagen. Aber sie schwieg.

«Und das ist noch nicht alles», fuhr er schließlich fort. «Ich fühle mich so ausgezeichnet, Mabel, so ganz anders als vorher, und deswegen habe ich es weiter genommen, auch nachdem du mir die gute Nachricht mitgeteilt hattest. Eimerweise muss ich das Zeug in den letzten zwölf Monaten geschluckt haben.»

Der angstvolle Blick der Frau glitt über Gesicht und Hals ihres Mannes. Am Hals war kein Stückchen Haut zu sehen, nicht einmal unter den Ohren. Bis zu der Stelle, wo der Hals im Hemdkragen verschwand, war rundherum alles mit seidigen gelblich braunen Haaren bedeckt.

«Bedenke», sagte Albert, während er zärtlich das Baby betrachtete, «auf ein kleines Kind wirkt es natürlich viel besser als auf einen ausgewachsenen Mann wie mich. Du brauchst sie ja nur anzuschauen, dann siehst du’s, nicht wahr?»

Langsam wandten sich die Augen der Frau dem Kind zu. Es lag nackt auf dem Tisch, weiß, fett und verschlafen, wie eine gigantische Made, die sich dem Ende ihres Larvenlebens nähert und bald mit fertig ausgebildeten Mundwerkzeugen und Flügeln zum Vorschein kommen wird.

«Warum deckst du sie nicht zu, Mabel?», sagte er. «Wir wollen doch nicht, dass sich unsere kleine Königin erkältet.»

Georgy Porgy

Wenn ich auch weit davon entfernt bin, mein eigenes Lob singen zu wollen, so darf ich doch wohl sagen, dass ich mich in fast jeder Beziehung als eine ziemlich ausgereifte und abgerundete Persönlichkeit betrachte. Ich bin viel gereist. Ich bin einigermaßen belesen. Ich spreche Griechisch und Lateinisch. Ich befasse mich mit den verschiedensten Wissenschaften. Ich habe über die Entwicklung des Madrigals im fünfzehnten Jahrhundert gearbeitet und die Ergebnisse veröffentlicht. Ich war beim Tode vieler Menschen zugegen und habe außerdem, wie ich hoffe, das Leben zahlreicher anderer von der Kanzel herab durch meine Predigten beeinflusst.

Trotz alledem muss ich gestehen, dass ich noch nie – ja, wie soll ich mich ausdrücken? – noch nie wirklich etwas mit Frauen zu tun gehabt habe. Um ganz ehrlich zu sein, bis vor drei Wochen hatte ich keine einzige auch nur mit dem Finger berührt, abgesehen vielleicht von gelegentlichen Hilfeleistungen beim Übersteigen eines Zauntritts oder dergleichen. Und selbst dann habe ich mich immer bemüht, die Betreffende nur dort anzufassen, wo keine nackte Haut war, zum Beispiel an der Schulter oder der Taille, weil ich es nicht ertragen kann, weibliche Haut an der meinen zu spüren. Die Berührung von Haut mit Haut, das heißt von meiner Haut mit der Haut einer Frau – mag es sich nun um Hals, Gesicht, Bein, Hand oder nur Finger handeln –, war mir von jeher so unangenehm, dass ich prinzipiell jede Dame mit fest auf dem Rücken verschränkten Händen begrüßte, um dem sonst unvermeidlichen Händeschütteln zu entgehen.

Wenn ich schon davon spreche, möchte ich sogar sagen, dass mich jede Art von physischem Kontakt mit dem anderen Geschlecht ungeheuer verwirrt, selbst wenn es sich nicht um nackte Haut handelt. Steht eine Frau dicht neben mir in einer Schlange, sodass sich unsere Körper berühren, oder quetscht sie sich im Bus neben mich auf den Sitz, Hüfte an Hüfte, Schenkel an Schenkel, dann brennen meine Wangen wie verrückt, und ich triefe förmlich von Schweiß.