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«George! Wach auf, George! Wach auf!»

Und dann blendet mich grelles elektrisches Licht, aus dessen Mitte, aber von weit her, die Stimme auf mich einspricht: «George, wach auf, spring aus dem Bett, zieh deinen Schlafrock an! Schnell! Unten gibt es etwas Interessantes zu sehen. Komm, Kind, komm! Beeil dich! Zieh deine Hausschuhe an. Wir gehen hinaus.»

«Hinaus?»

«Rede nicht lange, George. Tu, was ich dir gesagt habe.»

Ich bin so verschlafen, dass ich kaum die Füße heben kann, aber meine Mutter nimmt mich fest an der Hand und führt mich nach unten, hinaus in die Nacht, wo mir die Kälte entgegenschlägt, als hätte mir jemand einen nassen Schwamm ins Gesicht geworfen. Ich reiße die Augen weit auf und sehe den Rasen, der von Frost glitzert, und die riesigen Äste der Zeder, die schwarz vor der schmalen Mondsichel stehen. Darüber wölbt sich der mit unzähligen Sternen besäte Himmel. Wir eilen über den Rasen, meine Mutter und ich; ihre Armbänder klirren wie toll, und ich muss laufen, um nicht zurückzubleiben. Bei jedem Schritt höre ich das spröde, gefrorene Gras unter meinen Füßen knirschen.

«Josephine hat gerade angefangen, ihre Jungen zu kriegen», sagt meine Mutter. «Das ist eine prachtvolle Gelegenheit. Jetzt wirst du sehen, wie das vor sich geht.»

In der Garage brennt Licht, und wir treten ein. Mein Vater ist nicht da, der Wagen auch nicht. Der leere Raum wirkt riesengroß, und durch die Sohlen meiner Hausschuhe spüre ich den eiskalten Betonfußboden. In einer Ecke liegt Josephine in ihrem niedrigen Drahtkäfig auf einem Strohhaufen. Josephine, ein großes blauschwarzes Kaninchen mit roten Augen, blickt misstrauisch auf, als wir hereinkommen. Ihr Mann, der Napoleon heißt, ist in einem Käfig in der gegenüberliegenden Ecke untergebracht. Ich bemerke, dass er auf den Hinterbeinen steht und ungeduldig an dem Maschendraht kratzt.

«Schau!», ruft meine Mutter. «Gerade kriegt sie das Erste! Es ist schon fast draußen!»

Wir schleichen zu Josephine hin, und ich hocke mich vor den Käfig, das Gesicht ans Gitter gepresst. Ich bin entzückt. Hier kommt ein Kaninchen aus dem anderen heraus. Phantastisch ist das, die reinste Hexerei. Und sehr geschwind geht es.

«Sieh nur, wie es herauskommt, so hübsch sauber in seinen kleinen Zellophanbeutel verpackt!», sagt meine Mutter. «Und nun gib acht, wie sie für ihr Kleines sorgt! Die Ärmste hat keinen Waschlappen, und wenn sie einen hätte, könnte sie ihn nicht in den Pfoten halten, also wäscht sie ihr Kind mit der Zunge.»

Die Kaninchenmutter wendet ihre kleinen roten Augen ängstlich in unsere Richtung und rückt dann herum, sodass nun ihr Körper zwischen uns und dem Jungen ist.

«Komm nach drüben», sagt meine Mutter. «Das dumme Tier hat sich bewegt. Ich glaube, sie möchte ihr Baby vor uns verstecken.»

Wir gehen auf die andere Seite des Käfigs. Josephine folgt uns mit dem Blick. Das Männchen krallt sich am Gitter fest und hüpft wie besessen.

«Warum ist Napoleon so aufgeregt?», frage ich.

«Ich weiß nicht, Liebling. Kümmere dich nicht um ihn. Schau Josephine an. Ich glaube, sie kriegt bald das nächste. Sieh nur, wie sorgfältig sie ihr Baby wäscht! Sie behandelt es genauso, wie Menschenmütter ihre Kinder behandeln. Denk dir, als du geboren wurdest, habe ich’s mit dir auch so gemacht.»

Das große blauschwarze Kaninchen beobachtet uns noch immer. Dann schiebt es das Junge mit der Schnauze von uns fort, dreht sich langsam auf die andere Seite und fängt von neuem mit Lecken und Säubern an.

«Ist es nicht geradezu ein Wunder, dass eine Mutter instinktiv weiß, was sie zu tun hat?», flüstert meine Mutter. «Nun stell dir mal vor, Liebling, dass du das Baby wärst und ich Josephine – halt, komm wieder nach drüben, sonst siehst du ja nichts.» Wir kriechen um den Käfig herum, damit wir das Junge ungehindert betrachten können.

«Sieh nur, wie sie es hätschelt und mit Küssen bedeckt. Da! Jetzt küsst sie es wirklich! Genau wie ich dich!»

Ich schaue genauer hin. Was ist das für eine sonderbare Art zu küssen?

«Nein!», schreie ich. «Sie frisst es!»

Tatsächlich, der Kopf des winzigen Kaninchens verschwindet im Maul der Mutter.

«Schnell, Mammi!»

Mein Schrei ist noch nicht verklungen, da hat Josephine schon den ganzen kleinen Körper verschluckt.

Ich drehe mich hastig um, und ehe ich weiß, wie mir geschieht, ist das Gesicht meiner Mutter über mir, dicht über mir, keine sechs Zoll entfernt. Vielleicht versucht sie etwas zu sagen, vielleicht ist sie auch zu überrascht, um etwas zu sagen, aber ich sehe nichts als ihren Mund, einen riesigen roten Mund, der sich weiter und weiter öffnet, bis er nur noch ein tiefes klaffendes Loch mit einer schwarzen Mitte ist. Ich schreie wieder, und diesmal kann ich nicht aufhören. Dann kommen plötzlich ihre Hände auf mich zu, ich fühle ihre Haut an der meinen, lange, kalte Finger schließen sich eng um meine Fäuste, ich springe zurück, reiße mich los, stürze blindlings in die Nacht hinaus. Immerfort schreiend, renne ich die Auffahrt entlang und durch das Tor, höre dabei hinter mir im Dunkeln das Klirren der Armbänder, das mein Geschrei übertönt und immer lauter wird, je näher sie mir kommt auf dem Weg, der bergab führt, den Hügel hinunter und über die Brücke zur Landstraße, wo viele Wagen mit blendenden Scheinwerfern im Sechzigmeilentempo dahinrasen.

Irgendwo hinter mir höre ich das Kreischen von Bremsen, das Scharren von Reifen auf dem Asphalt. Dann wird es still, und plötzlich bemerke ich, dass die Armbänder nicht mehr klingeln.

Arme Mutter.

Hätte ich sie nur etwas länger behalten dürfen.

Ich gebe zu, dass sie mir mit diesen Kaninchen einen furchtbaren Schreck eingejagt hat, aber es war nicht ihre Schuld. Irgendwie passierten zwischen uns immer so seltsame Dinge, und ich hatte mir angewöhnt, darin eine Art Abhärtung zu sehen, die mir eher nützte als schadete. Hätte sie nur lange genug gelebt, um meine Erziehung vollenden zu können, so wäre mir sicherlich all der Verdruss erspart geblieben, von dem ich Ihnen vor fünf Minuten berichtet habe.

Damit bin ich wieder bei meinem Thema. Von meiner Mutter wollte ich nämlich gar nicht sprechen. Sie hat nichts mit dem zu tun, wovon hier die Rede sein soll, und ich werde sie nicht mehr erwähnen.

Ich habe Ihnen von den alten Jungfern meines Kirchspiels erzählt. Nicht wahr, alte Jungfer ist ein hässliches Wort? Es beschwört das Bild einer zähen, alten Henne mit runzligem Schnabel herauf oder lässt an ein schandmäuliges Monstrum denken, das in Reithosen im Hause herumstapft. Aber das traf auf meine alten Jungfern keineswegs zu. Sie waren saubere, gesunde, ansehnliche Frauen, die meisten von ihnen aus sehr guter Familie und obendrein wohlhabend, sodass jeder andere unverheiratete Mann ihre Gesellschaft recht erfreulich gefunden hätte.

Anfangs, als ich noch neu im Kirchspiel war, hatte ich keinen Grund zur Klage. Mein Beruf und mein geistliches Gewand boten mir einen gewissen Schutz, und zudem befleißigte ich mich einer würdevollen Zurückhaltung, um Vertraulichkeiten von vornherein abzuwehren. So konnte ich mich einige Monate lang sorglos im Kreise meiner Pfarrkinder bewegen. Keine Dame ließ es sich einfallen, mich auf einem Wohltätigkeitsbasar unterzufassen oder meine Finger zu berühren, wenn sie mir beim Abendessen das Salzfässchen reichte. Ich war sehr glücklich und fühlte mich so wohl wie seit Jahren nicht mehr. Sogar die nervöse Angewohnheit, beim Sprechen mein Ohrläppchen mit dem Zeigefinger zu reiben, verlor sich allmählich.